In vielen Unternehmen herrscht noch immer der Anspruch, ihre Mitarbeiter müssten täglich herausragende Ergebnisse liefern, besser sein statt nur „gut“ und „genug“, Opfer im Privaten erbringen und konstant durch überdurchschnittliche Leistungen, Interesse und Engagement glänzen. Das zeichnet in ihren Augen eine „gute Arbeitseinstellung“ aus. Mit dieser – so scheint es bei vielen Arbeitgebern – hätte ihr Personal Respekt und Zugehörigkeit verdient. Viele Arbeitnehmer klagen allein deshalb über Angst vor Leistung und dem Job, der Arbeit an sich, den Chef, den Kollegen – einhergehend mit Symptomen. Was wenig mit Arbeitsmoral zu tun hat, kann vielmehr ein Mix aus individuellen und firmenbezogenen Aspekten sein. Geschehen hier keine Korrekturen, greift der Körper/die Psyche zu natürlichen Abwehrmechanismen, um mögliche Gefahren für die Gesundheit zu vermeiden.
In diesem Blogpost findest du mehr Hintergründe zu dieser Angst und einer einfachen Methode, mit dem du wieder neuen Sinn für dein Berufsleben schaffen kannst – oder feststellst, dass es Zeit für einen neuen Arbeitgeber ist.
Ursachen: Wie Angst vor Arbeit und Leistung im Job entstehen
Angst vor Arbeit und Leistung entstehen nicht aus dem Nichts. Vieles muss im Vorfeld geschehen sein, damit ein Mensch plötzlich den Sinn in seinem Beruf oder Arbeiten an sich verliert. Oft geht es einher mit vielen Jahren des Beweisstellens, in denen der Arbeitnehmer mit einem starken sog. Leistungsmotiv etwas zu bewirken versucht: für sich, das Unternehmen, die Welt usw. Es kann auch sein, dass seit jeher das Underachiever-Syndrom vorliegt, in denen Menschen dazu erzogen wurden, nichts erreichen zu müssen (weil es ihnen a) ohnehin nichts brächte oder b) es von ihnen nicht abverlangt wurde). Ich gehe hier vom ersteren aus: Es bestand ein starker Drang danach, etwas zu leisten, weil man
- etwas für sein Leben erreichen wollte (finanzielle Sicherheit/Stabilität bzw. Wohlstand, Lernen, Status, Persönlichkeitsentwicklung, Karriere) und bereit war, dafür vieles zu tun
- etwas für die Welt tun wollte (Gutes tun, Menschen helfen, Lücken füllen, Ungerechtigkeit ausbalancieren usw.)
- seinen Platz finden wollte (zu einer Gruppe Gleichgesinnter gehören wollte), das sog. Zugehörigkeitsmotiv
- durch seine Leistungen an Bedeutung für andere/die Welt gewinnen wollte (Machtmotiv)
Und so ergaben sich die Motivationen: Man ging davon aus, indem man leistet, würde man erreichen/bekommen, was man sich gewünscht hatte. Doch damit Motivationen in uns entstehen können, die uns ins Handeln bringen, müssen wir uns sicher sein, dass das Gewünschte erreichbar ist. Sehen wir uns in unserem Handeln immer wieder scheitern oder kurz davor, erleben immer wieder die Angst, wir könnten versagen, erfahren Kritik oder gar kein Lob, ebbt unsere Motivation von Mal zu Mal ab. Man mag nicht mehr, kann nicht mehr, will nicht mehr. Es bildet sich eine Art innere Front gegen Leistungen jeder Art, gegen Arbeit an sich oder Aufgaben bestimmter Art.
