Meiner Meinung nach sind die Ursachen für Stress, Panik- und Angststörungen unterdrückte, unausgesprochene Gefühle. Es ist die eigene Entfremdung von seinen Gefühlen wie unerwiderte Liebe, Ärger, Wut, Trauer, Angst und Freude in Verbindung mit den eigenen, aber verneinten Bedürfnissen, die zu Überhitzungen im Geiste führen. Das schließt Panik- und Angstzustände ein. Aus Angst vor Ablehnung, Schuld, Scham, Strafe, Liebesentzug oder wegen einer Selbstunsicherheit oder handfesten Selbstzweifeln halten viele ihre Gefühle und Bedürfnisse zurück oder verneinen und verdrängen sie. Man wird folgsam und passt sich an, was noch mehr Angst und Stress schürt.
Eine meiner liebsten Methoden dagegen ist die Stimmarbeit, die Arbeit mit unseren Sinnen.
Angst und Panik: Nutzen und Recht
Angst, Panik und Stress macht sich breit, wenn man über eine gewisse Zeit Gefühle verdrängt. Da unsere Gefühle irgendwohin müssen, idealerweise „raus“, wir uns unseren Gefühlsausdruck und Selbstverwirklichung aber verbieten, bunkern wir sie in unseren Körpern und füllen ein Fass mit Angst, Traurigkeit über unerfüllte Bedürfnisse und Wünsche, angeblicher, eigener Bedeutungslosigkeit und Wut. In normalen Stresssituationen erscheinen diese Gefühle weniger prekär, jedoch finden wir auch dort einen Kampf zwischen dem, was wir wollen und dem, was wir sollen. Wenn unsere Gefühle sich immer mehr anhäufen, solange bis das Fass voll ist, entlädt sich unser Geist. Bei Angst- und Panikattacken signalisiert der Körper, dass gerade das „interne“ Fass überläuft, ein Gefühl oder ein Bedürfnis ausgesprochen werden müsste, wir diesen Impuls aber aus Rücksicht oder Sicherheitsdenken verneinen, verdrängen und dann plötzlich: Explosion.
In meinen Augen ist Angst und Panik ein Signal dafür, dass wir bereits verletzt sind, wenn nicht sogar „klein fühlen“, mit unserer wahren Natur konfrontiert werden (die, die wir uns verschweigen: wir sind nicht ganz so unabhängig, unverletzbar oder erwachsen) oder aber uns zugunsten eines anderen klein machen sollen. Das weiß unser Kopf und unser Herz ebenfalls.
Kurzum: Angst, Panik und Stress hat in meinen Augen den Nutzen der Distanz, des eigenen Rückzugs aus Situationen, die schlecht für einen Menschen sind, aufgrund der Rechte, die man freiwillig nicht wahrnimmt und freiwillig verdrängt. Rückzug vor allem aber auch von Verhaltensweisen, die für einen schlecht sind, die wir aber trotzdem in unserem Alltag wiederfinden. Laut Literatur trifft das zumeist Frauen bzw. Menschen, die allgemeinhin eher gehorsam, brav und anpassungsfähig sind. Das klingt hart, ich weiß. Aber selbst ich habe mir eingestehen müssen, dass ich zu den Menschen respektive Frauen gehörte, die eher JA statt NEIN sagen (sollen und es deshalb auch machen), die ihre Gefühle eher zurückhalten (sollen und es deshalb tun), die aufgrund der entstehenden Wut auf sich selbst und andere, diese legitimen Gefühle irgendwo im eigenen Körper bunkern (müssen), um ja keinen Ärger zu machen oder zu unbequem zu werden oder gar „unerzogen“ zu sein. Die Angst vor dem Ärger und dem Konflikt bekommt je nach Situation, sei es familiär, existentiell bzw. beruflich, partnerschaftlich seine eigene Dimension und – Tragweite. Lange Rede, kurzer Sinn:
Die Methode gegen Angst, Panikattacken und akuten Stress: Summen
Wenn die eigene Stimme (im übertragenen, als auch wörtlichen Sinne) verstummt bzw. zu leise ist, um gehört zu werden, man sich nicht traut, sie zu erheben, müssen andere Wege des aus-Drucks gefunden werden. Denn aus Druck der Gefühle, die verdrängt werden, entsteht Stress, Angst und Panik. Gedankenkarusselle, Grübeln, Selbstächtung/Schuld, Zweifel, Sich-Selbst-Kleinhalten. Hey, aber ich bin doch etwas wert! sagt diese leise Stimme der Panik, die die anderen (fremden) Stimmen übertönen möchte, aber uns und den Körper braucht, damit wir etwas gegen die Umstände, die Angst/Panik auslösten, tun. Deine Angst/Panik braucht Dich! DICH. Stress ist das erste Signal dafür.
