BEZIEHUNGSANGST

Du bist in Beziehungen immer unglücklich und fragst dich, wie du in Partnerschaften bei dir bleiben kannst anstatt sich in Beziehungen verlieren zu müssen? Die sogenannte Angst vor Selbstverlust hat mehrere Ausdrucksmöglichkeiten: Entweder macht sie die Menschen in Beziehungen passiv aggressiv, distanziert und nicht selten auch gefühlskalt. Es ist kein Herankommen mehr möglich. Oder die Partnerschaft wird zur Identität, eine Trennung zwischen den Partnern und dir als Mensch wird schwierig. Man verfällt dem Glauben, man müsse sich aufgeben, noch mehr geben, sich aufopfern oder ganz außer Acht lassen, damit die Beziehung und der Partner zufrieden und erhalten bleibt.

Über die Angst, sich in Beziehungen verlieren zu können

Die Angst, sich in Beziehungen verlieren zu können, ist ein Thema mit einem einfachen Hintergrund: In Wahrheit versucht man sich selbst zu erhalten, da die Angst vor der Trennung, die bei Angst vor Selbstverlust mitschwingt, größer ist. Die Trennungsangst ist in Wahrheit eine zweischneidige Angst 1) vor der Trennung von sich selbst und 2) vor der Trennung desanderen, weil man man selbst bleiben wollte (sich seinen Werten und Zielen treu blieb). Deshalb identifiziert man sich mit einer bestehenden Partnerschaft, da man sich ohne Beziehung nur halb fühlt. Besonders Frauen tendieren dazu, in Beziehung zu sein und zu bleiben, sich absolut zu fühlen, wenn sie einen Freund oder Ehemann haben. Neueste Erkenntnisse zeigen zudem, dass Männer öfter als Frauen Liebe brauchen und suchen. Nach gescheiterten Beziehungen brauchen sie nur eine kurze Zeit, statt x Jahre, um eine neue Herzensdame oder einen neuen Herzensmann zu finden. Wir sehen: Wir alle haben eine unterschiedlich ausgeprägte Angst, getrennt zu sein, und gleichsam allein und ggf. vermeintlich unliebenswert.

Wieso das so ist, haben viele Menschen als Frage. Die Antworten sind vielzählig. Hier einige zur Auswahl:

Ohne Partnerschaft empfindet man einen Mangel. Man fühlt sich unvollständig. Doch dies bringt einen erneuten Mangel mit sich, der bei einigen ungesunde Ausmaße findet: Entweder man riskiert, sich zu verlieren oder man geht das Risiko ein, die Beziehung/den Partner zu verlieren. Dieses Problem lässt viele Beziehungen scheitern. Denn beides ruft Trauer, Angst, Schuld und Scham hervor, birgt aber ein großes Potenzial an Charakterentwicklung.



Denn wer lernt, sich in Beziehungen nicht aufzugeben und sich nicht zu verlieren, der schafft eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die gleichberechtigt in allen Ansprüchen gelebt werden kann. Das benötigt Vertrauen, kleinere und anhaltende Erfolge, emotionale Sicherheit und Strategien, sich gegen die aufkommende Angst trotzdem durchzusetzen.

Warum einige sich in Beziehungen verlieren und klammern: Falsche Identitäten zeigen sich als Angst vor Trennung

die-angst-vor-trennung-birgt-haeufig-auch-die-angst-sich-in-beziehungen-verlieren-zu-koennenDie vermeintliche größere Hürde, nämlich die Trennung des anderen zu verhindern, indem man noch mehr tut, noch mehr gibt und sich noch mehr aufgibt, wird – so zeigte die Psychologie – wenig von Partnern wertgeschätzt, weil sie die Angst des anderen intuitiv spüren: Je mehr wir geben, desto selbstverständlicher und normaler wird es für den Partner. Er erkennt, dass der Partner sich in Beziehungen verlieren kann/möchte und wird reagieren (wie sei dahingestellt). Zusätzlich zeigen wir ihm, dass wir hinsichtlich seiner Aufmerksamkeit übermäßig hoch bedürftig sind. Wir beginnen zu klammern und zeigen, dass wir uns unerfüllt fühlen ohne den anderen. Wir engen dadurch denjenigen auch ein und beschränken sein Selbst, zwingen ihn dazu, es zu verlieren. Wir zeigen keine Eigenständigkeit, keine eigenen Freiräume oder gar Vertrauen. Wir zeigen Mangel: an Nähe zu uns selbst und suchen, statt nach Halt in uns, nach Verschmelzung, um den Halt im Außen zu festigen und so eine Trennung zu vermeiden.

