60 Prozent aller Menschen, die über Alleinsein und Einsamkeit klagen, sind einsam in der Ehe und Beziehung. Obwohl sie einen festen Partner haben, fühlen sie sich allein gelassen und außen vor oder aber es gab seit langem keinen nahen Kontakt mehr zueinander: weder in Gesprächen, emotional, noch körperlich. Die Statistiken zeigen, dass besonders mangelnde Kommunikation zu einem entscheidenden Faktor für Trennungen und Scheidungen geworden sind.
Wie Schweigen Partner einsam in der Ehe und Beziehung macht
Laut Statistischem Bundesamt (Stand 2011) würde jede dritte Ehe scheitern. Auch ohne Trauschein berichten Menschen davon, wie einsam sie sich in Beziehungen fühlen. Und das läge an fehlenden Gesprächen, die mit mehr als Einkaufslisten und Kinderbetreuung oder Haushaltspflichten und Schwiegerelternbesuche zu tun haben.
Die Zahl der Minuten, die Paare am Tag miteinander sprechen würden, rangiert stark. Laut einer von Parship 2010 beauftragten Erhebung seien es 102 Minuten pro Tag, wobei nicht untersucht wurde, welche Themen besprochen wurden. 2014 zeigte eine Studie aus den Staaten, dass bereits 21 Minuten qualitativ hochwertiger Gesprächszeit pro Jahr reichen würden, um wieder glücklich zu werden und es auch zu bleiben. Was würde Positives geschehen, wenn man insgesamt, neben dem Alltagsrelevanten wie z. B. Arbeitsaufgaben im Haushalt, Familienangelegenheiten usw. 21 Minuten täglich von durchschnittlich 15 bis 16 Stunden Wachzeit als Paar füreinander erübrigen würde?
Verheiratet oder in einer Beziehung zu sein, schützt demnach nicht vor dem Alleinsein oder dem Gefühl Einsamkeit. Einsamkeit ist trügerisch, denn es ist nur das Gefühl, nicht aber der Umstand, der hier entscheidet. Alleinsein heißt wahrhaftig, dass keiner anwesend ist. Aber sich einsam zu fühlen, bedeutet, dass man sich trotz der Anwesenheit seines Partners einsam fühlt.
Doch täuschen uns unsere Gefühle, wenn wir einsam sind. Haben wir einen Partner, so werten wir diesen unbewusst ab, unterstellen ihm, dass er nicht mehr interessiert an uns sei oder allgemein für uns selbst weniger interessant geworden sei. Wir entfernen uns, weil sich derjenige von uns entfernt hat. Während es Menschen gibt, die bei gefühlter Distanz noch mehr Nähe suchen, eben aus derselben Angst, gibt es andere, die feinfühliger auf die emotionale Abwesenheit oder auch örtliche Trennungen reagieren. Man gelangt zwangsweise an einen Punkt, an dem man alle Signale negativ deutet, zum Beispiel als unerwiderte Liebe oder gar Ablehnung. Das machen Menschen nur, um sich vor weiteren Verletzungen zu schützen. Während sie bereits Angst haben, schützen sie sich vor weiterer Angst. Leider führt das oft dazu, dass man Positives übersieht, Anerkennung nicht mehr wahrnimmt, aber dafür als Grundstimmung feindselig oder „auf Krawall gebürstet“ ist. Je nachdem, wie die Paarsituation aussieht, gestalten sich die Gefühlswelten der sich einsam fühlenden Partner.
Je mehr Alltag einzieht, je mehr die qualitativen Gespräche schwinden, je mehr man sich kennengelernt und die Entdeckungsreisen beendet hat, desto weniger konzentriert man sich auf sich als Menschen. Während man am Anfang der Beziehung über Träume, Zukunftswünsche, einem wichtige Belange sprach, ebbt diese Ebene mehr und mehr ab. Die Themen wechseln dann über zu Erziehung, Haushalt, Lebensmanagement. Das bringt in vielen Fällen eine menschliche, emotionale Trennung mit sich. Die wird auch in anderen Sphären des Zusammenlebens spürbar: Während der eine unten Fernsehen sieht, sitzt der andere im oberen Geschoss des Hauses und liest. Der eine Partner geht bereits um 21 Uhr schlafen, der andere folgt erst zwei Stunden später. Es wird getrennt gekocht, vielleicht sogar getrennt gegessen, je nachdem, wie die Lebenswelten sich gestalten. Auch in Beziehungen, die nicht zusammenleben oder durch ein Ehegelübde miteinander verbunden, trifft diese Härte der Realität.
