Wieder Angst zu bekommen, die Angst vor der Angst, vor einer weiteren Panikattacke, war zu meinen psychisch belasteten Zeiten das Schlimmste. Mit jedem Schritt, den ich machte oder machen musste, weil ich einen Termin hatte oder einfach nur einkaufen gehen wollte, begleitete mich diese Angst. Alle, die schon einmal eine Angst- oder Panikattacke hatten, wissen sehr wohl, wovon ich spreche. Es genügt eine oder zwei solcher unvorhergesehenen, urplötzlich auftretenden Gefühlswellen und man will plötzlich nie wieder surfen. Es fühlt sich an, als würde sich der eigene Körper gegen einen richten, einen angreifen. Wenn man in ständiger Alarmbereitschaft ist, ist man sein eigener Feind geworden und mit seinem Gehirn im Krieg.
Da ich zu meinen Panikzeiten allein wohnte, ohne zuverlässigen oder gar rücksichtsvollen Partner in der Nähe, ohne meine Familie, die mal eben hätte vorbeikommen können, nur mit einer Handvoll Freunde, die ich nicht jedes Mal oder auch nur einmal hätte fragen wollen, MUSSTE ich irgendwie meine Panik in den Griff bekommen. Mit der Zeit entwickelte ich also Strategien, auf die ich noch heute zurückgreifen würde, wenn nochmal eine Panikattacke käme. Die tauchten tatsächlich immer wieder auf, ohne dass ich mich groß belastet gefühlt hatte. Aber sie zeigten mir auch, dass ein liebevoller Umgang mit meiner Angst und der Angst meiner Mitmenschen wichtiger war, als mir klar war:
- Schreib deine Panik auf
Ich weiß, dass es unglaublich klingt, aber es funktionierte bei mir. Ich saß im Bus, im Zug, in der Bahn oder stand irgendwo herum und musste warten und schrieb die Gedanken einfach auf. Bei Angst und Panik sind lange, oder auch kurze, aber sich lang anfühlende Wege, genauso wie das Reisen allein, ein Graus und oft Grund, um schon im Vorfeld solchen Situationen aus dem Weg zu gehen, weil die Angst, dass wieder eine Panikattacke kommen könnte, lähmend ist. Ich wollte aber unbedingt, besonders zum Schluss, als es mir langsam besser zu gehen schien, dass ich diese Panik in den Griff bekomme. Ich hatte von da an immer ein kleines Büchlein oder einen Block mit Stift in meiner Tasche. Meistens schrieb ich Gedichte, die leider, weil ich mich ja ohnehin in der Situation begrenzt fühlte, nicht so gut funktionierten wie Fließtexte. Aber auch die Gedichte gaben mir durch die Form
Vers 1………………
Vers 2………………
Vers 3………………
einen Halt und vor allem Struktur. Ich schrieb auf, was ich sah, wie die Menschen gekleidet waren, wie sie rochen oder machte meinem Ärger Luft, weil sie so laut sprachen und mich das nervte. Ich machte sie in meinen Versen und Strophen lächerlich, dichtete ihnen alles an, was mir in den Sinn kam, wie unglücklich sie vielleicht seien oder was sie heute zum Frühstück hatten oder wie hoch ihre Stromrechnung sein würde. Ich schrieb die Angst, die sie in mir auslösten und die Angst, die die Situation selbst, so unwirklich und ungreifbar, wie ich sie empfand, auslöste, auf. Ich schrieb so profane, unliterarische Sätze wie
Ich sitze im Bus
Der Bus ist voll
Der Mann da drüben
In seinem zerknitterten Anzug starrt mich an
Er will wohl an meiner Angst teilhaben
Er hat sicher keine Angst
Aber er starrt mich an
Wie ich schreibe
Damit ich keine Angst mehr haben brauche
Ich habe Angst
Ich kann fühlen wie die Panik
Wieder anrollt
Meine Handflächen sind feucht
Mein Herz rast
Aber ich halte mich fest
Ich halte mich an diesem Stift hier fest
Ich weiß
Alles wird gut
Alles wird gut
Ich bin sicher
Jeder würde mir helfen
Der Mann im Anzug starrt mich ja ohnehin schon an
Er wird mir zuerst helfen
Er hat mich im Blick
Ich bin sicher
Ob er meine Angst kennt?
