On-Off-Beziehungen als Signal aktiver & passiver Beziehungsangst

Ein beinahe Gegenteil zur Verlustangst ist die Angst vor der Nähe, die sich oft in einer On-Off-Beziehung spiegelt. Dennoch können beide gleichzeitig auftreten, was sich in der Nähe-Distanz-Problematik (oft aktiver und passiver Beziehungsangst) in On-Off-Beziehungen deutlich zeigt. In diesem Fall fürchtet man bei zu viel Nähe einen Verlust kommen, weshalb man diese vermeidet. Deshalb hat man Schwierigkeiten, sich auf den Partner einzulassen. Einher damit geht also auch die Sorge um das, was man wert ist oder nicht wert ist, geben kann oder nicht, auch wenn es so aussieht, als wäre der Partner/die Partnerin der Grund zur Sorge.

 

On-Off-Beziehungen und die Angst vor der Nähe

In einer On-Off-Beziehung führen Paare eine wellenförmige, mal existente, dann wieder aufgelöste Partnerschaft. Bei kleinsten Streitigkeiten oder zu viel Nähe zieht sich einer der beiden zurück und vollzieht eine Trennung, meist ohne erkennbaren Grund oder frühzeitige Signale. Solche Partner mögen das Drama, sie lieben die Partnersuche, den Nervenkitzel und vor allem: das Gefühl, nicht gebunden zu sein, sondern frei, den Kampf ums Geliebtwerden und Gewinnen. Doch während sie diese Sehnsucht nach Abenteuer ausleben, verspüren sie genauso oft das Bedürfnis, in einer sicheren und harmonischen Beziehung zu sein. Dadurch ergeben sich wie in einem Graphen im Mathematikunterricht Wellen, die für mindestens einen Partner (meist Frauen) nur schwer ertragbar sind. Wer sich als Spielball fühlt und versucht, den Partner von sich, der Qualität der Liebe und Beziehung oder der Liebe an sich zu überzeugen, ist oft im passiven Angstschema verhaftet, während der Flüchtende, der Ungläubige und Misstrauende der aktive Angsttyp ist. Denn: Zieht sich der Partner/die Partnerin zurück, beginnt zwar derjenige sich sicherer zu fühlen, da die Angst abnimmt. Doch die Fantasien beginnen erneut und ein Teufelskreis setzt ein: Aus dem Off, in dem der Ängstliche sich sicherer fühlt, erwacht erneut der Anteil, der Nähe und Liebe wünscht. Das Lust auf das On wird aktiviert. So wiederholt sich ein- und dieselbe Erfahrung. Im On erschafft man immer und immer wieder, bei möglicher Nähe, eine Bedrohung, eine lauernde Gefahr, die erneut ins Off führt.

 

Woher kommt die Angst vor Nähe und Distanz in einer On-Off-Beziehung?

nähe und distanz in einer on-off-beziehung zeigen beziehungsangst, auch bindungsangst, genanntBetroffene, die unter der Angst eines Partners leiden, können sich die Beweggründe und Gedanken des distanzierten Partners anschauen:

Die Identität (Lebensgestaltung, Werte, Bedürfnisse, Zukunftsträume usw.) eines Menschen im On einer On-Off-Beziehung wird bedroht. Der aktive, ängstliche Partner projiziert auf den anderen Partner ein Monster, eine verschlingende Gestalt, um die eigene Autonomie zu schützen, sein Selbst zu schützen und nicht der Angst ausgesetzt zu sein, eventuell doch nicht zu genügen. Diese Bedrohung zeigt, dass die Menschen an einem wichtigen und charakterstärkenden Scheidepunkt sind, an dem sie einen weiteren Schritt gehen müssten: zu sich hin. Die Autorin und Psychoanalytikerin Verena Kast sagt, die Angst vor Nähe hätte viel „mit dem Drang zur Selbstständigkeit und der [Anmerkung von mir: gleichzeitigen] Angst davor“ zu tun, „die in jedem Menschen angelegt ist“.

Kast führt diese Angst vor Nähe darauf zurück, dass die Ich-Werdung im Laufe des Lebens zu wenig ausgeprägt worden ist oder unterbrochen wurde. Deshalb erscheint Nähe gefährlich, weil „das Wenige an eigenem Selbst, das man errungen hat“, wieder verloren gehen könnte. Verbunden damit trauen sich viele dennoch nicht, ihre Individuation fortzusetzen, denn das hieße, man müsse Trennungs- bzw. Loslösungsschritte wagen. Man sieht nur noch die Bedrohung, nicht aber das wahre Gesicht des Partners oder der Partnerin. Lieber bleibt man Single.

Menschen, die Angst vor Nähe haben, sind häufig auch Menschen, die in ihren Ansprüchen an ihren Partner übertreiben. Das kann sogar in Beziehungsgier, statt bloßer Beziehungssehnsucht, ausarten, weil „es doch endlich einmal klappen müsse“.

