Elternratgeber Kinderängste: Wie Sie Ihrem Kind helfen, seine Angst zu überwinden
„Wenn mein Kind Angst hat“
Nicht nur Erwachsene betrifft das Thema Angst und wie sie überwunden bzw. bewältigt werden kann. Auch und besonders Kinder, von klein an bis in die Jugendjahre, sind anfällig für Ängste aller Art. Aber im Gegensatz zu Erwachsenen haben sie wenig bis keine Erfahrungen, wie sie einen Weg aus der Angst finden können. Sie sind dennoch wie Erwachsene betroffen von Angst vor Verlust, Trennungen, Tod, existenziellen Veränderungen, Krankheiten, Schmerzen, Alleinsein, Einsamkeit, Ärger, Streit, Mobbing, Bewertungssituationen usw.
Fragt man Kinder nach ihren Ängsten, kann es sein, dass sie diffus und schwer fassbar bis gar nicht betitelt werden können:
So auch Malte, 9 Jahre jung, der seine Angst so beschrieb:
Ich weiß nicht. Ich bekomme so komische Bauchschmerzen und nichts ist mehr so wie sonst. Ich weiß nicht, was ich dann tun soll. Wenn Mama nicht da ist, bin ich ganz allein.
Es gibt auch Kinder, die erstaunlich „erwachsen“ sind, wenn sie auf ihre Ängste angesprochen werden. Diese sind meist in ihrer Entwicklung bereits so weit, dass sie auch ihre Ängste mittels Selbstbehauptung und Überlebensfähigkeiten bewältigen können. In diesem Artikel jedoch geht es um die Kinderängste, die länger anhalten und schwerer lösbar sind.
Im Normalfall legen sich Kinderängste meist innerhalb einiger Wochen (max. vier) nach angsterregendem Erlebnis von selbst. Sollten sie bleiben, ist eine besondere Aufmerksamkeit und Beschäftigung mit dem Thema gefragt. Bitte bedenken Sie daher, dass nachfolgende Informationen den Besuch eines Facharztes nicht ersetzen.
Unterschiedliche Betrachtung der Angst im Denken und Fühlen bei Kindern
Kinder können sich erst ab einem bestimmten Alter, in dem sich Ängste bereits jahrelang festgesetzt haben, Informationen beschaffen, so wie Sie es gerade hier auf meiner Website tun, weil Sie Rat und Input benötigen, bevor Sie weitere Schritte planen. Der Impuls, wie Sie ihn gerade verspüren, sich die Situation, die Angst auslöst, zu erklären und greifbar zu machen, ist bei Kindern stark verknüpft mit der Außenwelt. Kinder sind, je jünger, desto schwerwiegender, altersentsprechenden Merkmalen hilflos ausgeliefert und versuchen irgendwie aus eigener Kraft zurechtzukommen. Sie haben jedoch keine Sicherheit, dass sie Lösungen für das Problem Angst finden können/werden. Sie sind verloren in dem Gefühl und es bedarf eine enge Vertrauensperson, idealerweise die Eltern, um einem Kind zu vermitteln, wie es mit seiner Angst umgehen kann.
Ein Sprichwort besagt: Ein Fisch weiß nicht, dass er im Wasser schwimmt, bis man ihm sagt, dass er im Wasser schwimmt. Selbst dann wird er nicht verstehen, was Wasser ist, weil er keine Abgrenzungskategorien oder Kategoriemerkmale besitzt. Würden Sie versuchen, Ihrem Kind zu erklären, dass es „nur“ Angst hat, sich aber keine Gedanken deshalb machen braucht, dann werden Sie dem Kind nicht weiterhelfen. Wenn Sie als Mutter häufig einige Minuten zu spät zum Kindergarten kommen, um Ihr Kind abzuholen, ohne es vorher wissen zu lassen, dass Sie sich verspäten, wird das Kind ggf. dennoch erste Verlustängste erleben, dass Sie nicht kommen werden. Selbst wenn die Kindergärtnerin sagt: „Deine Mutti kommt sicher gleich!“, so ist das „gleich“ und „sicher“ unzureichend. Kinder müssen Vertrauen lernen und anhand diesem gelernten Vertrauen entwickeln sie auch Selbstvertrauen. So prägt sich das berühmte Urvertrauen aus.
