Hypochondrie wird auch Krankheitsangst oder hypochondrische Störung genannt und ist eine somatoforme Störung.
Dabei stehen neben Allgemeinsymptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung Schmerzsymptome an vorderster Stelle, gefolgt von Herz-Kreislauf-Beschwerden, Magen-Darm-Beschwerden, sexuellen und pseudoneurologischen Symptomen. Somatoforme Symptome treten bei circa 80 Prozent der Bevölkerung zumindest zeitweise auf, gehen in der Regel von selbst vorüber und werden kaum beachtet. Bei einigen Personen (die Angaben über die Häufigkeit schwanken zwischen 4 und 20 Prozent) können sich diese Beschwerden aber chronifizieren und eine zentrale Rolle im Leben einnehmen. (Wikipedia)
Etwa 1 Prozent der Bevölkerung sind schwere Hypochonder; hingegen leiden etwa 11 Prozent aller Menschen, die keine Ursachen für eine Beschwerde finden, vermutlich an der Angst vor Krankheiten, wie Hans-Christian Deter, Professor für Psychosomatik an der Charité Berlin, in einem Interview äußerte.
Auch Sebastian D. Kraemer, Gründer des Psyche Blogs PSOG vermutete „bei jedem Kribbeln, Stechen und Zwicken, bei jeder Veränderung des Herzschlages und dem kleinsten Ziehen“ sofort das Schlimmste. „Und ich hatte eine Vielzahl von Beschwerden, einige einmalig oder selten. Andere immer wieder. Herzstolpern, Stiche in der Brust, Flimmern vor den Augen, Müdigkeit, Ohrgeräusche und ein dumpfes Gefühl im Kopf waren die häufigsten. Bevor ich wusste, dass ich an den typischen Symptomen einer Hypochondrie, der Angst vor Krankheiten, litt, recherchierte ich nahezu täglich im Internet, um einen Hinweis für die Ursache meiner Symptome zu finden, oftmals stundenlang. Eigentlich erhoffte ich mir eine Beruhigung. Tatsächlich trieben meine Recherchen die Angst auf die Spitze.“
Hypochondrie kommt mit einschlägigen Symptomen daher:
- Man ist felsenfest davon überzeugt, krank zu sein, auch wenn Ärzte nichts finden können.
- Entsprechend hoch ist die Anzahl von Arztbesuchen: um sich tiefgründig untersuchen zu lassen, an freiwilligen Tests teilzunehmen oder Gegenmeinungen einzuholen.
- Wenn der eine Arzt nichts findet, wechselt man ihn. Vielleicht täuscht er sich oder man hat bereits das Vertrauen in denjenigen verloren.
- Man recherchiert im Internet und anderen Quellen nach Ursachen, Möglichkeiten, unerkannten und unbekannten Symptomen und Krankheitsbildern.
- Gesundheitliche Themen werden im privaten Umfeld immer mehr zum Gesprächsthema Nummer 1.
- Man stellt eigene Untersuchungen an, denn heutzutage kann man sich von umfangreichen Allergietests, Blutuntersuchungen bis hin zu medizinischen Geräten wie Blutdruckmesser Vieles bestellen, und ohne Arzt wirksam werden.
- Die kleinsten Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung werden überspitzt und als etwaiges Symptom für eine untergründige, größere Krankheit angesehen. So kann ein Herzrasen ein Signal für eine Herzerkrankung, Kopfschmerzen für einen Gehirntumor, Blutdruckschwankungen für eine Herz-Kreislauf-Schwäche und Stechen und Schmerzen in den Gliedmaßen als Herzinfarkt missinterpretiert.
- Um die eigenen Bedenken schnell und wirksam auszuschalten bzw. zu minimieren, werden viele zu einem Gesundheitsfanatiker und vermeiden alles, was die Symptome stärken würde. Die Angst davor, krank zu sein, kann bis zur Paranoia führen.
Sebastian war so nett und hat für mich einen Erfahrungsbericht über Hypochondrie verfasst, den du im Folgenden lesen kannst.