Was bei dem anderen als gefährlich erscheint, könnte man also auch an sich selbst erkennen. Das ist weniger dramatisch, als es klingt, weil es sich hier nur um einen Teil der Person handelt, der sich selbst außer Gefecht setzt. „Und so betrachtet, hätte die Angst vor Nähe einen tiefen Sinn, denn die Angst vor Nähe würde bewirken, dass er selber nicht diesen [Anmerkung von mir: den eigenen] gierigen, vampirhaften, aussaugenden Seiten verfällt.“ Das ist einer der Tipps, die Verena Kast in ihrem Buch “Vom Sinn der Angst” gibt.

Wir sprechen damit von der Angst vor Vereinigung bzw. Verschmelzung, der Ich-Aufgabe und der eigenen Identität. In Macht-Ohnmachts-Beziehungen, die wir als „Es ist kompliziert.“ bezeichnen, als „emotional übergriffig“ bzw. „einseitig“, in denen bewusst mit Angst, Nähe und Distanz gespielt wird, um die Kontrolle zu behalten, würden wir meist Partner finden, die beide sehr große Angst vor Nähe haben. Unsere eigene Angst vor Bestimmen- und Übergreifenwollen, den anderen zu manipulieren, findet sich auch in dem anderen Partner wieder. Es drückt beiderseitig die Angst aus, sich hinzugeben und eventuell zu verlieren.

Ganz besonders abwesende Personen würden Trennungsaggressionen fördern, so Kast. Sie strapazieren unsere Nerven und unseren Selbstwert. Wenn bereits zuvor solche zeitweiligen Trennungen vorgekommen sind, ist es wenig überraschend, dass eine erneute Abwesenheit, auch eines neues Partners, recht schnell dieselben negativen Verlustgedanken auslösen, die wiederum zu Angst wird: Die Nähe steht erneut in Verbindung mit einer drohender Trennung.

 

Anzeichen für Angst vor Nähe

Typisch für Angst vor Nähe sind folgende Anzeichen/Signale:

1) Plötzliches Unbehagen in der Gegenwart des Partners oder der Partnerin (körperliche Anwesenheit kaum mehr ertragen können, weil sie fürchten, nicht genug Raum zu bekommen oder gar atmen zu können)

2) Kritisieren, Herummäkeln und Abwerten, Bagatellisieren, Projizieren

3) Ekel-Gefühle und sich körperlich abgestoßen fühlen, keine Liebesgefühle mehr empfinden (Sie sind einfach “weg”.)

4) fluchtartiger Rückzug

Diese treten meist erst zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Beziehung auf, wenn es “zu nah, zu ge-bund-en” wird.

 

Aktive und passive Beziehungsangst

wieso gerate ich immer an den falschenSteven Carter und Julia Sokol unterscheiden in ihrem Buch „Nah und doch so fern“ zwischen aktiver und passiver Bindungsangst. Aktiv ist derjenige, der sich immer wieder trennt und wieder ankommt. Passiv ist derjenige, der sich darauf einlässt und sich eventuell nicht traut, es dem aktiven Part nachzumachen. Die Autoren sagen vor allem, dass passive Beziehungsangst entweder bereits am Anfang der negativen Beziehung vorhanden gewesen sei oder aber durch eine On-Off-Beziehung ausgelöst werde. Es gibt nicht nur den Partner, der Angst hat, sondern auch den anderen Partner, der entweder dieselbe Angst hat oder aber durch die schwierige On-Off-Beziehung entwickelt.

Aus meiner Erfahrung können besonders empathische und hochsensible Personen sowie Menschen mit suchtkranken Eltern/Angehörigen eine solche Dynamik (passiv/aktiv) entwickeln, die sich in ihrem Bindungsstil widerspiegelt. Sie sind besonders gefährdet, wenn es um Co-Abhängigkeiten geht. Diese Thematik und besonders ihre Entstehung bis hin zum Bindungsstil (der sich ändern kann!) ist sehr umfangreich. Deshalb verweise ich an dieser Stelle auf mein Buch “Du liebst mich oder doch nicht?” und auf meine Masterclass zum Thema Bindungsangst.

 

Aktive Bindungsangst finden wir zumeist bei Menschen, die

  • sich unendlich viel Mühe geben, uns zu “kriegen”, nur um uns dann wieder abzuweisen
  • zweischneidige Gefühle gegenüber Beziehungen haben bzw. offen aussprechen würden, dass diese ihnen Angst machen
  • an den einen “idealen” Partner glauben, der ihnen ihre Angst nimmt bzw. mildert
  • oft Distanz suchen, darauf bestehen
  • eine negative Einstellung zu Beziehungen haben und dadurch einem ehemaligen oder jetzigen Partner wehtun
  • Fehler und Gründe suchen, weswegen sie keine Beziehung wollen
  • ausweichen, je intensiver, näher und fester die Beziehung wird
  • häufig über bestimmte Aspekte entscheiden (Häufigkeit der Treffen, Dauer, Zeitpunkt, etc.)
  • sich sofort eingeengt fühlen, wenn jemand Ansprüche an sie hegen könnte oder hegt
  • die Erwartungshaltung des Partners mit allen Mitteln versuchen, so gering wie möglich zu halten (in dem sie im Vorfeld schon alles besprechen und den Takt bzw. die Richtung, das Ziel der Bekanntschaft/Beziehung, vorgeben)
  • schnell einen neuen Partner haben, wenn eine andere Beziehung zu Ende gegangen ist
  • meist sehr viel Raum und Zeit für sich brauchen und sich durch andere in ihrem Raum bedroht fühlen.

