Achtsamkeit wird seit geraumer Zeit medial beschrieben und angepriesen: Sie hilft uns Menschen im Stress und Zweifeln durch die Tiefen des Lebens, schenkt uns Resilienz und vermag es, dass wir allen Herausforderungen trotzen können. Außer Natur, Yoga und Meditation wird aber wenig als Praxis benannt. Dabei gibt es unzählige Aktivitäten, die Achtsamkeit fördern. Für sich aber die eine zu finden, die in den individuellen Alltag integrierbar ist, scheint gar nicht so leicht zu sein, wenn das Essen gekocht, mit den Kinder gespielt und dem Partner und Job genug Aufmerksamkeit gezollt werden möchte.
Deshalb blicke ich in diesem Artikel auf die wesentlichen Elemente, die Achtsamkeit beinhaltet. Sie mögen dich dazu motivieren, deine ganz eigene Praxis eines achtsamen Lebens zu entdecken.
Achtsamkeit: Die 8 Elemente eines achtsamen Lebens
Wir sind wahre Meister der Ablenkung, Kompensation und Verdrängung geworden. Mit der schier unerträglichen Anzahl an Impulsen, die von außen auf uns einströmen, könnten wir ohne Achtsamkeitspraxis gar nicht anders umgehen. Wer jedoch in Achtsamkeit geübt ist, der kann diese Reize von außen, Anforderungen und Bedürfnisse unserer Mitmenschen sowie unsere eigenen leichter verarbeiten. Die Wissenschaft hat in mehreren Studien belegt, dass sich nicht nur die neuronalen Verbindungen im Gehirn durch Achtsamkeit zum Positiven verändern. Meditation und Yoga (als zwei populäre, leicht zugängliche Wege) vermögen sogar eine Veränderung unserer DNA.
Wer fleißig übt, der tut sich damit den Gefallen, gegen alles und jeden im Leben mit Ruhe und Gelassenheit gewappnet zu sein. Um das zu erreichen, sind acht Elemente der Achtsamkeit zu berücksichtigen (die Zahl 8 als Symbol der Unendlichkeit und des Lebensflusses).
Die ersten vier Elemente der Achtsamkeit
Selbstbewusstsein
Damit ist nicht Durchsetzungsvermögen oder Standhaftigkeit, das Verfechten der eigenen Stärken oder die Kenntnis seines Charakters gemeint. Mit dem Bewusstsein über unser Selbst ist die Erkenntnis über unser Wirken – aufgrund der Beschaffenheit unseres Selbst – in der Welt gemeint – das bewusste Erkennen der Einheit aus Körper, Geist, Herz und Seele. Das heißt, sich selbst im Großen (statt im kleinen Denken und Handeln) wahrzunehmen und vor allem im Ganzen (als Teil der Welt statt im Isolierten oder als Opfer bzw. Täter). Das schließt jeden Gedanken aus, man selbst sei verletzt, würde verletzen oder verletzt werden. Jede Handlung eines Anderen ist damit nur eine Erfahrung, die man macht. Und nein, das bedeutet nicht, dass du dich verletzen lassen sollst oder andere verletzen darfst. Der bewusste, achtsame Umgang mit sich und seinen Mitmenschen bringt auch neue, andere Lebenswelten mit sich, weil wir alle unterschiedlich aufwuchsen und andere Erfahrungen gemacht haben bzw. diese anders für uns interpretiert haben. Hier herrscht der Glaubenssatz: „Ich bin okay. Ich liebe und schätze mich, genauso, wie ich bin.“
Bewusstsein der Anderen
Sich dem Bewusstsein der anderen Menschen zu öffnen, sie in ihren Sphären zu bemerken und zu erfahren, ist gar nicht leicht in einer Welt aus flachen Hierarchien, Ellenbogenmentalitäten und starker Konkurrenz in allen Bereichen des Lebens. Dennoch spielt die Augenhöhe und Gleichwertigkeit (was mit All-Eins und Einheit betitelt wird) eine unterschätzte Rolle: Denn wer sich wichtiger nimmt oder andere unwichtiger, nur sich mit Ernst betrachtet, aber andere als unnötig oder sich aus (Erfahrungswerten und) Angst schützen möchte vor Verletzungen, der lebt das Gefühl des Getrenntseins auf allen Ebenen. Das führt zu Machtkämpfen aufgrund von Angst und Vergleichen, in denen man schlechter abschneidet, schürt Traurigkeit, Isolation, Wut, Schuld und Scham. Man ist wegen des Gefühls der Trennung im Geiste und Herzen nicht nur allein, sondern auch einsam.