Symptome, die mit Angst vor Arbeit und Leistung einhergehen können
Der Körper/die Psyche kündigt Überforderung, die schließlich in Angstzustände fließen kann, und durch konstanten Leistungsdruck (körperlicher, emotionaler und geistiger Art) begleitet wird, in erster Instanz durch „normale“ Signale an:
- Stress
- Müdigkeit
- Konzentrationsprobleme
- Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten
- unruhiges Wochenende mit einer tiefen Unlust am Sonntag beim Gedanken an den kommenden Montag/Arbeitstag
- im Urlaub nicht abschalten können bzw. krank werden
- trockene, unreine, fahl-aussehende Haut mit Juckreiz
- Verdauungsprobleme
- verringerte Immunabwehr
- leichte bis mittlere Unlust am Morgen
- innere Unruhe unter Menschen
- latente Aggression, Impulsivität, Wutausbrüche (besonders wenn etwas nicht funktioniert bzw. nicht auf Anhieb klappt)
- Muskelverspannungen (werden später gern zu Panikattacken)
- unruhige Beine, Kribbeln in den Gliedmaßen
- innere Unruhe auch während der Freizeit
- innere Hektik („Schnell-Schnell-Syndrom“, besonders bei Frauen)
- Gefühle entweder extrem sensibel oder immer schwächer wahrnehmen (leicht in Tränen ausbrechen oder kaum mehr etwas spüren)
- auf zwischenmenschliche Situationen nicht mehr eingehen wollen/können bzw. keine Ruhe für „Probleme“ haben (Abwehr des emotionalen Leistungsdrucks)
um nur einige zu nennen. Das sind die häufigsten Begleiterscheinungen, die mir genannt werden.
Auch das Gefühl, man dürfe die Arbeit jetzt noch nicht beenden, obwohl es schon spät am Abend ist, oder man müsse noch in der Freizeit dieses und jenes für den Arbeitgeber tun, fällt darunter. Ständige Erreichbarkeit, E-Mail-Check am Wochenende oder in Gedanken stets im Büro oder in Gesprächen mit Kollegen zu sein gehören auch dazu. Das Gefühl, gebraucht zu werden und nicht ersetzbar zu sein, trifft auf den Drang, alles liegen zu lassen.
Deshalb sieht man das auch im Job/Beruf an der eigenen Leistung:
- fehlendes Interesse
- keine Verlässlichkeit mehr gewähren können/wollen
- kein Pflichtbewusstsein mehr gewähren können/wollen
- keine Teamfähigkeit mehr gewähren können/wollen (Ungeduld vor allem)
- keinen Respekt mehr vor Autoritäten
- keine Folgsamkeit mehr gewähren können/wollen
- andere Werte als das Unternehmen entwickeln oder bereits haben
- teilweise eine hohe Fehlerquote bei den Aufgaben
- Aufgaben scheuen, die lange dauern, eine hohe Qualität oder Konzentration fordern
- Konzentrationsschwierigkeiten, nur schwer sitzen bleiben können
- häufiges Fehlen am Arbeitsplatz durch Krankheit
Alle diese Punkte können ambivalent gedeutet werden, entweder als Hinweis auf eine psychische Gefährdung oder als miese Arbeitsmoral.
Was hier passiert: Der innere Richter ermahnt zur Perfektion und Übermenschlichkeit, währen das Selbst um Gnade und Erlass bittet. Werden diese und ähnliche Symptome ignoriert, reagieren viele in nächster Instanz mit einer ausgeprägten Angst vor bzw. wegen Arbeit und Leistung im Job, gern begleitet durch diffuse Angst vor Kontakt mit Menschen (besonders die, die Ansprüche und Erwartungen an einen stellen aka Kunden, Kollegen und Vorgesetzte). So entstanden bei mir Agoraphobie mit Panikattacken. Andere wiederum entwickeln Depressionen bzw. Burnout oder erleben Angstzustände ohne Panikattacken. Wie der einzelne Körper reagiert, ist im Menschen selbst angelegt.
Der Selbsttest bzw. Eine einfache Methode, um sich zu durchschauen
Hinter der anfangs nur leichten Angst verbirgt sich oft die Angst zu versagen – eine naheliegende Befürchtung, wenn unermüdliche Versuche, dem Arbeitgeber seinen Wert zu beweisen, im Vorfeld unternommen wurden. Diese Angst kann auch auftreten, wenn man es als Mitarbeiter mit (für einen selbst) sinnentleerten Aufgaben zu tun hat. Der Drive in Richtung Boreout ist ebenso häufig wie der in Richtung Burnout.
Doch liegt es wirklich NUR am Job? Ist es der einzelne Arbeitgeber und würde es dir besser bei einem anderen Unternehmen gehen? Liegt es an vielleicht ganz anderen Ursachen, z. B. daran, dass du unbewusst innerlich gekündigt hast? Bräuchtest du nur andere, interessantere Aufgaben? Oder fehlt es dir im Job an Anerkennung?
