Wer hat das schönste Auto, das größte Haus, die attraktivste Frau, die liebsten und klügsten Kinder, den bestbezahltesten Job und … wer nicht?
Wir sind umgeben von Erfolgsdenken, Machtstreben, Konkurrenzdenken, Wettbewerbs(un)fähigkeit, dem Drang nach Erfolg. Die Angst vor Konkurrenz bzw. dem Schlechtabschneiden in Vergleichen, Ausgeschlossen- und Verlassenwerden, sich deshalb minderwertig oder wertlos zu fühlen, beherrscht die Welt wie Macht, Geld und Sex. Wir alle fürchten uns davor, nicht gesehen oder übersehen zu werden, nicht gebraucht zu werden oder seine Ziele nicht zu erreichen, eben: nichts und niemand zu sein.
Misstrauen und die Angst vor Konkurrenz
Ist Konkurrenzdenken der neue Grippevirus?
Dieser Blog und meine nebenberufliche Selbstständigkeit ist für mich ein Stück Herzblut. In meinem eigentlichen Arbeitsgebiet geht es beispielsweise nur um Konkurrenz. Ich arbeite in einem stark umkämpften Wirtschaftssektor. Es geht in meinem Beruf darum, so wie heutzutage überall in der Wirtschaft und im Privaten, dass es immer jemanden geben –> wird <–, der ein Thema intensiver verarbeitet, ein besseres Marketing mit sich bringt, Kunden zielgerichteter anlockt oder schlichtweg bessere Produkte liefert. In meiner Arbeit soll ich das verhindern und vorausschauend denken, Prognosen erstellen und ja, besser sein als andere. Ich arbeite so jeden Tag, betreibe Marktanalysen und Benchmarking, erarbeite Trendanalysen und entwickle daraus neue und bessere Produkte.
Die Angst, schlecht abzuschneiden und zu versagen, ein Niemand zu sein, nichts zu schaffen, ist allgegenwärtig: Wir messen uns aneinander, wir wollen der oder die Beste sein, wir wollen die Schönsten sein, wir wollen auf dem Siegertreppchen stehen und ganz vorn mitmischen. Wir wollen die Nummer 1 sein; nach uns die Sintflut. Oder sollte ich das Wort „wollen“ mit „sollen/müssen“ austauschen?
Es wird uns seit Kindestagen in der Schule anerzogen, dass wir Klassenbeste sein sollen, zu den Coolsten gehören sollten, mit den schicksten Klamotten und den meisten Freunden, so unseren Platz in der Gesellschaft verdienen und wehe, wenn dem anders ist. Dann sind wir im schlimmsten Fall Verlierer, wertlos oder wertloser (als jemand anderes), gehören (automatisch) zu den Außenseitern und Uncoolen und, glaubt man der Gesellschaft, dann hieße das: Die werden es zu nichts bringen.
Der normale Vergleich im normalen Leben
Oder wieso Wett-Streit überall und angeblich normal sei
Zwei der treffendsten Situationen im Leben, in denen es um Konkurrenz und Angst geht, ist Eifersucht in der Liebe und Neid im Job. Daraus hervor gehen – die für mich! – ärgsten und ärgerlichsten Umstände: Misstrauen und ständiger Kampf. Im Job bedeutet das Ellenbogenverhalten, Mobbing und „sich nach oben kämpfen“, eine Menge Hintern küssen und immer freundlich zu jedem sein. Sagt man uns jedenfalls. In der Liebe ist es die Eifersucht und die Angst, verlassen zu werden, die uns dazu bringt, dass wir uns mit anderen Frauen und Männern vergleichen.
Es gibt Menschen, die sind kein Typ für Wettbewerb. Sie messen sich weder gern, noch werden sie je einen Drang danach haben, sich beweisen zu müssen. Aber halte ich Wettbewerb für gänzlich schlecht? Ne. Und zwar weil ich es für wertschätzend einem selbst gegenüber halte, wenn man sich regelmäßig für sich und seine Fähigkeiten engagiert. Und das alles, ohne jemanden auszugrenzen oder in den Hintern zu treten. Ich glaube nämlich, dass das möglich ist. Ich glaube fest daran, dass man sich weder wie der freundlichste Mensch der Welt verhalten muss, um etwas zu erreichen, noch glaube ich, dass es nur SCHWERE, HARTE ARBEIT ist, die Früchte trägt.