Wenn Sie Ihrem Kind sagen: Du brauchst keine Angst zu haben!, könnte oder wird es trotzdem Angst haben. Wenn Sie ihm sagen, dass alles gut sei, obwohl es fühlt, dass es in ihm nicht gut ist, dann bleibt sein Gefühl bestehen, völlig gleich, was Sie ihm sagen. Hinzukommt, dass Ihr Kind denken wird, dass es etwas falsch machen würde, wenn es dennoch Angst hat, obwohl eine Vertrauens- und Bezugsperson wie ein Elternteil oder ein Lehrer ihm gesagt hat, dass dies unnötig sei.
Als Elternteil sieht man eben viele Aspekte des Erwachsenwerdens aus erwachsener Sicht und meint oft, dass das Kind gewisse Ängste schon überwinden lernen wird (und muss, um später im Leben stark und abgehärtet zu sein). Aber ein Kind ist eben ein noch heranwachsender Mensch und benötigt bei vielen „großen“ Angelegenheiten, besonders bei Gefühlen, Hilfe. Oder wie gut können Sie mit großen Gefühlen umgehen? Sich diese Frage näher anzusehen und auch am eigenen Beispiel zu erkennen, dass selbst Erwachsene mitunter heftige Schwierigkeiten mit Gefühlen haben, schafft Klarheit und Einsicht in die Angst Ihres Kindes.
Handlungsfähigkeit bei Angst aus erwachsener und kindlicher Sicht
Wenn Sie Angst in Bewertungssituationen oder bei Enge oder bei partnerschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten bekommen, dann wissen Sie,
- a) womit Sie es zu tun haben,
- b) wie Sie Ihre Angst in den Griff bekommen könnten,
- c) dass Sie sie in den Griff bekommen können (wenngleich auch die Lösungen fehlen),
- d) jemanden um Hilfe bitten könnten, das Internet benutzen könnten usw.
Kinder sehen/haben diese Möglichkeiten, je nach Alter, (meist) nicht und können zudem viele der Möglichkeiten, Angst zu bewältigen, nicht ausführen. Sie stehen in einem absoluten Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Umwelt und gehen grundsätzlich davon aus, dass sie die Verursacher und/oder die Bewältiger sind. Damit geben sie sich auch die Schuld an ihrem Versagen oder an den angstauslösenden Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert werden, die sie nicht zu lösen wissen.
Kinder wissen nichts über Schwierigkeiten im Beruf, mit dem Chef, mit Finanzen, dem Vermieter, Partner, Gesundheit usw. Sie vermögen es zwar außerordentlich intuitiv wahrzunehmen und mit einem veränderten Verhalten auf die Stimmungen der Eltern zu reagieren. Doch der wesentliche Unterschied ist der, dass sich Ihr Kind nur versucht, anzupassen, um seine eigene Welt so harmonisch und so funktionierend zu erhalten, wie es in seinem Ermessen möglich wäre. Das Ermessen eines Kindes besteht darin, dass es selbst sich ändert, durch Totstellen – Hinnehmen, Rückzug – Distanz oder Gefühlsausbrüche – Gegenwehr. Alle diese Verhaltensmöglichkeiten entstammen der Angst. Bei Angst unterscheidet man grundsätzlich folgende Reaktionsschemata:
- Totstellen (Stillhalten, Ruhegeben, Hinnehmen, stille und trauernde Akzeptanz)
- Flucht (allgemeine Distanz, Rückzug in sich selbst, nicht mehr spielen/essen/trinken wollen)
- Angriff (emotionale Ausbrüche, wie z. B. Schreien, Weinen, Aggression, dumme Dinge anstellen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu bekommen)
- Abwehr der Angst (Verdrängung, Überspielen/Lügen)
Wie sich Angst für ein Kind anfühlt
Angst ist für Kinder
- einfach und plötzlich da
- unkontrollierbar
- übermächtig (Kontrollverlust)
- gefährlich (keine Handlungsfähigkeit aufgrund der Abhängigkeit)
- nicht infragezustellen
- etwas im Körper, nicht im Gehirn
- etwas Wesentliches (zum Beispiel ein Monster, etwas in der Dunkelheit, ein Arzt usw.).
Sie wissen nicht, dass es sich um GEDANKEN handelt, dass man diese steuern kann, dass man Selbstheilungskräfte besitzt, dass ein Mensch aus mehr als aus Angst besteht, dass es noch mehr Gefühle gibt, dass es mehr als sie (das Kind) gibt.
Angst bedeutet für Kinder – wie auch für Erwachsene im ersten Schreckmoment – totaler Kontrollverlust sowie Verlust der Stabilität und einem Stück Vertrauen, in sich, in andere Menschen, in die Welt, in die Bezugspersonen. Und wie Erwachsene haben Kinder unterschiedliche Herangehensweisen, wie sie mit ihrer Angst umgehen und wie sie sie bewältigen.
