Hund, Katze oder Pferd als Therapeut: Können Tiere wirklich heilen bzw. die Heilung von psychischen Erkrankungen maßgeblich unterstützen? Zumindest gibt es zahlreiche Erfahrungsberichte und mittlerweile auch Studien, die das nahelegen. Im Englischen spricht man bereits vom „pet effect“. Vor allem bei Depressionen sollen Haustiere hilfreiche und liebevolle Begleiter sein, die den Betroffenen aus der Isolation befreien, ins Tun bringen und mit seinem Herzen verbinden.
Auch ich habe in meiner damaligen Angst- und Panikstörung den „pet effect“ (Haustier-Effekt) erfahren, mit einer Katze. Die neuesten Überlegungen und Studien kommen also nicht von ungefähr.
Heilung durch Tiere: Was neueste Studien dazu sagen
Tiere: Ihnen werden nicht nur Qualitäten wie „ein guter Zuhörer“ zu sein zugeordnet. Für viele Haustierbesitzer sind sie die besten Freunde und echte Familienmitglieder, die nicht weniger Bedeutung haben als Menschen. Die Wirkung von Tieren auf Menschen mit psychischen Herausforderungen wie Angst und Depressionen rückte unlängst immer stärker in den Fokus der Forschung und Wissenschaft.
Jüngst bestätigen Studien vor allem die heilsame Wirkung von Tieren auf die menschliche Psyche. Sobottka und sein Team im Zentrum für Seelische Gesundheit in Marienheide untersuchten bei depressiven Patienten die Wirkung von hundegestützten Therapien im Vergleich zu herkömmlichen Therapiestunden. Seine Forschungsergebnisse zeigten, dass Therapiehunde die Suizidgefahr deutlich minimierten.
Auch die University of British Columbia nahm sich, wie einige weitere US-Unis, diesem Thema an. Bereits nach der ersten Therapiesitzung mit Hunden berichteten die Studierenden von verringertem Stress, mehr Energie und einem erhöhten Glücksgefühl. Selbst nach mehreren Therapiestunden hielten diese Effekte an.
Ich holte mir eine kleine Katze, gerade einmal vier Wochen alt und – wie sich herausstellte – krank, als ich mitten in meiner Angststörung mit Panikattacken war. Die Kleine half mir nicht nur, mich aus meinen sabotierenden Gedanken rund um die nächste Angst zu holen. Sie brauchte mich und gab mir zugleich unendlich viel Liebe. Vor allem zwang sie mich, rauszugehen, als ich mit ihr zum Tierarzt musste. Aber Tiere halten noch weitere positive Auswirkungen auf die menschliche Psyche bereit:
Tiere und ihre Wirkung auf Angst und die Psyche
Nach wie vor konnten noch nicht alle direkten Auswirkungen von Tieren auf unsere psychische Gesundheit eingehend von der Forschung geklärt werden. Doch für viele brauchen wir gar keine Studien:
Wer Angst hat und sich Menschen gegenüber nur schwer öffnen kann, dem gelingt das möglicherweise gegenüber einem Tier. Schon leichte Berührungen können eine lange nicht mehr gespürte Erfahrung sein, die Spannungen im Körper abbaut, Stresshormone reduziert und die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin verstärkt. Die Beziehung zwischen dem Tier und dir ist vor allem gut für dein geschwächtes Vertrauen in deinen Körper und Geist, in die Liebe und die Welt, in Menschen und in dich. Denn: Die Fürsorge, die dir ein Tier abverlangt, kann deine Selbstwirksamkeit maßgeblich stärken.
Außerdem: Ein Tier urteilt nicht. Es kennt keine Gerüchte, keine menschlichen Wertmaßstäbe, denen wir uns allzu oft unterwerfen. Es erwartet weder Perfektion noch einen lupenreinen Lebenslauf, kein tolles Aussehen oder lange Gespräche, keine Glanzleistungen usw. Nachdem das erste Vertrauen aufgebaut ist, ermöglichen Tiere einen unbefangenen Körperkontakt. Vor allem Patienten mit Angststörungen können von dieser Vorurteilsfreiheit profitieren.