Wenn der Partner/-in einen dann doch nicht mehr wahrnimmt, die Achtung gegenüber den eigenen Bedürfnissen nachlässt oder nicht dasselbe Interesse bekundet wie zuvor, wird Angst ausgelöst. Im schlimmsten Fall nimmt man sich selbst nicht mehr als Frau/Mann wahr. Man fühlt sich nicht in seinem Wesen erkannt und angenommen, sondern abgelehnt. Die kleinste Ablehnung könnte eine Selbstwertkrise auslösen und entsprechende Aggressionen auslösen. Typisch für Angst vor Selbstverlust sind folgende Sätze:

„Ich weiß, dass ich mir viel Mühe geben muss.“

„Du kennst mich nicht! Du liebst mich nicht!“

„Es ist meine Schuld!“

„Ich weiß, dass ich nicht genügen werde und du mich über kurz oder lang verlassen wirst.“

Die Liebe und Partnerschaft als Existenzberechtigung

Hierbei wird Liebe zum Garanten für Selbstwert, Aufwertung, Akzeptanz und Anerkennung. Die Beziehung und ihre Erhaltung werden zur Existenzberechtigung. Was hierbei oft weniger betrachtet wird, ist die eigene Sehnsucht danach, sich selbst als wunderbaren, ganzen Menschen zu betrachten, der liebenswert ist. Man begibt sich in eine Abhängigkeit zum Partner, die wiederum Angenommenwerden sichert.

Sehr interessant ist die These der Autorin und Psychoanalytikerin Verena Kast, die in ihrem Buch „Vom Sinn der Angst“ schreibt: „Viele Menschen reagieren auf dieses Gefühl des Unwertseins mit einer Depression. Wenn Menschen uns Schutz bieten [Anmerkung von mir: oder der Job, Besitz, Geld usw., für uns wichtige Werte] und wir diese […] verlieren, dann reagieren wir mit einer Panikstörung. Wenn ein Mensch uns aber den Selbstwert garantiert hat und wir diesen Menschen verlieren oder wir fantasieren, ihn zu verlieren, dann reagieren wir mit einer Depression.“

Das Vertrauen in sich wird zerstört, allein durch den Gedanken an den Verlust und die damit verbundenen Assoziationen. Wenn der Selbstwert nicht länger von außen bestätigt wird, fühlen sich Menschen mit Angst vor Selbstverlust klein und wertlos. Nach Kasts Meinung ist die Zeit der Prägung für diese Angst in den ersten sechs Monaten des Lebens anzusiedeln. Eventuell schwierige Beziehungsumstände zu den Bezugspersonen/Eltern können „eine gewisse Grundlabilität für einen vertrauensvollen Umgang mit der Welt“ säen. In ihren Augen sind beispielsweise Menschen, die anfällig für depressive Episoden sind oder häufig deprimiert sind, eher so, dass sie versuchen würden, noch Größeres zu leisten, um sich dann hoffentlich die ersehnte Liebe zu verdienen. Die später auftretende Trennungsaggression wird dann selten erlaubt und darf nicht zugelassen werden – man wendet sie dann gegen sich selbst, wertet sich ab und fühlt sich schuldig. Fühlt man sich einmal übersehen oder ignoriert, löst das panische Angst aus und alle Mechanismen zur Abwehr der Angst werden wieder mobilisiert, um die vorherigen, frühkindlichen, früheren Erfahrungen nicht erneut zu wiederholen.

Tipps bei Angst, sich in Beziehungen verlieren und aufgeben zu müssen

Er erscheint paradox, doch bei Angst vor Trennung in einer Partnerschaft häufiger allein zu sein, allein etwas zu unternehmen, sich allein als Person vollständig und sicher zu fühlen, auch ohne den Partner eine Beziehung zu sich selbst zu haben, ist heilsam. Das kann man Schritt für Schritt trainieren, indem man seine alten Hobbies wieder herausholt oder vernachlässigte Freundschaften aufleben lässt, sich eine neue Leidenschaft schafft oder das Instrument lernt, was man schon immer lernen wollte.



Viele Menschen kurieren ihre Angst vor Selbstverlust mit einem Seitensprung: Fremdgehen und Untreue ist eine typische Angst vor Selbstverlust. Lebt man etwas in seiner Persönlichkeit nicht aus bzw. ist gezwungen, es zu verheimlichen, kommt die Angst. Sie signalisiert: Bleib bei dir. Steh zu dir. Zur Not auch verdeckt. So wird die Grundlage für eine heimliche Affäre oder heimliche Beziehung geschaffen. Aber auch passiv-aggressive Partner können sich so ihr Verhalten erklären: Statt die Enttäuschung, Wut, Angst über unerfüllte Bedürfnisse auszusprechen und zu sich und seinen Bedürfnissen zu stehen, ja sie einzufordern, wird geschwiegen und heruntergeschluckt. Auch das wird zwangsläufig in einer Angst enden, die größer wird.