Kinderängste verstehen
Kinderängste – Auslöser
Ängste sind Symptome für das, was hinter dem Schleier der Angst liegt. Dieses gilt es aufzudecken. Ängste werden daher bei Kindern in folgenden Situationen verstärkt ausgelöst:
- Angst vor dem Ungewissen (bei Trennung, Verlust, Dunkelheit, Ärzten, Alleinsein, Veränderungen usw.)
- Angst vor Trennung und Verlust (zeitweilige Trennungen, Tod, Scheidung/Trennung der Eltern, Sich-verlaufen, Klassenfahrten, Ausflüge usw.)
- Angst vor Ärzten, Schmerzen und Krankheiten (einseitige Momentaufnahme: jemand fügt einem eher Schmerz hinzu, eine ungewisse und unkontrollierbare Unfähigkeit, seinen Körper zu steuern)
- Angst vor Katastrophen, Krieg, Naturgewalten wie z. B. Gewitter, Überschwemmungen, Drohungen körperlicher Gewalt (auch durch Konsum von Nachrichten, Fernsehberichte und Fernsehfilme, Erzählungen anderer Kinder, Drohgebärden und Angst als Motivation/Manipulation des Kindes zur Verhaltensänderung in der Schule/Kindergarten/dem sozialen Umfeld usw.)
- Angst vor Tieren (z. B. große Hunde, Bienen, Spinnen)
- Schlafangst und Angst vor bösen Träumen
- Angst vor anderen Kindern
- Angst, seinen eigenen Platz nicht zu finden/zu bekommen
- Angst vor Gespenstern, Monstern, schwarzen Männern, Bedrohliches in Schränken und unter dem Bett (u. a. als Symptom für das Angst vor dem Ungewissen)
- Angst vor Veränderungen und neuen Umfeldern (z. B. Kindergarten, Schule)
- Angst vor engen Räumen
- diffuse Ängste („Ich habe so ein komisches Gefühl!“, „Ich weiß nicht, wovor ich Angst habe, aber ich habe Angst.“)
Man kann an den Auslösern leicht erkennen, dass es Kindern um Geborgenheit und Sicherheit in ihrer kleinen, bekannten, heilen Welt geht und vorrangig darum, diese so harmonisch zu halten, wie es in ihrer Macht steht. Dazu benötigen sie aufgrund ihrer Abhängigkeit Vertrauenspersonen, die ihr sich entwickelndes Vertrauen stärken und anhand denen sie lernen können, was in Ordnung ist, was gefährlich ist und wie man mit Gefahren umgehen kann. Bleiben diese Entwicklungsschritte oder Lektionen des Lebens aus oder werden zu ruckartig oder durch plötzliche Traumata unterbrochen, können sich Ängste zeigen, bilden und hartnäckig in der Persönlichkeit verankern.
Angst und die Grundbedürfnisse eines Kindes
Es geht dem Kind auch nicht – wie Erwachsenen – darum, fit für’s Leben gemacht zu werden, rechtzeitig leistungsmotiviert und willig für Erfolg zu werden, um später eine Menge Geld zu verdienen oder der nächste Steve Jobs zu werden. Sie wollen natürlich erwachsen werden, sehen sich danach, groß zu sein und anhand ihrer dann wegfallenden Abhängigkeit von den Eltern in die weite Welt hinauszuziehen, um alles anders, genauso oder wenigstens besser zu machen, als Sie. Es lernt anhand Vorbildern und mimt später – so auch seine Gedanken – eine Kopie oder das Gegenteil seiner damaligen Bezugspersonen.
Ihr Kind sieht das allerdings aus dem Aspekt seines kleinen Ichs, ein kleines Ego, was sich noch entwickelt und vieles einfach noch nicht versteht. Daher gelten bestimmte, erwachsene, als gesunder Menschenverstand betrachtete, Ansichten wenig für ein Kind.
Eigentlich ist das wesentliche Bedürfnis von Kindern Liebe – Nähe – Akzeptanz – Bezug, gefolgt von Gut-sein-wollen und Lernen durch Orientierung an anderen und sich ggf. ändernden Umständen anpassen (müssen). Werden die Bedürfnisse eines Kindes nicht erfüllt, wird es logischerweise – wie jeder andere Mensch auch – mit Überraschung, Traurigkeit oder Angst reagieren. Sie wissen dabei selten, wovor sie Angst haben, aber es gibt typische Kinderängste, die man als Auslöser bezeichnen kann.