 

Passive Bindungsangst hingegen äußert sich bei Menschen, die

  • sich trotz der offensichtlichen Angst des anderen auf den- oder diejenige einlassen (wollen)
  • viel träumen bzw. an Ex-Partner denken oder Personen, die unerreichbar sind
  • sich häufig für Partner interessieren, die vergeben sind oder aber unpassend für sie selbst
  • sich eher für die Beziehung und um eine zu haben interessieren, als um den Menschen an sich
  • die Verbindung zu jemandem als intensiver empfinden, wenn der- oder diejenige nicht zu haben ist bzw. weit weg wohnt, als wenn die Person in der direkten Nähe wäre
  • “Durchschnittsbeziehungen” langweilig finden und sich eher für abenteuerliche und spannende Menschen interessieren, als für sicheren Halt in einer festen Bindung
  • gern das Verhalten des Partners ändern möchten
  • übermäßig lang an Zeit benötigen, um über das Ende einer Beziehung hinwegzukommen
  • an das Wunder, die eine große Liebe glauben
  • nichts unternehmen möchten, um Partner kennenzulernen, die auch geeignet und erreichbar wären
  • nicht an die natürliche Entwicklung von Gefühlen in einer Beziehung glauben wollen, sondern sofort alles sehen und fühlen möchten
  • meinen, schon am Anfang zu wissen, dass eine beginnende Beziehung “schiefgehen” wird.

 

Gleich und gleich gesellt sich gern: Aktive und Passive Beziehungsängstliche ziehen sich magisch an. Aber wieso?

Interessant ist, dass sich aktive und passive Menschen mit diesen Ängsten suchen – und finden. Gegenseitig zeigen sie sich ihre Ängste. Der passive Part beispielsweise braucht so keine Angst zu haben, eine Beziehung führen zu müssen und kann darauf vertrauen, dass der aktive Partner die Nähe und Beziehung meiden wird. So müssen sie selbst nichts unternehmen, um die Bindung abzubrechen oder zu kontrollieren. Leider sehen passive Beziehungsängstliche ihre Bindungsphobie oft nicht: Sie beharren stattdessen darauf, dass sie alles richtig täten und der andere Partner an allem Schuld sei und nicht lieben würde oder wollte. So wehren sie ihre eigene Angst ab, um sie nicht erkennen zu müssen. Aktive Beziehungsphobiker hingegen leiden oft unter ihrer Angst und sind sich ihr auch meist bewusst, wollen aber an ihrer eigentlichen Angst, zum Beispiel der Angst vor Nähe, vor Selbstverlust oder vor Trennung selten arbeiten bzw. verneinen diese oder machen ihre Angst von bestimmten Personen abhängig.

Laut Experten würden circa 50 Prozent der Menschen aktive Beziehungsvermeider kennen- und vielleicht lieben lernen, ohne selbst bindungsphobisch zu sein.

Doch verleugnen viele ihre Bindungsängste bzw. sind sich dieser nicht bewusst. Für Psychologen ist die Verleugnung ein unbewusster Abwehrmechanismus, der Ängste minimieren soll, in dem Schwierigkeiten und unerwüschte Impulse verneint werden. Menschen wehren Konflikte in ihrem Leben ab, sie nehmen sie erst gar nicht zur Kenntnis oder sagen schlicht, dass die Anwesenheit einer Angst oder eines Problem nicht stimmen würde. Das würde dem Schutz vor Schmerz dienen, so Carter und Sokol, besonders wenn er so groß wird, dass sie ihr alltägliches Leben nur noch beschränkt leben können. Auf der anderen Seite sei Verleugnung die sicherste Methode, um nichts ändern zu müssen und mit nichts konfrontiert zu sein. (Carter, Sokol in: Nah und doch so fern).

Diese Beziehungsdynamik lässt sich auflösen. Wie erfährst du hier:

Beziehungsangst wie du deinem betroffenen partner helfen kannst

 

Coach für Frauen und Männer bei Ängsten

Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein? (Identitätsbildung), dysfunktionale Familien (Mutter- und Vaterwunden), Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst, Trainerin für individuelle Meditationen und Tiefen-Entspannungstechniken. Anfragen und Beratungen >>

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