In meinen eigenen Zeiten der Panik erfand ich eine Methode, die ich auch noch heute in belastenden oder nervigen Phasen anwende. Diese Methode ermöglicht es mir,
- a) meine Stimme nutzen
- b) mich auszudrücken und
- c) mich aus dem Grübeln herauszuholen.
Und so geht’s
Anwendungsgebiete:
– immer, wenn Grübeleien über ärgerliche oder angsteinflößende Situationen/Menschen im Kopf beginnen bzw. nur noch schwer zu stoppen sind,
– bei Stress, Belastungen, Angst oder anrollender Panik,
– man draußen ist und zu viel Lärm, Menschen und sonstiges (Reizüberflutung) aushalten muss.
Vorgehen
Wähle Dir ein Kinderlied aus frühen Tagen oder aber Dein aktuelles Lieblingslied, was in Verbindung mit einer POSITIVEN Situation steht. Bei dem Gedanken an das gewählte Lied musst Du Dich automatisch wohl- und geborgen fühlen. Hast Du Dich für ein Lied entschieden, beginnst Du bei jedem einsetzenden Grübelkonzert Dein eigenes, in dem Du dieses Lied summst. Du kannst leise oder lauter summen, je nachdem, wo Du bist und wie viel „Lärm“ Du Dich traust zu machen.
Abwandlungen
Es gibt Menschen, und solche kennst Du sicher auch, die pfeifend, singend, laut telefonierend durch die Straßen schlendern oder im Bus neben Dir sitzen. Das ist das eine Extrem. Das andere Extrem bist Du, nämlich Menschen, die still daneben stehen, sich genervt fühlen, mit ihren Gefühlen über diese „Belästigung“ schwer zurechtkommen oder aber einfach nur, weil sie es nicht fassen können :-), diesen Menschen anstarren, in der Hoffnung, dass er es von allein merkt.
Und dazwischen ist das Summen. Es ist steuerbar. Du entscheidest, ob es jeder merkt oder niemand.
Man kann sowohl leise summen, als auch laut. Man kann mit seiner Stimme summen, als auch mit seinem Atem. Probiere alle diese Summmöglichkeiten mal aus:
- Summen und Deine Stimme ist hörbar
- mit dem Atem summen, du erweckst nur das Gefühl, Du würdest summen, aber in Wirklichkeit benutzt Du nur die Stimmbänder, die Du zum Klingen/Vibrieren bringst.
- leise summen.
Variante 1 ist also überall anwendbar, wo man laut sein kann, z. B. Zuhause, an der frischen Luft, unterwegs.
Variante 2 überall dort, wo man eher weniger auffallen möchte, z. B. im Supermarkt, im Meeting, in Warteschlangen.
Variante 3 an Orten, an dem es leichte Hintergrundgeräusche gibt, z. B. im Bus, Bahn, Tram, Zug.
Der Hintergrund: Wozu summen?
Summen, also die Aktivierung Deiner Stimme, aktiviert Dich. Es setzt Dich in den Mittelpunkt, statt anderer Menschen oder Fahrten in die Stadt oder Geräuschkulissen oder gefährlich erscheinende Körperreaktionen wie Herzstolpern und -rasen, schweißnasse Hände, Muskelverspannungen, weiche Knie, Enge in der Brust, Schluckbeschwerden usw. Es hält Deine Konzentration über die Länge des gesummten Liedes bei Dir, statt durch Grübelkarusselle wieder von Dir abgelenkt zu werden.
Es stärkt zudem Dein Selbstvertrauen, denn die Benutzung deiner eigenen Stimme ist ein wesentliches Element bei der Selbstheilung. Du hörst Dich, Du merkst: Es gibt mich. Ich bin. Es aktiviert außerdem Deine Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit: Ich kann mich ausdrücken. Ich entscheide, wann ich spreche und wie.
