Wohl jeder, der bei Panik die typischen Symptome wie Enge in der Brust, Atemprobleme, rasendes Herz, schweißnasse Hände, Schluckprobleme und Gefühle, als würde man gleich in Ohnmacht fallen, erlebt hat, sich unweigerlich fragt, woher die Panik gekommen ist. Ich frage mich seit Jahren, was genau Panik auslöst und suche nach der EINEN Antwort, um sie dann in die Welt zu schreien. Ich möchte noch immer wissen, was wir – en detail – tun können/müssen/sollen, um Panikattacken für immer zu vermeiden (abgesehen davon, sie einfach nicht mehr zu vermeiden, sondern zuzulassen und damit umzugehen). Für mich lautet die Antwort: Sich noch besser kennenlernen. Und dadurch die eigene Angst verstehen (lernen).
Laut Bundesstatistikamt gibt es generell für Angststörungen keine offensichtliche Ursache, die bislang belegt werden konnte. Deutschland wundert sich also nur. Eine Ausnahme bei einer Panikstörung gibt es jedoch: physische Störungen.
- Funktionale Störungen der Schilddrüsen-, Sexual- und Nebennierenhormone
Als ich im Mai 2013 zum Hausarzt ging, um ihm von meinen Symptomen zu erzählen und Hilfe zu erbitten, war ich sofort in der psychisch belasteten, ja kranken, Sparte. Es gab keinen anderen Ursachenkreis für den Arzt. Was die meisten Betroffenen aber nicht wissen: Länger anhaltende Symptome wie Schlafstörungen, Grübelei, starkes Herzrasen und Herzstolpern, aber auch schnell als depressiv markierte Auffälligkeiten wie Abgeschlagenheit, Lustlosigkeit und deprimierte Phasen, können wie typische Angststörungssymptome der Reizbarkeit, inneren Unruhe, Angst und Panik eine Funktionsstörung der Schilddrüse anzeigen. Stimmungsschwankungen und Müdigkeit, genauso wie Schmerzen an Gelenken und Muskeln, Nahrungsunverträglichkeiten und Übergewicht signalisieren, dass wenigstens eine, wenn nicht alle der drei Hormonachsen, sprich die Schilddrüsen-, Sexual- und Nebennierenhormone, aus der Balance geraten sind. Bevor man sich in die psychische Ecke „drängen“ lässt, sollte man also unbedingt von einem Hausarzt abklären lassen, ob seine Werte in Ordnung sind und zusätzlich einen Hormontest machen lassen.
- Ansprüche, wichtige Bindungen und Nein sagen
Roger Baker beschreibt in seinem Buch „Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden“ (2013) mehrere Auslöser für Panikattacken und das dahinterliegende Sicherheitsbedürfnis, in denen auch ich mich wiederfinde. Beispiel: Agoraphobie oder Klaustrophobie. Für Agoraphobiker und Klaustrophobiker ist Sicherheit ortsgebunden (meistens Zuhause), ein Ort, an dem man sich geborgen und vollkommen sicher fühlen kann. Viele erliegen dem Irrtum, dass sie nur in den eigenen vier Wänden (oder woanders) so sein können, wie sie sein möchten. Auch ich ertappe mich noch oft dabei, wie ich „draußen“ jemand anderes bin, als „drinnen“, fühle mich eingeengt, verschlungen, glaube, ich müsste schauspielern, die Starke und Gute sein, um ja keine Schwäche zu zeigen (das ist sowohl lokal gemeint als auch im Sinne der Unauthentizität: Man spielt anderen eine Rolle vor, und versteckt sich selbst darin). Für sie bedeutet Alleinsein „ganz – Ich – Sein“ und für sich da zu sein. Kein Wunder, dass sie unter Menschen, die ihre Aufmerksamkeit möchten, schon mal etwas panisch werden, weil sie sofort Fremdansprüche im Nacken fühlen können. „Tu dies und tu das!“, schlecht „Nein sagen können“. Panik zwingt einen fast dazu, das zu lernen: Zu zeigen und auszusprechen, was man nicht kann und andere auch einmal abzuweisen, um sich selbst treu zu bleiben.
- Angst, man selbst zu sein. Angst, man selbst zu werden.