Beantworte aus dem Bauch heraus und ehrlich dir gegenüber (radikale Selbstprüfung!) folgende Fragen:
- Welche Bedeutung hat Arbeit, Leistung für dich?
- Welche Bedeutung hat „dieser Job“ für dich? Gibt es in dem Unternehmen eine Abteilung, bei der du lieber arbeiten würdest?
- Was müsste das Unternehmen tun, um dich zu motivieren?
- Wie hast du dich früher selbst motiviert? (Strategien)
- Und was genau hat dich motiviert, dort zu arbeiten? (Aufgabenbereich, Ziel/Motiv)
- Wann hat dir die Arbeit das letzte Mal so richtig Freude bereitet? (Zeitpunkt und Arbeitsbereich bzw. Kollegium o. Ä. bestimmen)
- Wann brach diese Freude weg? (Zeitpunkt bestimmen)
- Wann und womit traten Unlust bzw. Gereiztheit, emotionale und geistige Überforderung/Unterforderung das erste Mal auf?
War z. B. ein Kollege oder ein Arbeitsbereich Auslöser bzw. gibt es sich überschneidende Muster, wann immer du in Angst, Panik oder innere Abwehr, Unlust gerätst? - Wie reagiert dein Körper/Geist auf das, was im Job geschieht? (z. B. Anerkennung, die dir geschenkt wird oder neue Herausforderungen, Mitspracherecht oder Entscheidungsfreiräume)
- Welche Bedürfnisse musst du hintenanstellen, um deinen Job gut zu machen?
- Für die sehr Reflektierten: Wie reagiert dein Körper auf einzelne Aufgaben, nach dem Kontakt mit bestimmen Kollegen/Personen, morgens/mittags/nachmittags/andere Arbeitszeiten, bei Kontakt oder ohne Kontakt zu Kollegen/Vorgesetzte? Wie reagiert er, wenn Kollegen/Vorgesetzte im Urlaub sind?
- Wie reagiert er vor Personalgesprächen?
- Wie reagiert er auf das, was NICHT geschieht? (z. B. Anerkennung, die dir nicht geschenkt wird, oder neue Herausforderungen, Mitspracherecht oder Entscheidungsfreiräume, Gehaltserhöhungen usw.)
- Hast du noch Hoffnung, dass du in dem Unternehmen zufrieden werden kannst? Wenn ja, was kannst DU tun, um das zu fördern?
- WILLST du noch hoffen oder ist deine Hoffnung langsam über die Zeit baden gegangen?
- Halten dich deine Erfahrungen mit diesem Arbeitgeber davon ab, dir einen neuen zu suchen? Wenn ja, welche genau sind das?
- Wie siehst du dich durch deine Erfahrungen mit diesem Arbeitgeber heute anders, und wie hast du dich früher gesehen? Sind deine geänderten Ansichten zu dir und deinen Fähigkeiten, Befähigungen, Talenten und Charaktereigenschaften geprägt durch diese Erfahrungen?
- Was ist der Hauptgrund dafür, dir keinen anderen Arbeitgeber zu suchen?
- Findet sich dieser Hauptgrund als Attribut auch in der Art und Weise, wie du dich als Arbeitnehmer behandelt fühlst? (z. B. nicht qualifiziert genug für andere in deiner Branche & nicht respektiert werden im Job)
Motive und Motivationen
Wenn es noch Motive gibt, aber keine Motivationen mehr, nach ihnen zu handeln, dann haben wir resigniert. Denn innerlich meinen oder wissen wir, dass es nichts brächte, uns zu engagieren oder tätig zu werden. Zu viele Hindernisse stehen zwischen der Arbeit/unserer Leistung und der Erreichbarkeit unseres Ziels. Können wir unser Ziel nicht mehr erreichen, z. B. nichts damit bewirken oder nicht das, was wir damit bewirken wollen, dann besteht auch keine Motivation mehr, diese eine Arbeit zu leisten.
Solltest du dich also fragen, wieso du keine Lust mehr auf deine Arbeit hast oder wieso du dich schlecht konzentrieren oder motivieren kannst, das könnte die Antwort sein: Die Tätigkeit ist für dich sinnentleert. In dir entstehen deshalb keine Impulse mehr, keine Motivationen, aktiv zu werden, denn dein Motiv oder Ziel ist in deinen Augen nicht (mehr) erreichbar. Es kann sein, dass du damit richtig liegst. Es kann aber auch sein, dass einige querschlagende Gedanken zu dieser Hürde führen oder du noch andere Motive hast, die du verdrängst oder die sich immer stärker melden.