Hinzu kommt: Ein Tier lebt im Hier und Jetzt und zwingt uns auf sanfte Weise, dasselbe zu tun. Dadurch üben wir uns in Achtsamkeit, die uns von Ängsten vor der Zukunft und den Schatten der Vergangenheit ablenken kann.
Doch nicht nur bei Angst kann ein Tier eine heilsame Wirkung haben: Menschen, die an Depressionen leiden, ziehen sich häufig stark aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Der unkomplizierte, vorurteilsfreie Kontakt zu den Tieren, die bedingungslose Zuneigung zeigen, kann ein erster Schritt sein, um sich auch den Menschen wieder anzunähern. Nicht zuletzt vertreibt ein Haustier die Einsamkeit, denn es ist immer da. Aber auch Gassigänge, Besorgungen oder Tierarztbesuche bieten außerdem Anlass, die eigenen vier Wände zu verlassen und mit Menschen in Kontakt zu treten.
Das eigene Haustier: So heilsam kann es sein
Den eigenen Hund oder die Katze zu versorgen, kann also eine heilsame Erfahrung sein. Auf der einen Seite steht das Gefühl des Gebrauchtwerdens und der Übernahme von Verantwortung. Schnell werden das Füttern der Katze oder der Hundespaziergang zur Routine. Das bringt wertvolle Struktur und Impulse in den Alltag, die Halt geben und für neue Sicherheit sorgen können.
Das Geliebtwerden spielt ebenfalls eine große Rolle. Stark menschenbezogene Tiere wie Hunde fordern den Kontakt aktiv ein. Sie begrüßen „ihren“ Menschen mit einem freudig-aufgeregten Schwanzwedeln. Aber auch schmusebedürftige Katzen brauchen ihre Streicheleinheiten. Wer vorher einsam in der Wohnung saß, bekommt mit dem Haustier einen loyalen Gefährten.
Für Hundeliebhaber: Spaziergänge mit dem eigenen Hund bieten gleich in mehrfacher Hinsicht positive Auswirkungen. Wer sich im Alltag nur zu wenigen Tätigkeiten aufraffen kann, muss spätestens jetzt ins Handeln kommen. Auch gegen den sozialen Rückzug im Rahmen einer Depression oder Angststörung sind Hundespaziergänge ein probates Mittel. Je nach Wohnlage und Uhrzeit begegnet man weiteren Hundebesitzern und nach mehreren Begegnungen entstehen Gespräche und vielleicht sogar neue Bekannte oder gar Freunde. Spaziergänge wirken sich außerdem zu jeder Jahreszeit positiv auf die allgemeine Gesundheit aus. Dazu braucht es zwar streng genommen keinen Hund, aber das Tier sorgt für Regelmäßigkeit in der Bewegung, die dem Körper und Geist guttun. Durch das Tageslicht wird zudem die Vitamin-D-Produktion angekurbelt: Denn ein Mangel an Vitamin D kann nicht nur das Immunsystem schwächen, sondern auch an der Entstehung von Stimmungstiefs, Angstzuständen und Depressionen beteiligt sein.
Ist ein eigenes Haustier nützlich für deine Genesung?
Vor der Anschaffung eines eigenen Tieres sind ein paar Punkte zu bedenken. Denn vor allem bei stärkeren Depressionen oder anderen schweren Krankheiten muss die Versorgung des Haustiers sichergestellt sein.
Je besser das Tier ausgebildet ist, desto höher der Anschaffungspreis. Der liegt für einen fertigen Therapiehund normalerweise im fünfstelligen Bereich. Diese Therapiehunde sind aber vor allem für die tiergestützte Therapie in Institutionen ausgebildet. Ein privates Haustier hingegen ist für deutlich weniger Geld zu haben, sollte aber nachweislich gesund und wesensstark sein und bereits eine gute Grundausbildung genossen haben oder sie gewährleistet bekommen.
Diese Checkliste hilft bei dir der Frage, ob für dich ein eigenes Haustier für die Therapie in Frage kommt oder du gezielt nach tiergestützter Therapie suchen solltest:
- Ist bereits Erfahrung mit Haustieren und dem Wunschtier (Katze, Hund, usw.) vorhanden?