Man will perfekt sein und gibt stets 300 Prozent. Man will alle Fehler vermeiden, die einem unterlaufen könnten, selbst die kleinsten. Man erwartet Großes von sich selbst und gibt auch alles, um voranzukommen. Man möchte niemanden enttäuschen, um nicht selbst enttäuschend zu sein. Man will die perfekte Mutter sein, der perfekte, leistungsstärkste Mitarbeiter, die beste Freundin, der beste Sohn, die beste Partnerin. Vielleicht verzeiht anderen man zu viel, aber vergibt sich selbst zu wenig. Vielleicht erlaubt man anderen zu viel, aber sich selbst kaum etwas. Nicht im Familienleben, nicht im Beruf, nicht im Freundeskreis.
In unserer heutigen Gesellschaft, die so sehr geprägt ist durch Leistung, Erfolg, Gefühlslosigkeit, ja erzwungene Angstlosigkeit, scheinen sich die meisten Menschen darauf zu konzentrieren, dass zu befriedigen, was andere von einem erwarten. Allem voran der Job und die Familie. Es gibt klare Regeln für ein erfolgreiches Schaffen im Beruf und als Elternteil. Zahllose Blogs und Webseiten berichten darüber, wie man im Job x schafft, in dem man y tut, ohne dass einem z unterläuft. Für das Familienleben gilt dasselbe. Es scheint beinahe so, als würde das ganze Leben nur aus Prüfungen bestehen, und als säßen wir wieder auf der Schulbank und müssten die Klausur bestehen. Tatsächlich sieht all das aus wie die „normale Prüfungsangst„, die in Wirklichkeit auch nur die Angst vor der Bewertung der eigenen Leistung ist.
In meinem Blogpost zu Authentizität habe ich bereits darüber diskutiert, wie sehr heute geschauspielert wird und wie extrem unsere Rollen sind, die wir spielen. In meinem Blogpost zu unserer Jagd nach dem Glück habe ich einige „falsche“ Annahmen zu Anstrengungen, um Zufriedenheit und Glück zu erreichen, erläutert, die jedem mal im Wege standen oder stehen.
Ist es bei all dem Streben und Tun verwunderlich, dass es so viele Menschen gibt, die an ihrer ständigen Angst, nicht genug gegeben zu haben, zu versagen, zu enttäuschen, erkranken? Ist es nicht schon fast „normal“, dass unser Gehirn uns mit Panik begegnet, um das zu unterbinden? Die meisten Betroffenen berichten darüber, dass es vor Ausbrechen der extremen Angst eine schwere Zeit gab, versehen mit vielen Fremdansprüchen, denen sie gerecht werden wollten. Meistens gibt es auch jemanden in ihrem Umfeld, der ihnen das Leben noch schwerer macht, sich einmischt oder durch eigene Machtansprüche in die Selbstbestimmung des Betroffenen eingreift. Oft sieht man bei Angst- und Panik-Betroffenen extreme Beziehungen, die entweder emotional abhängig und übergriffig sind oder aber flüchtend, aus Angst vor Nähe, Enttäuschung oder gar Trennung.
Reichen wir uns noch aus? Sind wir noch zufrieden mit dem, was wir sind? Weshalb bemühen wir uns ansonsten so sehr, doch jemand anderer zu sein: jemand, der stärker ist, und weniger schwach oder jemand, der alles allein schafft und keine Hilfe benötigt?
Ich habe bei all meinen Recherchen mit einigen Betroffenen gesprochen, die davon berichteten, wie schwer es ihnen fiel/fällt, zu ihrer Angst zu stehen und wie kompliziert es ist, dass sie von außen keine Hilfe bekommen, besonders, wenn es sich um Panik handelt und man den Weg zum Therapeuten hinter sich bringen muss. Ja, man wird dumm angeguckt, wenn man sich traut, dem Arzt zu sagen, dass man nicht weiß, wie man kilometerweit zum nächstfreien Therapeuten kommen soll. Für diejenigen, die das betrifft: Schaut mal in die Sektion „Selbsthilfe“. Dort findet ihr auch Online-Therapien, die eventuell etwas für euch sein könnten.
LG
Janett
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