Es liegt in der Natur eines Menschen, gleich ob er geborgen und sicher aufwuchs oder eher in distanzierten und schwierigen Elternbeziehungen, dass er soziale Kontakte, im Sinne von funktionierenden, nährenden Beziehungen mit Nähe und Sicherheit sucht. Ist Ihr Kind besonders anhänglich und möchte unentwegt bei Ihnen sein oder aber Ihre Aufmerksamkeit bekommen, so dient es seinem natürlichen Schutz. Es lernt Vertrauen in die Außenwelt anhand von Vorbildern und Erfahrungen, die es macht. Die Entwicklung von Selbstvertrauen wiederum ist eng verknüpft mit seiner Verletzlichkeit und Abhängigkeit auf der einen Seite und der Sicherheit (z. B. Verlässlichkeit der Eltern) auf der anderen. In Angstsituationen steigern sich seine Bedürfnisse nach Sicherheit und Aufgehobensein – Verlässlichkeit – Schutz.
Ganz typische Situationen, in denen ein Grundbedürfnis eines Kindes unerfüllt bleibt und daher Angst ausgelöst wird, sind Situationen, in denen das Kind weint und niemand reagiert, kommt, fragt, hilft, ist da, führt, gibt Sicherheit: Das Kind nimmt so ein Ereignis mit Attributen wie ausgeschlossen, allein gelassen, hilflos und wehrlos, orientierungslos und voller Panik wahr. Seine eigenen Überlebensfähigkeiten und -strategien werden erst ausgeprägt oder vollends entwickelt sein, wenn das logische Denkvermögen, besonders in Hinsicht auf die eigene Handlungsfähigkeit, ausgeprägt und entwickelt ist. Mindestens bis zu 7.-10. Lebensjahr muss man davon ausgehen, dass eher Hilflosigkeit aufgrund von übermächtig empfundener Abhängigkeit überwiegt.
Je stärker sich Kinder aus Angst und dem Bedürfnis, ihre Bedürfnisse erfüllt zu sehen, „falsch“ anpassen, desto mehr beginnen sie, ihre Gefühlswelten und Entwicklungsschritte zu verleugnen. Ein Kind sollte niemals stärker sein (müssen), als ein Erwachsener. Leider ist unsere heutige Welt zu sehr zersetzt von zerrütteten Beziehungen, Scheidungen, Existenzängsten, turbulenten Zeiten aufgrund von Geldmangel und Arbeitslosigkeit, Schulproblemen und -ängsten, Zukunftsängsten und Instabilität.
Auch die Konfrontation mit verschiedenen Kulturen, wie sie jetzt Deutschland, Österreich und viele weitere Länder Europas vor eine neue Herausforderung stellt, ist für ein Kind eine erhebliche Veränderung, der sich Schulpädagogen und -psychologen, sowie Lehrer und Eltern stellen müssen. Denn ein Kind kann nur verstehen, wenn ihm Verständnis beigebracht wird. Dies wiederum funktioniert nur durch Sensibilisierung für (Ur-)Vertrauen und Selbstvertrauen, Handlungsfähigkeit und Autonomie.
Verschweigen von Problemen im Elternhaus, im schulischen oder vorschulischen Milieu oder gar bei emotionalen Belastungen der Eltern führt hingegen zu einer veränderten Wahrnehmung des Kindes. Diese wird maßgeblich darauf gründen, dass Schwierigkeiten verschwiegen werden, man irgendwie zurechtkommen muss und keinen Beistand erwarten braucht: die sogenannte erlernte Hilflosigkeit, in der ein Mensch den Glauben an sich und seine Handlungsfähigkeit und Überlebensstrategien „nicht abrufen kann“, an seine eigene Handlungsfähigkeit nicht glaubt. Als Elternteil kann man eigenes Verständnis schulen, indem man sich an eigene Erziehungskriterien der Kindheit erinnert, was einem selbst schadete oder man anders gebraucht hätte, um im erwachsenen Leben „besser“ zurechtzukommen.
Ratschläge für Eltern, um ihrem Kind einen „gesunden“ Umgang mit Angst beizubringen
- Nehmen Sie die Angst Ihres Kindes genauso wahr, wie Sie Ihre eigene Angst als Kind wahrgenommen haben oder heute wahrnehmen würden. Bagatellisieren Sie die Angst Ihres Kindes nicht.
- Wenn Ihr Kind sich anders verhält als sonst, sich zurückzieht, aggressiv ist oder emotional oft explodiert, stark zittert, heftige Schlafprobleme oder Weinkrämpfe hat, dann widmen Sie sich dem Umstand und nähern Sie sich Ihrem Kind in seiner erlebten Herausforderung mit einem der größten Gefühle der Menschheit behutsam.