Es aktiviert zu guter Letzt eine korrekte Atmung. Bei der typischen Angst- und Panikatmung versucht der Betroffene so viel Luft wie möglich einzuatmen, während das Ausatmen des Kohlendioxids verkürzt wird. Folge: Wir behalten mehr Kohlendioxid in uns, ringen um Luft. Das erschwert die Symptome ungemein. Wenn wir aber summen oder singen oder sprechen, dann müssen wir ausatmen. Es geht gar nichts anders.
Bonusmethode „Ent-sinn-ung“
Als Zusatz habe ich oft die Methode der Ent-sinn-ung genutzt (Das ist mein Name dafür.): Augen schließen, Ohren zuhalten, aber Hauptsache immer nur einen Hauptsinn öffnen.
Bei Panik hat man eine niedrige Reizschwelle bzw. die Anfälligkeit einer schnellen und heftigen Reizüberflutung ist hoch. Durch Entsinnung lässt sich das mindern. Wenn Du also summend zum Briefkasten oder der U-Bahn gehst, summend in der Schlange im Supermarkt stehst, schließ Deine Augen und sperre alle visuellen Reize, die sonst mit in Deinem Fass landen, aus. Die Konzentration liegt nur auf den akustischen Signalen. Wenn Du dann Deine Augen wieder öffnest, konzentriere Dich ausschließlich auf die Akkustik, auf deine Ohren und nimm sie vorwiegender wahr, als das Visuelle. Umgekehrt funktioniert Entsinnung auch. Halte Dir die Ohren zu (oder tu so, als hättest Du Ohrenschmerzen und verschließe Deine Ohrmuscheln mit Deinen Händen). Senke am besten den Kopf, wenn Du das tust und schotte Dich kurz visuell von deinem Umfeld ab, um Deinen Sehsinn zu fokussieren. Wenn Du den Kopf wieder hebst, sperre alle Geräusche, die noch teilweise da sein werden, aus der Konzentration aus. Nimm nur das Visuelle wahr. Wenn Du dann die Ohren „wieder aufmachst“, fokussiere nur das, was Du siehst.
Jeder kann selbst für sich probieren, was wirksamer ist. Grundsätzlich lässt sich mittels eines leichten Tests, der dem Lerncoaching entstammt, herausfinden, auf welche Sinne man stärker anspringt, also welcher Lernkanal für Dich am geeignetsten wäre.
Der Sinne-Test
Schließ Deine Augen und stell Dir vor, Du bist am Meer. Es ist ein wunderbarer Tag, Du fühlst Dich wohl. Was nimmst du zuerst wahr?
Den Sand unter Deinen Füßen? Den Wind auf Deiner Haut? Das Salz auf Deiner Zunge? Siehst Du zuerst das Meer und die Wellen? Oder hörst Du sie als Erstes?
- Wenn Du fühlst, ist das ein Hinweis auf Haptik als dominanter Kanal.
- Wenn Du hörst, ist es Dein akustischer Kanal, der ausgeprägter bei Dir ist.
- Wenn Du siehst, zählst Du zu den visuellen Menschen.
- Wenn Du riechst, steht das Olfaktorische im Vordergrund.
- Wenn Du schmeckst, ist es das sogenannte Gustatorische, was bei Dir eher wirkt.
Man kann sich also den ersten und zweiten Sinn, der am stärksten ausgeprägt ist, suchen und diese beiden entweder aussperren, wenn man in Paniksituationen gerät oder aber bewusst einen der beiden aktivieren, fokussieren, während der andere ausgesperrt wird. Du kannst auch einmal schauen, ob es nicht einer der beiden stärksten Sinne ist, der Dich in Stress-, Angst- und Paniksituationen „triggert“. Sollte dies so sein, dann empfehle ich erst recht die Methode der Ent-sinn-ung in Verbindung mit Summen. Notfalls auch Ohropax.
LG,
Janett
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Ausschlusserklärung: Alle Inhalte und Techniken sind gewissenhaft recherchiert bzw. erprobt. Dennoch ersetzt jede hier beschriebene Strategie gegen Stress, Angst und Panik keine professionelle Psychotherapie. Für jeglichen Personenschaden wird keine Haftung übernommen.
Toller Bericht. Auch ist gegen die Angst eine Notfallseelsorge sehr hilfreich. So habe ich mir damals aufgrund eines Traumas geholfen. Heute habe ich wenig mit Angst zu kämpfen.