- Ist ausreichend Platz für eine Tierhaltung vorhanden?
- Ist die Tierhaltung in der Wohnung oder im Haus erlaubt?
- Reichen die finanziellen Mittel aus? Neben der Anschaffung sind auch Kosten für Futter und Tierarzt mit einzurechnen.
- Kann das Tier langfristig bleiben und hier seinen Lebensplatz finden?
- Liegt beim Patienten oder den Haushaltsmitgliedern eine Tierhaarallergie vor?
- Handelt es sich um ein besonders verträgliches und menschenbezogenes Tier? Vorzugsweise mit guter Ausbildung?
- Ist der Patient psychisch und/oder körperlich stabil genug, um die Versorgung des Tiers zu übernehmen?
- Welches Tier passt zur Persönlichkeit des Patienten?
- Gibt es jemanden, der sich im Notfall um die Tierversorgung kümmern kann? Zu bedenken sind auch Urlaube und andere Abwesenheiten.
Auch ohne eigenes Tier möglich: Tiergestützte Therapie
Wenn die Lebensumstände oder die finanzielle Lage keine Tierhaltung erlauben, kommt trotzdem eine tiergestützte Therapie in Frage. Viele Institutionen haben die tiergestützte Therapie schon als festen Bestandteil in ihr Angebot integriert. Ausgebildete Therapiehunde sind beispielsweise in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, aber auch in Seniorenheimen im Einsatz.
Zur Therapiearbeit zählt neben dem körperlichen Kontakt durch Schmuseeinheiten beispielsweise auch die Kommunikation mit dem Tier ausschließlich über Körpersprache ohne weitere Kommandos. Hierdurch erfahren die Patienten viel über ihre Körperwirkung. Denn schon kleine Änderungen verändern den Einfluss auf das Therapietier stark. So hilft es den Tieren vor allem, ihre eigenen Ängste zu überwinden, wenn die Betroffenen sich ihren gestellt haben und so mehr Selbstvertrauen dem Tier gegenüber zeigen. (1)
Je nach Krankheitsbild eignen sich bestimmte Tierarten besonders gut:
Katzen kommen vorzugsweise in Altersheimen und Patienten mit Demenz zum Einsatz. Sie sind vergleichsweise ruhig und haben ihren eigenen Rhythmus, was der oft verringerten Beweglichkeit der Heimbewohner entgegenkommt. Auch senken sie mit ihrem Schnurren den Blutdruck.
Lebhaftere Tiere wie Hunde oder Pferde fordern den Patienten von sich aus und locken ihn aus der Reserve. Daher sind sie die idealen Begleiter bei einer Depression.
Pferde flößen durch ihre Größe zunächst einen gewissen Respekt ein. Ist diese Barriere erst einmal gebrochen, steigt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie sind gutmütige und gelehrige Riesen, manchmal gepaart mit etwas Eigensinn. Der Umgang mit ihnen erfordert einen bewussten Umgang mit Stimme und Körpersprache. Sie besitzen ein feines Gespür für Unsicherheiten und sind in der Lage, ihr Gegenüber zu spiegeln und dadurch unmittelbares Feedback zu geben.
Hunde schaffen die Balance aus hoher Aktivität und viel Feingefühl gegenüber ängstlichen Patienten. Zu den bevorzugten Hunderassen als Therapiehund gehört der Australian Working Kelpie. Diese sensible Rasse gilt als äußerst verträglich und ist sehr menschenbezogen – die ideale Kombination für einen Therapiehund.
Quellen:
Tiergestützte Therapie psychisch Kranker. Doktor Hund heilt Depressionen. 14.08.2012. https://www.focus.de/wissen/natur/hunde/forschung/tid-26526/tiergestuetzte-therapie-bei-depressionen-gesund-mit-hund_aid_781646.html (Zugriff am 23.04.2019)
Feldman, Steven. For Better Mental Health, Experience The Pet Effect. 21.08.2017. https://www.mentalhealthamerica.net/blog/better-mental-health-experience-pet-effect (Zugriff am 23.04.2019)
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