- Achten Sie auf Ihre eigenen Ängste und statt diese zu verleugnen, zu ignorieren oder zu verheimlichen, sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Sonst laufen Sie Gefahr, dass Sie Ihr Kind „anstecken“ und Sie Ihre Angst induzieren. Ihr Kind beobachtet Sie und wird instinktiv merken, welche Situationen, Subjekte oder Objekte Sie vermeiden. Die Chance ist hoch, dass es ebenfalls Ihr Vermeidungsverhalten nachäfft und sich so an Ihrer Angst orientiert. Es geht immerhin davon aus, dass Sie groß sind und alles so sein muss, wie Sie es Ihrem Kind zeigen.
- Reizen Sie Ihr Kind nur so sehr, dass es Lust auf Neues bekommt, aber überreizen bzw. überfordern Sie es nicht.
- Loben Sie Ihr Kind für besondere Leistungen und auch für alles, was es sich getraut hat.
- Nutzen Sie Geschichten und Märchen, die Mut machen. Am Ende dieses Artikels finden Sie eine Auswahl von wertvollen Texten für Ihr Kind, an denen es lernt, dass Angst bewältigt werden kann.
- Spielen Sie bevorstehende, angstauslösende Situation mit Ihrem Kind durch. Spielen Sie „Beim Arzt“, „In der Schule“ usw., um in diesen Situationen nicht nur zu erkennen, welche Ängste Ihr Kind hat, sondern auch, um es neue Wege spielerisch erkunden zu lassen. Lassen Sie zu, wenn die ersten Durchläufe negativ sind. Das Kind wird von allein bei kleinsten Impulsen positiver reagieren.
- Schaffen Sie Vertrauensrituale bei Angst, die Ihr Kind in der angstbesetzten Situation durchführen kann: Singen Sie ein Lied bei Angst, geben Sie Ihrem Kind einen Talisman, ein Foto von sich, ein Plüschtier oder einen anderen Glücksbringer.
- Geben Sie Ihrem Kind Nähe, wenn es Nähe braucht.
Kinderängste ernst nehmen: Sprechen Sie die Sprache Ihres Kindes
Der Körper eines Kleinkindes ist besonders empfindsam und dort Ängste zu unterdrücken oder zu verleugnen ist schädlich. So erreicht man beim Kind nur eine falsche Wahrnehmung des eigenen Körper-Geist-Seele-Systems, was wiederum zu späteren psychischen Schwierigkeiten führen kann. Daher ist es von immenser Bedeutung, die Ängste seines Kindes ernst zu nehmen, in dem Maße, in dem Ihr Kind es fühlt. Das Kind fühlt – im Gegensatz zu uns Erwachsenen – noch vollends mit seinem Körper, statt bloß mit seinem Kopf.
Dementsprechend berichten Kinder, die unter Ängsten leiden, häufig von somatischen Beschwerden wie zum Beispiel Bauchschmerzen, Kopfweh oder allgemeinen Schmerzen im Körper. So wie Erwachsene Magen-Darmbeschwerden bekommen, wenn ihnen etwas auf den Magen schlug, sie etwas nicht verdauen konnten oder ihnen die Galle überlief, weil sie Ärger in sich behielten, so ergeht es auch Kindern.
Wenn Ihr Kind unter Angst leidet, suchen Sie das Gespräch mit ihm, aber lassen Sie Ihr Kind reden, anstatt das Gespräch zu führen. Fragen Sie Ihr Kind, wie es sich anfühlt, wenn die Angst kommt, wie sie aussieht, wo sie im Körper sitzt, wie die Umwelt dann auf das Kind wirkt und wann – also in welchen Momenten – die Angst ausgelöst wird. Fragen Sie auch, wie eine absolut heile Welt für Ihr Kind aussähe und Sie haben bereits erste Ansatzpunkte, welche Belastungen Ihr Kind mit sich trägt.
Kindertraumata
Ein Trauma ist ein plötzliches, intensives, gewalttätiges und schmerzhaftes Ereignis, das die psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten eines Menschen überfordert, weil es die Psyche gleichsam überschwemmt. Aber […] ein das erträgliche Maß übersteigender Mangel an Stimulierung […] wirkt traumatisierend und hemmt ebenfalls die normale Entwicklung.(Quelle: Shengold, Leonhard (1989): Soul Murder. Seelenmord – die Auswirkungen von Mißbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit. Frankfurt/M 1995 (Brandes & Apsel), Seite 15).