Ich kann jedem das Schreiben nur ans Herz legen. Ich bin so überzeugt von der Wirkung des Schreibens, dass ich mich, eingefleischte Literaturwissenschaftlerin, die ich bin, sogar zur Schreibtherapeutin ausbilden ließ und seither Seminare gebe, um jedem die therapeutische Wirkung des Schreibens erfahren zu lassen. Das Gute am Schreiben ist, dass wir unser Gehirn dabei „zwingen“, das Negative einfach rauszulassen. Wir schaffen den Platz in unserem Kopf und können so jede Panik- und Angst in der gesamten Zeitdauer von zwei bis 20 Minuten, je nachdem, durchschreiben. Hilfreich ist dann besonders, wenn du deine körperlichen Symptome in der Vergangenheit aufschreibst: Ich hatte gerade… Mein Kopf kribbelte… Meine Hände schwitzen… So suggerierst du deinem Kopf, dass es bereits vorbei ist.
Für mehr Informationen zum Schreiben und Schreibmethoden, kannst du dir gern meine zwei Themenseiten www.schreib-dich-leicht.de und www.schreib-deine-angst-weg.de genauer ansehen. Dort findest du vor allem auch kostenlose Schreibmethoden, als Anregung.
- Halte inne, schließe die Augen, halte dir die Ohren zu und atme tief ein und aus
Ich müsste gar nicht mehr zu diesem Punkt schreiben, da ich aber weiß, dass das das Schwerste ist, was man als Angst- und Panikpatient glauben kann, ein paar Worte dazu: Atmen ist das Wichtigste für mich geworden. Zu merken, dass ich mich während dieser unkontrollierten Situation in meinem Körper fühle und auch dafür srgen kann, gibt mir Sicherheit. Ich bin mittlerweile in der Lage, in jeder Situation, auch ohne mir die Ohren zuzuhalten, einfach nur die Augen zu schließen und zu atmen. Ich atme nicht in die Lungen, sondern in den Bauch bzw. das Zwerchfell. Ich atme entgegen den Atemrhythmus der Angst und Panik, die alles hektisch und flach werden lässt. Ich atme lange ein und aus und zwar so, dass mein Bauch kullerrund wird und dann atme ich wieder über mein Herz aus. Langsam und gesteuert. Ich stelle mir vor, wie ich gute, positive Gedanken und Gefühle in meinen Bauch einatme und wie ich die schlechten, ängstlichen und panischen Gefühle über mein Herz hoch zum Hals durch den Mund wieder ausatme. Ich konzentriere mich da so drauf, dass ich meist alles um mich herum vergesse. Aber natürlich gab es Situationen, in denen ich so panisch war, dass ich mich null konzentrieren konnte. Bei großem Lärm oder Menschenmassen erwischte mich diese Angst oft, so wie es sich eben für eine Agoraphobie gehört. Dann hielt ich mir die Ohren zu oder machte mich erkenntlich, in dem ich brüllte oder einfach nur einen lauten Seufzer ausstieß, um meiner Genervtheit Ausdruck zu verleihen. Es bedarf einiger Übung zuhause, die man aber gut leisten kann. Auf YouTube findet man viele Videos mit Menschenmassen oder Lärm von Baustellen (was ich besonders schlimm finde) sowie in der Schlange anzustehen. Ich machte mir diese Videos an, um zu üben und übte dabei das Atmen oder das Schreiben. Wenn es mir zu viel wurde, machte ich es leiser oder stellte es aus, gab mir ein, zwei Minuten, und dann fing ich wieder von vorne an. Das Gehirn merkt sich alles! Jeder Mensch kann bei einer gesunden Konstitution immer lernen. Das Gute am Gehirn, auch wenn man eine übertriebene Angst hat, ist, dass es sich die Erfolge abspeichert. Daher vertraut die Verhaltenstherapie ja auch darauf, dass Exposition kurz- und mittelfristig Erfolge neu erlernbar macht, damit es wiederum unsere Amygdala versteht: Das sind diese kleinen, fiesen mandelähnlichen Bereiche im Gehirn, die an der Entstehung von Angst beteiligt sind und eine große Rolle spielen
„bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die […] Reaktionen dazu ein.“ (Quelle: wikipedia)
Ich beschloss also im buchstäblichen Sinne, meiner Amygdala eine Lektion zu erteilen.
