Wer Angst vor Prüfungen hat, hat meist mehr Angst vor der Be- und Verurteilung des Prüfers, als vor dem Stoff. Auch sind die eigenen Erwartungen an sich selbst meist zu hochgeschraubt, was wiederum Angst auslöst. In der Zeit vor der Prüfung gibt es, gerade wenn man mit dem Lehrer, dem Dozenten oder dem Prüfer nicht so grün ist, eine gute Methode, um sich in den Mittelpunkt zu rücken. Sie erlaubt außerdem, in festgefahrenen und unangenehmen Situationen den Rücken gerade zu machen und Kritik an dem Prüfer oder dem Lehrer zu üben. Heutzutage ist die Universität und die Schule ein Ort, an dem noch immer Gehorsam waltet. In meinen Augen nicht nur unangebracht, sondern auch nachhaltig beängstigend.
Nicht nur als Lehrer darf man Kritik üben, falls man bei seinen Schützlingen nachteilige Muster erkennt, die sie nicht (noch) tiefer in verankern sollen. Auch Schüler, Studenten und Lernende aller Art dürfen durchaus auf morgendliche oder allgemeine Launen, individuelle Ungerechtigkeiten, Übervorteilungen oder Benachteiligungen angemessen mit Kritik reagieren. Was früher die Eltern gemacht haben, gilt heute für einen selbst.
Wie man Kritik (nicht) übt, steht in Verbindung mit der Antwort auf die Frage: „Was will ich (nicht) erreichen?“, „Wozu soll meine Kritik dienen?“ Wie drückt man Gefühle und Ziele angemessen aus, ohne man übermütig oder arrogant dasteht? Wie erreicht man sein Ziel (mit dem Gegenüber)? „mit“, nicht gegen.
Indem man sich seiner Selbst und seiner Motivation dem anderen gegenüberklar und bewusst wird.
Ein wunderbares Instrument ist die Gewaltfreie Kommunikation. Es stammt von Marshall B. Rosenberg und möchte Folgendes erreichen:
„Es soll […] ermöglichen, so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationsfluss zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt. [und] kann […] sowohl bei der Kommunikation im Alltag als auch bei der friedlichen Konfliktlösung im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein.“ (Quelle: Wikipedia)
1. Beobachtung, 2. Gefühl, 3. Bedürfnis, 4. Bitte
Wenn ich a wahrnehme, dann fühle ich b, weil/obwohl ich eigentlich c brauche. Deshalb bitte ich dich jetzt um d. Bist du bereit dazu? Würdest du das tun?“
Ein Beispiel aus dem Lehrerbereich:
„Herr Müller? a) Wir lernen nun bereits seit sechs Stunden diese Theorien. Ich sehe, dass Sie noch immer Schwierigkeiten haben, die einzelnen Theorien auseinanderzuhalten, zu verstehen und anzuwenden. b) Ich fühle mich dabei unwohl, c) weil ich möchte, dass sich Ihr Verständnis und Ihre praktische Anwendung der einzelnen Theorien festigt, sodass Sie sie beruflich anwenden können. d) Dafür bitte ich Sie, mir Ihre Schwierigkeiten/Barrieren o.Ä. aufzeigen, im Detail. Würden Sie das bitte tun?“
Oder so:
„Frau Meisel? a) Ich beobachte seit Beginn des Sprachkurses, dass Sie die Hausaufgaben entweder gar nicht oder nur teilweise und oberflächlich kontrollieren. b) Ich bin deshalb sehr verunsichert, c) weil ich die Aufgaben und die Kontrollen für meinen Lernerfolg als wichtig erachte und unter Zeitdruck stehe, um in der Prüfung bestmöglich abzuschneiden. Ich brauche Ihr Feedback, um nicht das Gefühl zu bekommen, dass ich etwas nicht verstehe oder nicht behandele. d) Deshalb wollte ich Sie bitten, mir zu sagen, wie ich Feedback zu den Aufgaben bekommen kann.“
Ein Beispiel aus dem Lernerbereich:
„Liebe Frau Dozentin/Professorin. Sie haben uns letzte Woche in knapp 30 Minuten das Thema XYZ erläutert, anhand eines kleinen Beispiels und mehreren Übungsaufgaben. Die Zeit reichte für mich nicht aus, um das Thema verständlich zu erfassen, sodass ich mich sicher fühle. Ich bin sehr frustriert deswegen, weil ich weiß, dass XYZ in der Abschlussklausur thematisch behandelt wird. Deshalb würde ich Sie bitten, mir folgende Fragen nochmals zu beantworten: … Würden Sie das bitte tun?“
Das Feld der Gewaltfreien Kommunikation unterscheidet zwischen echten und unechten Gefühlen, wenn Bedürfnisse erfüllt sind, also echten Bedürfnissen und (un)echten Gefühlen. Welche das sind (hier ertappt man sich leicht selbst, denn schnell wird klar, dass man sich viele Gefühle nur einbildet/erdenkt), kann man auf der Website von Klaus Jürgen Becker als Gewaltfreie Kommunikation_Listen (.pdf) nachlesen.
Liebe Grüße
Janett
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