Versagensangst zu haben und diese sich selbst gegenüber zu widerlegen ist eine Motivation. Dann würdest du arbeiten, um einer Firma aka dir zu zeigen: Ich schaffe das! Ich kann das! Ich bin gut. Glaubst du aber innerlich nicht wirklich daran, sondern denkst, du würdest es sowieso nicht schaffen oder es wäre an Arbeitspensum zu viel oder zu schwer, dann suchst du in der Firma nach genau dieser Bestätigung: Du kannst es nicht. Du reichst nicht.
Sich zu beweisen in seinem Wert („Ich bin es wert! Ich habe diese Position/diesen Job verdient!“) verbinden wir mit einer Rückleistung: Was wir dafür bekommen (oder hoffen, zu bekommen), z. B. Ansehen, Status, Geld, Attraktivität, die in eine Partnerschaft führen würde usw. Dieses Ziel rührt oft aus Mangeldenken her (Ich bin es noch nicht wert. Noch habe ich es mir nicht verdient. Ich muss es mir noch verdienen!). Je mehr wir vor etwas fliehen wollen, desto mehr ziehen wir an, was wir schon haben oder – in diesem Fall – glauben, noch nicht zu haben. Wir müssten unser Denken ändern und in uns etablieren, dass wir wertvoll sind, statt andere als unseren Spiegel zu wollen, die uns zeigen: Das bin ich … (also wert)!
Geld und Existenzangst ist ein weiterer Grund, wieso wir unsere Arbeit nicht schätzen. Wenn uns nichts anderes übrigbleibt, als zu Ja und Amen zu sagen, ein für uns unbedeutenden Job zu machen, dann bleibt nur die Motivation: UM GELD ZU VERDIENEN. Vielen reicht dieser Grund. Anderen hingegen wäre es möglich, sich einen ähnlichen Job zu suchen, aber bei einem anderen Arbeitgeber mit besseren Konditionen. Wir nehmen diese Ursache Geld und Existenz leider viel zu oft als Ausrede, um nicht handeln zu müssen – auch weil wir zu faul sind, nach BEDEUTUNG für unser Leben in der Welt Ausschau zu halten.
Wieso wir uns trauen müssen, zu kündigen, wenn es nicht passt oder: Ein Job, den du liebst
Am Ende des Tages entscheidet, was Viktor Frankl einst als Buchtitel wählte: Wer ein „Wozu“ hat, erträgt fast jedes „Wie“. Wer seinen Job nicht wechseln kann, dem bleibt nur übrig, sich jede noch so kleine, dankbare Sache in der momentan Situation zu suchen, an der man sich festhalten kann. Wenn etwas im Job Freude bringt, z. B. einige Kollegen oder der kurze Arbeitsweg, dann kann bereits das die Motivation, dort weiterzuarbeiten, nähren. Nach diesen kleinen Freuden muss man dringend suchen; man muss sie dringend finden – was mitunter heißt: zuzulassen, sie zu erkennen.
Wer hingegen Alternativen hätte, um die er sich lediglich nicht kümmern mag, weil sie anstrengend sind, mit Ablehnung verbunden oder mit erneuten Leistungsbeweisen, bei denen man versagen könnte, darf sich das ruhig vor Augen halten. Es ist für kaum jemanden der liebste Zeitvertreib, sich einen neuen Job zu suchen, die vielen Bewerbungsprozesse durchzuhalten, wenn man denn eingeladen wird. Man muss die Ablehnungen und Aufregungen vor Bewerbungsgesprächen ertragen lernen, denn sonst wird sich nichts ändern. Wenn sich nichts ändert, stagniert das Leben. Das kann krank machen, für Unruhe, Lustlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Fehler und schlaflose Nächte sorgen – weil man Herausforderungen scheut. Wer weiß, was der Impuls für die Jobsuche an Gutem bringt?
Wenn man es nicht versucht, wird man es nie erfahren – weil man zu beschäftigt damit ist, das Ungute ertragen zu lernen.
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