Ein Bekannter sagte vor einigen Jahren zu mir: Es sind keine Unternehmen, die Aufträge bekommen. Es sind die Menschen, die den Auftrag erhalten. Damit meinte er: DER EINE MENSCH erhält den Auftrag, weil er Mensch ist und weil er so ist, wie man sich einen Menschen vorstellt, der diesen Auftrag ausführt. Aha, es geht also doch um Individualität! Das ist beruhigend.
Gleichfalls erinnere ich mich an ein Verkaufs-Beratungsgespräch mit einem hochrangigen Geschäftsführer. Er fragte mich: Was können sie anbieten (die Abteilung/die Firma)? Und ich sagte: Alles. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, an seinen Ton, der eindringlich und ehrlich, aber vor allem gerecht und weise war, als er sagte: Niemand kann alles. Er hatte Recht. Damals war ich 26 Jahre, und verstand zu wenig von Wirtschaft und Geld. Heute aber, auch wegen dieser beiden Aussprüche, weiß ich es besser.
Ständiger Kampf bringt keine ewige Ruhe, sondern immer härter werdenden, ständigen Kampf
Es wird ausnahmslos IMMER jemanden geben, der besser ist. Plötzlich taucht jemand auf, im schlimmsten Fall, wenn wir uns gerade in Sicherheit wiegen, und übertrifft uns. Wir mögen in unseren Wettstreitsituationen und erreichten Zielen für’s Erste bekommen haben, was wir uns mit so großer Mühe und harter Arbeit erarbeitet haben. Aber ist das eine Garantie für ewigwährenden Erfolg, Ruhe und Sich-Zurücklehnen-Können? Wenn Perfektionismus und Leistungsstreben tagtäglich die Nummer 1 auf unserer To Do-Liste wäre, müssten wir Tag für Tag perfekt sein, perfekt bleiben, uns keine Fehler erlauben, uns immer wieder übertreffen, immer besser, schneller, höher, schöner und größer sein, als jeder andere auf dieser Welt.
Das ist schier unmöglich.
Und schade. Schade um einen selbst. Es hat nichts mit Dankbarkeit, Glaube, Vertrauen in seine Selbstwirksamkeit und den eigenen Wert zu tun. Es basiert ausschließlich auf dem Gedanken, dass man nicht genug oder nicht gut genug sei. Dann müssten wir jedem Menschen mit Misstrauen entgegentreten. Würden wir denken, dass wir gut genug sind und in unserem Streben und Leben ausreichen, kämen wir nie auf die Idee, dass andere das anders sehen könnten. Hätten wir Vertrauen, vor allem zu uns selbst, müssten wir keine Kontrolle ausüben, damit uns vermeintlich wichtige Situationen und ihre vermeintlich wichtigen Ergebnisse auch ja nicht aus den Händen gleiten. Und das ohne zu wissen, was uns da draußen an möglichem Potenzial jederzeit übertreffen und vom angeblich siegessicherem Treppchen herunterstoßen könnte.
Kampf um Liebe in der Liebe
Auch in den Themen Partnerschaft und Liebe ist Angst und Wett-Kampf allgegenwärtig. Ich erinnere mich an eine Begebenheit vor Jahren, als ich einen Mann kennenlernte, der zum damaligen Zeitpunkt von einer Frau getrennt war. Das war offensichtlich, weil ich mehrmals in seiner Wohnung gewesen war und wir viel Zeit miteinander verbracht hatten. In einer merkwürdigen Minute geschah es, dass diese Frau mich auf Arbeit anrief und erzählte, dass sie seine Freundin sei und sie mit ihm zusammenwohnen würde. Solche Aktionen hatte sie mehr als einmal getätigt, aus Angst, unwichtig zu sein, sich wertlos zu fühlen oder von einem Treppchen mit folgender Einsamkeit und Zurückweisung gestoßen zu werden. In ihr schrie Angst. Angst im Vergleich schlecht abzuschneiden und zu verlieren, gefolgt von Alleinsein und der Interpretation, sie hätte etwas falsch gemacht oder wäre jemandes Liebe nicht wert.