- Glaube daran, dass die Panik ausbleibt
Die wichtigste und schwerste Lektion aber war für mich, den Glauben an mich zu behalten. Ich wusste, dass mein Gehirn jetzt den Stab in der Hand hält und seine eigenen Entscheidungen trifft. Aber innerlich wehrte ich mich konstant dagegen, weil ich der Überzeugung war, dass ich meine Gedanken steuern konnte. Ich konnte mich nicht damit abfinden, dass mein Körper jetzt regiert, und mich quasi abschneidet und ignoriert. Ich las immer mal wieder von Affirmationen und Sätzen, die man sich aufsagen könne, von Therapeuten, die ihre Patienten 30 Mal am Tag eine Affirmation, einen positiven Satz, aufsagen ließen. Bei einigen brachte das große Erfolge, also probierte ich es aus. Der wohl wirksamste Satz bei mir, war: Quiet your mind. Da ich Anglistik studiert habe, reagiert mein Gehirn gut auf die englische Sprache. Ich glaube ihr eher, als der deutschen. Daher beruhigte mich dieser englische Satz am meisten. Aber auch im Deutschen: Bring deinen Geist zum Schweigen! ist er kraftvoll. Immer, wenn ich unruhig wurde, und nicht schreiben konnte, sagte ich ihn mir leise oder still. Wenn der ein wenig Ruhe gebracht hatte, benutzte ich Wörter. Keine Sätze. Ich las mal irgendwo (ich weiß leider nicht mehr, wo genau), dass Buddha (ich bin konfessionslos, aber zu der Zeit, als es mir so schlecht ging, glaubte ich alles, was irgendwie Sinn ergab) einmal sagte, man müsse aus Sätzen das Personalpronomen und Verb streichen. Nur dann würde das Wort – abgelöst von uns selbst und unserer Identität – in unser Bewusstsein fließen. Also los, dachte ich mir. Aus Sätzen wie: Ich habe Zeit. wurde: Zeit……………………………..Zeit……………………………….Zeit. Aus Sätzen wie: Ich bin sicher. wurde: Sicher……………………………Sicher……………………………Sicher. Ich litt häufig unter Panik und Angst, wenn ich gestresst war bzw. hektisch und deshalb angespannt und gehetzt. Wenn ich erst einmal in Hektik geriet, geriet ich meist auch in Panik und bekam Angst. Aber diese Methode half mir, mich daran zu erinnern, dass ich meinem Gehirn sage, was hier läuft und was nicht. Es stärkte meine Selbstkontrolle und gab mir ein Stück Stärke zurück. Aber auch diese Methode sollte man üben. So wie autogenes Training beispielweise, in dem man seinen Körper trainiert, bei Sätzen wie „Ich bin vollkommen ruhig und entspannt!“ mit Ruhe und Gelassenheit zu reagieren. Bei ausreichender Übung wird der Puls ruhiger, der Atem ebenfalls. Ist das einmal geschafft, ist auch die Angst und Panik etwas lieber zu einem. Auch, wenn alle Strategien gegen die Angst bzw. zur Angstbewältigung nur eine Symptombehandlung sind, ist es schön zu fühlen, dass man seinen Willen doch in der Hand hat. Glaube daran.
Viel Kraft und Erfolg wünsche ich dir!!!
Lieben Gruß,
Janett
Wie würdest du dich bei Angst vor der Dunkelheit verhalten?
Ich würde es als Angst vor der Ungewissheit, vor Gefahren und gar dem Tod interpretieren und mich fragen, wann ich in meinem Leben diese Angst zuerst gespürt habe, was sie auslöste und was genau hätte geschehen müssen, damit ich sie überwinde. Das würde ich dann nachholen. Da es eine Angst ist, die oft im Kindesalter entsteht, würde ich definitiv psychotherapeutische Hilfe zu rate ziehen, falls ich damit überfordert bin.
Liebe Grüße,
Janett