Die Angst traumatisierter Kinder
Miterlebte oder am eigenen Körper erlebte Gewalt, Krankheiten von Familienangehörigen, Tod eines Familienmitglieds oder eines innig geliebten Tieres, aber auch Flucht, Kriegserfahrungen, Naturgewalten, wie auch andere, aus erwachsener Sicht „kleinere“, traumatische Erlebnisse wie beispielsweise medizinische Eingriffe mit Narkosen und Krankenhausaufenthalten (einschl. kurzweiliger Trennung von den Eltern) können ein Kind traumatisieren. Allein der Gedanke an eine Operation, an ein bevorstehendes Ereignis, dem mit großer Unsicherheit und Kontrollverlust entgegengesehen wird, kann enorme Angst und sogar Panik auslösen. Kinder reagieren dann meist – wie an obriger Stelle erwähnt – mit einem veränderten Verhalten. Sie versuchen, ihre kleine Welt in größtmöglicher Sicherheit zu gestalten, werden zudem aggressiv oder extrem distanziert, deprimiert oder desinteressiert, wenn etwas „entgegen ihrem Plan“ läuft. Dahinter steckt eine natürliche Angst vor dem Ungewissen.
Angstanfälle und Panikattacken sind meist als Symptom innerhalb einer Kurz- oder Langzeitfolge des traumatisch erlebten Geschehens zu sehen. Innerhalb dieser Periode nach dem Trauma ist das Kind mit wiederkehrenden Erinnerungen und wiederholten Verhaltensweisen konfrontiert. Diese Ängste, die das traumatische Ereignis immer wieder an die Oberfläche bringen, werden besonders in Situationen getriggert, die an die traumatische erinnert. Kinder entwickeln dann – so wie Erwachsene auch – eine geänderte Einstellung zu fremden und bekannten Menschen, zu ihrem vormals als sicher erlebten und nun in einem anderen Licht erscheinendem Leben. Zukunftängste treten daher genauso oft auf, wie starke Wunden am Selbstvertrauen und Urvertrauen. Viele entwickeln kurzzeitig eine scheinbar grundsätzliche, negative Erwartungshaltung gegenüber dem Morgen.
In diesen Fällen ist es wichtig, gleich, ob Sie ein Elternteil, Lehrer oder Erzieher sind, dem betroffenen Kind zu mehr innerer Ruhe und Balance zu verhelfen, indem sie es in der Verarbeitung unterstützen. Das kann bei Kindern am besten im Spiel geschehen. In Spielszenarien und Rollenspielen mit z. B. Puppen können Kinder auf das furchterregende Ergeignis vorbereitet werden oder aber vorsichtig in die Situation zurückgeführt werden, falls das Kind sich verschlossen hat. Wichtig ist, dass Sie so behutsam vorgehen, wie das Kind es Ihnen signalisiert. Preschen Sie nicht drauf los, sondern lassen Sie dem Kind seine Zeit. Sollte es reden wollen, so wird es reden. Wenn es Ihnen etwas zeigen will, wird es im Spiel als Verhaltensweise einer Puppe oder als Motiv eines Bildes auftauchen. So nähern sich Kinder ihrer Angst, in dem sie sie eher „verschleiern“ und metaphorisch mitteilen.
Es gibt auch Kinder, die bei wahrhaft belastenden Situationen und festsitzenden Ängsten Klartext sprechen, auch wenn dieses Verhalten weniger häufig auftritt.
Angst vor und nach Operationen
Bei der Vorbereitung auf Operationen und Krankenhausaufenthalten empfielt das Deutsche Institut für Psychotraumatologie
Eine OP wirke weniger bedrohlich, wenn das Kind Arzt oder Ärztin spielt, wobei die besonders bedrohlichen und beängstigenden OP-Vorgänge weniger drastisch und spielerisch dargestellt werden sollten: „Der Bauch wird nicht „aufgeschnitten“, sondern die Haut so weit geöffnet, dass das „Wehweh“ entfernt oder der Knochen repariert werden kann, damit er nachher umso stärker ist. Die Wunde verheilt schnell wieder, so wie es das Kind bei leichteren Verletzungen schon öfters erlebt hat. Die Narkose macht einen angenehmen, „blauen Traum“. Die Eltern sind in der Nähe.“ (Quelle: Website des DIPT „Kindern mit einem Trauma helfen„)
Weitere angstbesetzte Ereignisse
Sollten nach einem Erlebnis Ängste und Panik auftreten, kann man davon ausgehen, dass es das Kind nachhaltig beeinflusst. Auch wenn das Kind sich plötzlich mit Angst und Panik konfrontiert sieht, lässt es auf ein traumatisches Erlebnis schließen. Das kann auch familiäre Schwierigkeiten oder Herausforderungen im Alltag des Kindes als Ursache haben. Vorschnelle Rückschlüsse sollten Sie als Elternteil oder Erzieher vermeiden. Kinder bedürfen einer sicheren und voller Geborgenheit erlebten Welt. Bereits kleinste Umbrüche, Veränderungen oder Schwierigkeiten können belasten und zu extremer Angst oder Schlafschwierigkeiten führen. Je nach Alter und Sensibilität wird Ihr Kind auf Erlebnisse reagieren, und zwar auf seine eigene Art und Weise.