Ich und die Hypochondrie: Die Angst vor Krankheiten
Besser eine Kontrolle zu viel, als zu wenig und so machte ich mich oftmals auf den Weg zum Arzt oder ins Krankenhaus. Klar kam ich mir dabei irgendwie doof vor. Schließlich ging auch ich davon aus, dass nichts Ernstes dahinter steckt. Und ich wusste, dass meine Reaktion übertrieben war. Ich war ja kein Idiot. Ich litt an einer ausgeprägten Hypochondrie, auch hypochondrische Störung genannt. Das war mir schmerzlich bewusst. Allerdings konnte auch ein Hypochonder tatsächlich krank werden.
Meine Hypochondrie beschränkte sich übrigens nicht nur auf die Angst vor einem Herzinfarkt. Große Angst hatte ich auch vor Krebs und neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose und ALS.
Ich hatte damals nicht „nur“ eine Hypochondrie. Auch eine Panikstörung und eine generalisierte Angststörung wurden diagnostiziert. Vielleicht war die Hypochondrie auch Teil der generalisierten Angststörung. Die Experten waren sich da nicht ganz einig und mir war es egal. Ich wusste nur, dass ich verdammt große Angst vor Krankheiten hatte.
Vor ernsthaften Krankheiten. Ein Magen-Darm-Virus oder eine Erkältung waren allenfalls unschön. Wirklich Angst hatte ich davor nicht. Ich war auch nicht wehleidig. Andererseits konnten vermeintliche Erkältungssymptome im Einzelfall auch Vorboten schwerer Krankheiten sein. So ganz gelassen konnte ich daher auch mit einer banalen Erkältung nicht umgehen.
Das Stechen in meiner linken Brust rührte vermutlich von Verspannungen im Rücken. Das hatte ich auf diversen „Gesundheitswebseiten“ gelesen. Aber dort war auch von Fällen zu lesen, in denen solche Stiche einen Herzinfarkt ankündigten. Unwahrscheinlich bei einem Hungerhaken wie mir im Alter von 27 Jahren, der eher zu einem niedrigen als eine, hohen Blutdruck neigte. Diverse Untersuchungen wie normale EKG’s, Langzeit- und Belastungs-EKG’s, Ultraschall und unzählige Blutdruckmessungen machten einen Herzinfarkt sicher nicht wahrscheinlicher. Schließlich wurde nichts gefunden.
Doch unwahrscheinlich ist nicht unmöglich. Als BWL-Student kannte ich mich ganz gut in Wahrscheinlichkeitsrechnung aus. Ich war kein großer Mathefan, doch als leidenschaftlicher Pokerspieler mochte ich Statistik und Stochastik. Und ich schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Stechen in der Brust KEINEN Herzinfarkt ankündigte, auf etwa 98 %. Ich war also relativ „safe“. Beim Pokern habe ich allerdings schon mit Händen verloren, die eine höhere Siegchance als 98 Prozent garantierten. Ich wusste also aus Erfahrung, dass auch unwahrscheinliche Ereignisse manchmal eintreten. Unwahrscheinlich bedeutet schließlich nicht unmöglich.
War die Ursache meiner Hypochondrie die Angst vor dem Tod?
Ich entschloss mich damals zu einer psychosomatischen Reha. Der Chefarzt stellte die These auf, dass meine Hypochondrie aus der Angst vor dem Tod resultierte.
Hatte ich Angst vor dem Tod? Klar! Wer hat das nicht? Ich wusste nicht, wie das sein würde und ob da überhaupt etwas sein würde oder ob es das dann insgesamt gewesen ist. Der Tod, die große Unbekannte. Das Ende? Ein Anfang? Anfang für was? Natürlich hatte ich Angst vor dem Tod!
Auf den Vorschlag des Chefarztes hin stellte ich mich dieser Angst, indem ich mich gedanklich in die Situation versetzte, nur noch drei Tage zu leben zu haben. Letztlich stellte sich heraus, dass die Angst vor dem Tod nicht oder nicht allein für meine Hypochondrie verantwortlich war, doch ich gewann für mich extrem wichtige Erkenntnisse, die zur Überwindung meiner Hypochondrie beitrugen.