Am leichtesten lassen sich hier Beziehungen, die emotional gewalttätig sind, einordnen. Dort bleiben zwei Menschen zusammen, die schlecht füreinander sind bzw. ein Partner bleibt, obwohl er weiß, dass die Beziehung schädlich ist. Unter emotionaler Gewalt versteht man Handlungen, die emotionale Verletzungen hervorrufen. Begründet sind diese Handlungen meist darin, dass die Gefühle des Verletzenden selbst verletzt waren. So würde jemand, der betrogen wurde, ebenso betrügen, um wieder eine Augenhöhe herzustellen. Paare würden sich gegenseitig vor den Kindern bloßstellen und Solidarität für ein Elternteil einfordern, um das andere auszuschließen. Wiederum andere Paare steuern die Partnerschaft durch Lügen und Manipulationen so, dass es für sie passt, verbieten Gefühle oder sprechen sie dem Partner ab.
Ob Ehe oder Partnerschaft ohne Trauschein, mit Kindern oder ohne: Wir bleiben lieber beim Partner, trotz aller Hindernisse und Einsamkeit in der Verbindung, statt zu gehen. Wieso? Weil wir Angst haben, allein zu sein. Die meisten Beschuldigungen zwischen Partnern, die darauf fußen, dass der andere etwas an seinem Verhalten ändern muss, damit man wieder glücklich ist oder die Beziehung wieder funktioniert, basieren auf der Angst vor’m Alleinsein. Auf der einen Seite scheuen wir die Trennung, wollen an der Liebe und der Beziehung festhalten. Auf der anderen Seite stören die selbstverständlichen Mechanismen, lassen allzu oft Eifersucht und Verletzungen aufkommen.
Wie können Paare wieder zueinander finden?
5 Strategien, um Beziehungen wieder gemeinsam, statt einsam, zu erleben
- Dr. Guy Winch publizierte 2013 einige wirksame Strategien in Psychology Today. Er rät beispielsweise allen Paaren, die Initiative zu ergreifen. Obwohl die Angst bestehen mag, dass der Partner einen abweist, meint er, dass er oder sie genauso einsam sein könnte wie man selbst. In meinen Augen kann nur ein offenes und ehrliches Gespräch beide Seiten klären, sodass es zu einer Veränderung kommen könnte. Den besten Zeitpunkt für ein Gespräch zu finden, erscheint mir dabei sehr wichtig. Wer seinen Partner auf dem „falschen Fuß“ erwischt, könnte einen abgewiesenen Eindruck bekommen. Man sollte es dennoch probieren, weil einer der beiden den Schweigezirkel durchbrechen muss. Stelle offene Fragen, die nicht anklagend sind, rät Winch. Zum Beispiel ließen sich Fragen anbringen, die die Meinung des Partner zu etwas erbitten. So würde eine respektvolle Augenhöhe entstehen können. Doch Vorsicht, falls eine erneute Annäherung nicht sofort in der gewünschten Form oder Euphorie willkommen geheißen wird: Was sich über so lange Zeit hinzog, kann auch seine Weile brauchen, um sich wieder zu entzerren. Hier ist mitunter etwas Durchhaltevermögen nötig. Und ein respektvoller Tonfall zu einem geeigneten Zeitpunkt, also nicht zwischen Tür und Angel oder in Zeiten, in denen „viel los ist“.
- Einen Perspektivwechsel einnehmen: So schwer es auch fallen mag, doch den anderen verstehen zu wollen, ist unerlässlich, wenn man aus der Einsamkeit in seiner Partnerschaft herauskommen und sie retten möchte. Die vielen Fragen, die wir uns im Geiste stellen („Wieso bist du schon wieder so? Was habe ich getan? Was ist los mit uns? Was geschieht hier? Liebst du mich noch? Was soll ich tun? Was erwartest du von mir? Wie können wir uns beide helfen?“) müssen keineswegs unbeantwortet bleiben. Erstaunlicherweise ist es leichter, die Seite des anderen zu verstehen, wenn man ihn/sie fragt und reden lässt, ohne jedes Wort als Angriff zu verstehen. Wer in der Schweigespirale steckt, wird jedoch viel auf sich beziehen, möglicherweise jedes Wort missverstehen und als Kritik oder Affront interpretieren. Vielleicht tauchen Schuldgefühle auf, die sofort wegen der Angst, einen Fehler gemacht zu haben, der zu diesem Punkt führte, verstanden werden. Übe dich darin, mit vollem Bewusstsein während des Gesprächs, alles neutral und als Information, nicht als Anklage, zu verstehen. Nimm nicht nur die Worte, sondern die Gefühle währenddessen wahr. Auch deine. Bring beides in einen imaginären Film, der dich aus der Perspektive deines Partners zeigt. Versuche mit aller Kraft, ihn/sie zu verstehen. Überprüfe gern alles, was gesagt wurde. Äußere dich aus deiner Sicht. Sprecht gewaltfrei, ohne Anklagen und falschem Tonfall, miteinander. Teilt eure Gefühle miteinander, wenn bestimmte Situationen oder ein Umfeld eure Partnerschaft belasten. Seid beide gemeinsam konfliktfähig und lösungsorientiert. Erarbeitet eine Lösung gemeinsam: Wie könnt ihr einen Weg finden, und ihn gehen, sodass jeder Partner zufrieden ist?