Jeder von uns wird das im Leben gelernt haben oder ist noch auf dem Weg dorthin: Was einem gut tut und was eben schlecht. Dass nicht alles passend gemacht werden kann oder sollte. Wie wichtig und wertvoll ein jeder ist, wie stark er sein kann und dass ein „Verlust“ keineswegs heißt, dass man einen geringeren Wert hätte. Wüsste das jeder, gäbe es weder Angst, noch Depressionen.
Auch Kampfgeld muss gezahlt werden
Ich war in meinem Leben oft genug an der Stelle, an der ich mich verglich, sowohl im Beruf, als auch in Beziehungen, und ich habe alle meine Schulden bezahlen müssen. Mein damaliger Perfektionismus gepaart mit dem Drang, alles zu 300% in maximal 5 Minuten machen zu können, klopft noch oft genug an mein inneres Türchen. Meine zurückgewonnenes Selbstvertrauen und der Wert, den ich mir als Mensch zuschreibe, bleibt zum Glück stärker, ganz gleich, was mein innerer Richter mir diktiert. Für mich ist Kampf um das Beste einfach nur noch Kampf. Anstrengung. Mühe. Ohne Garantie.
Allein dieser Blog und die Arbeit für Angstaufklärung und Selbsthilfe hat mich eines Besseren belehrt:
Ich habe gelernt, dass „In der Ruhe liegt die Kraft!“ wirklich bedeutet: Ruhe gibt Kraft. Nur so geht das Maximale auf maximale Zeit mit maximalem Gewinn, vor allem für einen selbst. Ich weiß natürlich, dass die heutige Arbeitswelt alles andere als prädestiniert für Ruhe ist. Mir ist bewusst, dass die Unternehmen und die immer leistungsorientierteren Menschen von Ruhe nichts hören wollen und nur auf Ergebnisse, Umsatz und Erfolg aus sind. Wir sind alle täglich mit Anpassung und Unterwürfigkeit, wenn es um Fremdansprüche in der Wirtschaft geht, konfrontiert. Doch es bleibt bei uns selbst, wie wir damit umgehen möchten, ob wir uns einreihen und zu einem Player werden oder uns darüber freuen, was wir beitragen, und um diesen Wert wissen.
Für mich bedeutet Erfolg heute, dass ich mich wohlfühle mit dem, was ich tue und wie ich es tue. Ich erlebe immer wieder am eigenen Leib, wie sehr mich zu hart gefasste Deadlines stressen, wie extrem belastend sich Gedanken um Anerkennung anfühlen und wie die Fehlinterpretation „Ablehnung“ durch ausbleibende Wertschätzung in meinem Kopf auftaucht. Ich versuche nicht länger, noch mehr zu tun, noch mehr zu kämpfen, um doch noch „besser“ zu werden.
Mein Fazit: Sei Dir etwas wert!
Ich habe erlebt, wie Perfektionismus und Erfolgsstreben Panikattacken und Angst hervorruft, wie wichtig Entschleunigen ist. Ich habe gelernt, wie mühselig es ist, sich aus Angst und Panik wieder herauszukämpfen, wie viel Schmerz und Leid es mir brachte. Alle Menschen besitzen den Wert, den sie sich selbst zuschreiben und erlauben; jeder Mensch bringt Talente mit sich, die irgendwann von irgendwem übertroffen werden (können). Sich deshalb krank arbeiten oder stets mit anderen Menschen vergleichen, leiden und über verlorene Kämpfe trauern? Ich würde mir wünschen, dass wir lernen, vor uns selbst Halt zu machen und die Handbremse zu ziehen, wenn wir aus Angst vor Versagen in Vergleichen über unsere Körper richten.
Denn schlagbar bedeutet keineswegs wertloser.
LG,
Eure Janett
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