Ich wusste nämlich überhaupt nicht, was ich mich meinem Leben anfangen sollte. Was wollte ich arbeiten? Wie wollte ich leben? Frau und Kinder oder Singleleben und Party? Haus oder Junggesellenbude? Ich hatte diese Fragen noch nicht abschließend beantwortet. Wegweisende Entscheidungen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu treffen gewagt habe. Ich wusste überhaupt nicht, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Den baldigen Tod hypothetisch vor Augen erkannte ich, was mir wirklich wichtig war. In der Kurzfassung: Freundin, Familie, Freunde. Ich wollte Kinder. Und beruflich wollte ich mein eigenes Ding machen.
Das Todesritual und die dabei gewonnenen Erkenntnisse beschreibe ich detailliert in meinem Buch „Exfreundin Angst“.
Hypochondrie ist oft nur eine willkommene Ablenkung
Wie gesagt: Ich hatte verschiedene Ausprägungen einer Angststörung. Und aus meiner Sicht tragen immer auch verschiedene Faktoren zur Überwindung einer Angststörung bei. Wenn ich aber einen Faktor herausstellen müsste, der mehr als die anderen dazu beigetragen hat, speziell die Hypochondrie hinter mir zu lassen, dann würde ich sagen, dass es dieser war:
Ich musste herausfinden, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen wollte.
Denn seien wir mal ehrlich: Wenn man nichts mit seine Leben anzufangen weiß oder insgesamt unzufrieden ist, dann kommt eine Hypochondrie doch irgendwie ganz gelegen. Manchmal ist die zeitintensive Beschäftigung mit möglichen Krankheiten eine willkommene Ablenkung. Wenn wir davon ausgehen, schwer krank zu sein, vermeiden wir es, uns unangenehmen Fragen und schwierigen Entscheidungen zu widmen. Was würde das auch für einen Sinn machen? Und wenn dem so ist, dann müssen wir uns doch zunächst diesen Dingen widmen.
Sonst halten die unbeantworteten Fragen die Hypochondrie aufrecht.
3 Tipps, um eine Hypochondrie zu überwinden
Tipp 1: Lass die Recherchen im Internet sein. Du wirst dabei immer auch auf ernsthafte Erkrankungen stoßen. Auch wenn diese unwahrscheinlich sind, werden die gefährlichen Sachen bei dir hängen bleiben und die Angst steigern. Dann solltest du lieber zum Arzt gehen.
Tipp 2: Blicke auf dein Leben und sei ehrlich zu dir selbst: Was gefällt dir momentan nicht (unabhängig von der Hypochondrie)? Wie möchtest du stattdessen leben? Triff wichtige Entscheidungen!
Tipp 3: Vernünftige Vorsorge und Arztbesuche machen Sinn. Wenn man an einer Hypochondrie leidet oder gelitten hat, steht man vor der Herausforderung, abzuwägen, ob ein Arztbesuch anzuraten oder übertrieben ist. Ich habe für mich entschieden, dass ich dann zum Arzt gehe, wenn (neue, bislang nicht bekannte) Beschwerden auftreten, die sich schnell verschlimmern oder längere Zeit nicht verschwinden. Bei bestimmten schwerwiegenden Symptomen wird man wohl ohnehin zum Arzt gehen. Warte also nicht zu lange, wenn du aus den Ohren blutest, nicht mehr richtig sprechen kannst oder der Arm abfällt. 😉
Ich hoffe, dass dir dieser Beitrag eine etwas andere Sicht auf die Hypochondrie verschafft. Denn wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass es bei der Suche nach der Lösung Sinn macht, die Angst an sich mal ein wenig in den Hintergrund zu schieben, um die Angststörung überwinden zu können.
Mehr von Sebastian und seinem Weg raus aus der Angststörung, kannst du auf seiner Website www.psog.de lesen. Sebastian hat aufgrund seiner Erfahrungen mit Hypochondrie, Panikattacken und der generellen Angst eine eigene Akademie ins Leben gerufen: Die Anti-Angst Akademie, auf der sich Betroffene anonym helfen lassen können. Mehr Informationen dazu findest du hier >> Sebastian D. Kraemers Anti-Angst Akademie
Hey ich habe mall eine Frage an dich wie hast du die Hypochondrie in griff bekommen?
Würd mich sehr freuen wenn du mir eine E-Mail schickst
Liebe Lisa,
wende dich dafür bitte direkt an Sebastian D. Kraemer. Ich selbst war von Hypochondrie nicht betroffen. Du findest Sebastian auf http://www.psog.de.
Alles Liebe,
Janett