Deshalb ist die Augenhöhe im Sinne der Transaktionsanalyse „Du bist okay. Ich bin okay.“ so essentiell. Denn nur gemeinsam, in der Verbindung unserer Stärken und der Balance unserer (Noch)Schwächen können wir bewusst und achtsam leben sowie Zufriedenheit mit und über unsere Mitmenschen empfinden.
Wer sich auf andere verlassen kann (weil sein eigener Wert genauso hoch empfunden wird wie der Wert der Anderen), empfindet Verbundenheit, profitiert langfristig von der Unterstützung anderer und kann anderen schenken, was er selbst im Überfluss hat und sie brauchen. Das schützt vor Einsamkeit und lässt uns verbunden fühlen. (Als Gegenteil: Wer Angst vor Abhängigkeit hat, der kommt mit dem Gefühl des Getrenntseins zwar oberflächlich besser zurecht, ist aber freiwillig ausgeschlossen aus dem Verbund, würde weniger Hilfe erfahren, wenn er sie bräuchte und wäre nur mit seinen Gegebenheiten beschäftigt. (Von anderen zu) Lernen und neue Sicht- und Lebensweisen zu kultivieren, hilft uns aber, im Fluss des Lebens noch resilienter zu werden. Misanthropie ist ein unachtsamer, sehr einsamer Lebensweg (und so unnötig).
Sich mit der Vergangenheit aussöhnen
Wenn ich mir meine Klienten und Klientinnen und auch mich ansehe, weiß ich, dass das der mitunter schwierigste Punkt der Achtsamkeit sein kann. Es gelingt selten seine Erfahrungen zu vergessen oder seine Verletzungen herunterspielen. Aber im Frieden mit dem Erlebten zu leben, bedeutet in der Praxis der Achtsamkeit, dass wir das Verletzende, das geschah, anders betrachten: ohne Ego, meint ohne Kränkung, ohne Konzepte wie Stolz und Angst, Verachtung und Frust. Frieden mit der Vergangenheit zu machen heißt in erster Linie anzuerkennen, was und dass es geschah. Alle damit einhergehenden Gefühle wahrzunehmen und diese dann loszulassen, weil sie nur heute (nicht aber im Denken an früher) geändert werden können. Das gedankliche Anhaften an frühere Situationen lässt uns in der Vergangenheit leben und gibt uns keinerlei Handlungsspielraum. Es liegt außerhalb unserer Kontrolle. Es lässt uns gleichermaßen als Opfer fühlen, weil wir nichts mehr tun können, was das Früher ändern würde.
Vielmehr müssen wir hinterfragen, was wir aus einer Begegnung gelernt haben, was uns jemand durch seine Taten und Worte beigebracht hat (auch wenn wir keine Notwendigkeit dazu sahen), was wir in demjenigen, den wir zum Beispiel verletzt haben, auslösten – was Wundervolles, Transformierendes, Korrigierendes durch die Erlebnisse geschehen durfte – was nie geschehen wäre, wenn uns X nicht passiert wäre. Frieden mit der Vergangenheit ist wie ein Jahresabschluss: Er erlaubt uns, Revue passieren zu lassen und voranzuschreiten. Es ist somit die eine Komponente der Achtsamkeit, die gegen Stagnation und hin zu Lebensfluss führt.
Eine Vision für die Zukunft
Denn Weiterentwicklung ist essentiell in der Achtsamkeit. „Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür wurden Schiffe nicht gebaut.“ Wir alle haben und definieren einen Lebenssinn. Den zu kennen ist entscheidend. Die Wirtschaftsprofilerin Suzanne Grieger-Langer drückte es in noch einfacheren Worten aus: „Wenn das Warum stimmt, erträgt man jedes Wie.“ Damit meint sie, dass wir eine Vision brauchen, die uns nährt und über alles hinwegträgt, uns alles dulden lässt – jede miese Stimmung des Partners, jeder Angriff eines mobbenden Kollegen, jede finanzielle oder gesundheitliche Krise, jeder Wutausbruch eines Kunden, jede einsame Stunde. Wer eben nicht weiß, wohin er gehen möchte, der kommt nirgendwo an. Wer sich nicht bewegt, weil er kein Ziel vor Augen hat, der stagniert – und damit auch der Körper, Geist und die Seele. Dafür sind wir Menschen nicht gemacht.
0 Kommentare