Bei belastenden Ereignissen oder Vorgängen wird das Kind meist mit einem wiederholten, im Spiel nachgestellten, Trauma reagieren. Das dient seinem Verarbeiten. Es empfiehlt sich, dem Kind dabei alle Aufmerksamkeit zu spenden, der es bedarf. Aufmerksamkeit auf die operierten Körperteile, den schmerzhaften und eventuell psychosomatisch beschwerlichen Körperteilen sowie Nähe und achtsames Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Kindes durch Spiel und gesunde Bindungen.
Das heißt: Sprechen Sie das Kind an, beobachten Sie Ihr Kind beim Spiel, ob sich die wiederholten Spielhandlungen verbessern, fragen Sie, wie es ihm geht, wie es sich fühlt und erlauben Sie dem Kind, seine Gefühle zu haben. Gefühle und Spielhandlungen zu unterdrücken oder absichtlich lenken zu wollen, erzielt ein gegensätzliches Ergebnis. Stattdessen lassen Sie Ihr Kind am besten die Handlung so nachspielen, wie es das möchte, ohne eigene, bessere Lösungen vorzugeben oder vorzuspielen. Kinder sind im Umgang mit Lösungsfindungen bei traumatisch erlebten Ereignissen vorsichtiger und langsamer als Erwachsene.
Hinweis: Sollten Sie von einem prototypischen Trauma wie körperliche Gewalt, sexueller Missbrauch usw. wissen, konsultieren Sie umgehend einen Facharzt. Eine Lösung im Alleingang finden zu wollen, könnte kontraproduktiv sein.
Panikattacken bei Kindern
Panik bei Kindern ähnelt der Panik Erwachsener stark: Zu den Symptomen zählen Zittern, Schweißausbrüche, Herzrasen, Neben-sich-stehen, Fluchtreflexe, heftige Gefühlsexplosionen,Kopfschmerzen, Sehschwierigkeiten, Kribbelgefühle und Atemnot, Enge in der Brust, Schluckbeschwerden usw. Der Auslöser von Panikattacken bei Kindern kann vielfältiger Natur sein, wobei es sich in den meisten Fällen um vergangene Erlebnisse, die nicht verarbeitet wurden, handelt, zum Beispiel:
- Trennungsängste
- Verlustängste
- Leistungsdruck
- Angst wegen Fehlern
- Versagensangst
- Schuldgefühle (oft wegen Fehlern)
- Schuldgefühle für die erlebten Schwierigkeiten der Eltern (Existenznöte, partnerschaftliche Probleme usw.)
- unterdrückte Wut und Angst vor/wegen etwas
- unterdrückte Trauer
- psychische und physische Schwierigkeiten der Eltern.
Es ist nicht ratsam, bei auftretenden Panikattacken in der Nacht oder wiederholten Panikanfällen bei Kindern allgemein, abzuwarten, dass sich das Problem schon lösen würde oder die Anfälle vergehen. Bei Panik ist es sofort nötig, wie auch bei traumatischen Erlebnissen, für die Sicherheit und die Geborgenheit, Entspannung und Rückführung in eine heile Welt zu sorgen. Gehen Sie unbedingt zu einem Facharzt und bleiben Sie bis zur Diagnose nachts bei Ihrem Kind oder erlauben Sie Ihrem Kind, bei Ihnen sein zu dürfen, wann immer es das möchte.
In vielen Fällen wie Scheidung, Verlust oder anderen Erlebnissen haben sich zudem Eltern-Kind-Entspannungsseminare und auch Eltern-Kind-Kuren als hilfreich erwiesen. Bitte besprechen Sie weitere Schritte dringend mit einem Arzt Ihres Vertrauens, da Panik bei Kindern „verschleppt“ werden kann und durch Verdrängung im späteren Leben zu erschwerten Schwierigkeiten führen kann.