- Gemeinsame Erlebnisse bleiben am längsten in Erinnerung. Doch es ist besonders in Zeiten, in denen man sich nach voneinander entfernt hat, schwer, „mal eben so“ wieder Zeit miteinander zu verbringen, ganz authentisch und ohne Probleme, ohne Distanz zwischen einander. Winch rät dennoch dazu. Er hält es für möglich, erneut Kontakt herzustellen, indem man sich und den Partner an Zeiten erinnert, in denen man sich nahe war, eine wahre, emotionale Verbindung zueinander hatte. Seien es die Hochzeitsfotos und -videos, Urlaubsbilder, Grußkarten usw. Was einmal verband, kann wieder verbindend werden.
- Sieh dich und deinen Partner als Individuen, nicht als Klischee. Es gibt Dutzende Ratgeber darüber, wie ein Mann ist, wie eine Frau ist, wie wer wann weshalb so und so kommuniziert, schweigt, flieht usw. Sie alle haben ein Ziel: Gewinn für sich und/oder den Verlag erzielen. Ich halte die meisten dieser Selbsthilfebücher und Expertenratschläge für Plattitüden und Stereotypen. Sicher wird es klassische Kommunikations- und Verhaltensschemata geben, die auf den einen oder anderen zutreffen mögen. Aber die Wahrheit hört heute nicht mehr dabei auf, dass Frauen immer reden wollen, während Männer nur schweigen oder Frauen stets zu Nähe oder Kontrolle tendieren, während Männer ihre selbstbestimmte und freiheitsorientierte Ader ausleben wollen. Ich kenne etliche Männer, die nicht in das Jäger-Verhalten passen und noch mehr Frauen, die sich schon lange nicht mehr sammeln lassen. Die Zeiten der gruppierbaren Geschlechterbetrachtungen sind schlichtweg vorbei. Menschen ändern sich, wenn sie sich ändern wollen, ein erstrebenswertes Ziel im Blick haben, was ihnen etwas Gewinnbringendes verschafft.
- Sei die Veränderung, die du in deiner Partnerschaft sehen möchtest. Dass man sich eine Veränderung für sein Leben wünscht und damit auch für die Partnerschaft und die gemeinsame Liebe, zeigt man am besten, indem man sie selbst in die Wege leitet. Feststeht: Jemand muss den ersten Schritt machen und ihn ggf. auch vormachen. Wenn man sich mehr Zeit oder Respekt vom Partner wünscht, kann man dem Partner gegenüber mehr Aktivitäten vorschlagen oder ihn in seine eigenen einbinden. Man kann sie selbst anleiern und auch in Einladungen zum Ausdruck bringen, dass man sich wünscht, dass der Partner daran teilnimmt. Auch in puncto Verhalten lässt sich das umsetzen: Wenn du dir eine bestimmte Verhaltensweise vom Partner wünschst, zeige sie ihm auf. Bitte ihn, statt zu fordern, frage ihn, statt alles im Vorfeld zu wissen, rede respektvoll mit ihm, statt streng oder verletzt. Sollten diese Versuche nicht funktionieren, so lässt sich noch immer ein Gespräch darüber führen, wieso der Partner nicht darauf eingeht. Im Mindesten hat man für sich eine Veränderung erwirkt. Es kann nur positiv für einen selbst sein, wenn man sein Leben, trotz Beziehung, alleine in die Hand nimmt und zum Ziel führt. Beschäftige dich mit dir, dann möchte dein Partner ganz sicher daran teilhaben. Er wird im Mindesten merken, dass du dich für dich bewegst. Das ist immer attraktiv und zeigt, dass du für dich aktiv bist. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass er dein Verhalten mit seinem vergleichen wird. Die Resultate werden sich von selbst ergeben. Wer an das Gesetz der Anziehung glaubt, dem würde diese Vorgehensweise gut tun. Denn überwiegend nur zu fordern und entsprechend enttäuscht zu sein, wenn die Erwartungen unerfüllt bleiben, kann für beide Seiten der Partnerschaft sehr frustrierend werden.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem eBook „Über die Kunst, allein zu sein„.
nie mehr einsam
Einsamkeit. Die Angst, wieder allein zu sein. Der furchterregende Gedanke, was wäre, wenn es so bliebe. Die Panik, wenn die Idee aufkommt, dass es an einem selbst liegen könnte, und man sich wertlos oder ausgeschlossen fühlt. Du kennst sie, jeder kennt sie. Doch ist die Angst vor dem Alleinsein oder davor, einsam zu bleiben, keine reale. Deine Gedanken definieren dich nicht. Aber sie erzeugen deine Gefühle.
- Woher kommen diese Gedanken und Gefühle?
- Wieso haben einige Menschen keine Probleme damit, allein zu sein? Weshalb kennen sie Einsamkeit nicht?
- Wieso trifft es dich?
Diese und weitere Antworten auf deine Fragen findest du in meinem Buch. Ich stelle verschiedene Herangehensweisen und Wege aus der Einsamkeit vor, denn: Alle Menschen sind verschieden und brauchen etwas für sie Passendes.
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