Malen und Schreiben: Mentale und visuelle Bilderwelten gegen Angst bei Kindern
Kinder sind – zum Glück – noch sehr viel kreativer und zugänglicher sind, wenn es um Visualisierungsmethoden oder Maltherapie in Bezug auf Angst geht.
Sie können Form, Farbe, Beschaffenheit so detailreich beschreiben, dass sie in der Lage sind, ihre gesamte Fantasie zu nutzen, um Angst zu malen oder niederzuschreiben. Herauskommen dann Bilder von Monstern, Vampiren, schwarzen Irgendwassen, großen Schatten usw.
Kinder besitzen auch die Gabe, sich mittels Farben von der alten Angstvorstellung abzuheben. Daher empfiehlt die amerikanische Kindertherapeutin Charlotte Reznick, Kinder nach der Farbe ihrer Angst (auch psychosomatisch als Bauchweh, Kopfschmerzen und anderswo lokalisierte Schmerzen) zu fragen und danach eine andere Farbe zu erfragen, die die Angst vertreiben würde. Die natürliche Antwort der Kinder in ihrer eigenen langjährigen Praxis ist erstaunlich treffsicher und heilsam.
Zudem rät sie in ihrem Buch Innere Starkmacher: Wie Kinder Stress und Angst in Freude und Selbstvertrauen verwandeln. – Mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für alle Altersstufen Eltern und Pädagogen dazu, eine für das Kind größtmögliche Sicherheit durch Visualisierungen herzustellen. Solche können das Vorstellen von Kraftorten, magischen Tierfreunden und Helfern, aber auch gezielte Atemtechniken (Zwerchfellatmung zur Beruhigung) sein. Die Kunst- und Musiktherapie finden großen Anklang bei Kindern, die Unterstützung benötigen, um Ängste und Panik abzubauen.
Elterntelefon des Kinderschutzbundes: Hier können Sie sich kostenfrei und anonym über Ängste oder für Sie beängstigende Situationen mit Ihrem Kind informieren und beraten lassen: 0800/111 05 50
Hilfreiche Internetlinks zum Thema
Wie entstehen Kinderängste? >Link
Kinderängste erkennen und mit ihnen umgehen: Wenn das Klomonster lauert >Link
Emotionen von Kindern verstehen, Keine Lust mehr auf Kindergarten und Schule u. v. m. >Link
Kinderängste – die besten Erziehungstipps gegen die Angst >Link
Die besten Mittel gegen Monster & Co. >Link
Kinderängste – Was Eltern darüber wissen sollten (pdf) >Link
Von kleinen und großen Kinderängsten >Link
Kinderängste zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr – die verschiedenen Formen, die Ursachen und der richtige Umgang (Diplomarbeit von Melanie Wegmayr, 2006) >Link
Angststörungen/Phobien bei Kindern >Link
Allgemeine Infos, Prüfungs- und Schulangst bei Kindern >Link
Angstauskunft über Kinderangst >Link
Kindliche Angststörungen fast immer heilbar >Link
Video: Wie kann ich mit Angst bei Kindern umgehen? >Link
Buchtipps zum Thema*
Bücher mit hilfreichen Tipps und Hintergrundinformationen für Eltern
- Innere Starkmacher: Wie Kinder Stress und Angst in Freude und Selbstvertrauen verwandeln. – Mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für alle Altersstufen
- Schüchterne Kinder stärken: Wie sie Ängste überwinden, ihre Gaben entdecken und die Persönlichkeit entfalten
- Nur keine Panik!: Was Kids über Angst wissen sollten.: Was Kids Uber Angst Wissen Sollten
- Ängstliche Kinder unterstützen: Die elterliche Ankerfunktion
- Angst bei Kindern und Jugendlichen
- Kleine Gefühlskunde für Eltern: Wie Kinder emotionale & soziale Kompetenz entwickeln
- Was ist bloß mit Mama los? Wenn Eltern in seelische Krisen geraten. Mit Kindern über Angst, Depression, Stress und Trauma sprechen
Geschichten für Mut und weniger Angst
- Die Kapitän-Nemo-Geschichten: Geschichten gegen Angst und Stress (HERDER spektrum)*
- Märchen, die Kindern helfen: Geschichten gegen Angst und Aggression, und was man beim Vorlesen wissen sollte (dtv Sachbuch)*
- Ich will mutig sein!: Vorlesegeschichten vom Angsthaben und Sich-Trauen (Kleine Geschichten zum Vorlesen)*
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