Trennungsangst

Trennungsängste

bezeichnen die Angst vor dem Verlassen (werden/sein bzw. selbst zu verlassen), was mit einer drohenden Einsamkeit und resultierender Trauer einhergeht. Das kann sowohl durch den Verlust des Partners geschehen oder aber durch neue, andere Interessen (auch an Menschen), die plötzlich im Partner aufkeimen, weswegen man sich verlassen fühlt.

Für Kast ist besonders der „Wert der Dauer“ bedrohlich: Beziehungen sollen andauern, dauerhaft Vertrauen und Sicherheit geben, „sodass man sich wirklich darauf einlassen und verlassen kann.“ Dies in Verbindung damit, dass wir etwas Dauerhaftes schaffen möchten, in dem wir „zusammen wachsen und zusammenwachsen“ wird dann bedrohlich, wenn die Beziehung endet und wir den Verlust dessen bedauern (müssen).

Trennungsängste und Beziehungsängste gehören zusammen.

Angst vor Nähe, Angst um die eigene (ausbleibende) Individuation (sich selbst entwickeln zu können/dürfen), sprich: die Angst vor Selbstverlust, spielen häufig eine große Rolle. Abhängigkeit (von jemandem abhängig zu sein oder aber dass der andere abhängig ist von einem selbst), sich selbst „untreu zu werden“, sich in der Beziehung aufzulösen: All das wird häufig gleichgesetzt mit „sich selbst zu verlassen“. Man müsse seine Ziele und Werte aufgeben, Opfer erbringen, sein Ich beschränken, es nicht frei leben dürfen – wegen dem Partner. Hier wären trennende Prozesse (nicht Beziehungsende, sondern Ablösen von der Angst, vom Klammern bzw. Orientieren am anderen) eine bedeutsame Wende für beide. Neu zu lernen, dass der Partner bliebe, auch wenn man sich weiterentwicklen würde, sich trauen, zu sich selbst zu stehen, auch wenn der Partner dies missbilligen könnte oder gar selbst die Trennung vollzieht: Das eine kann ohne das andere nicht fruchtbar werden. Man selbst bleibt verkümmert und verängstigt, insofern man sich den „Tod“ (einer Beziehung, eines alten Musters, alten Verhaltensweisen) nicht zutraut.




Selbstwert (sog. Selbstwertängste)

„…nicht gesehen zu werden oder den anderen Menschen nicht zu sehen […] selbst nicht um seiner selbst willen geliebt zu werden, nicht gut genug zu sein, besser sein zu müssen für einen Partner oder eine Partnerin“. (Kast)

Diese Angst davor, freiwillig oder unfreiwillig hörig zu werden, sein Leben dem anderen zu opfern oder ändern zu müssen, löst bei vielen heftige Abwehrmechanismen aus, die sehr häufig in Trennungsaggression münden. Dem zugrunde liegt erneut eine erzwungen ausbleibende Ich-Werdung, für die man einen Drang spürt.

Trennungsaggressionen

sind nichts anderes als Trennungsangst und werden laut Kast zum Beispiel durch ein Ungleichgewicht zwischen Nähe und Distanz, Symbiose und Individuation, der Beziehung und des eigenen Selbst, hervorgerufen. Geschieht zu viel Nähe, zu wenig Selbst, muss Distanz her. Geschieht diese Distanz nicht, wird die Nähe also noch mehr, die eigene Entwicklung und das Ausleben weniger und weniger, dann geschieht zumeist Trennung. Diese Trennung kann zum Beispiel ein plötzliches Interesse an einem anderen Partner sein oder sich schlichtweg in weniger Interesse am jetzigen Partner äußern. Laut Kast ist es so, dass es Menschen, die häufig durch so ein Hin und Her in Beziehungen gegangen sind, also vielleicht öfter lernen mussten, sich auf sich selbst zurückzubesinnen, leichter hätten, wenn tatsächlich Trennung erfolgt. Aber diejenigen, die sich immer mehr auf die Beziehungspflege konzentriert hätten, als auch auf sich selbst, die könnten es in der Trauerphase einer Trennung schwieriger haben.

Trennungsaggressionen können sich aber auch in Gleichgültigkeit oder einer scheinbar gleichgültigen Haltung ausdrücken. Wenn einem etwas oder jemand egal ist, dann hat man kein Interesse daran. Es führt dazu, dass man sich einen Panzer anlegt, wie Kast es nennt, und sich und den Partner in eine Isolation treibt, weil man nicht länger erreichbar sein will oder aber nicht mehr erreicht werden möchte. Es ist damit „nur“ eine andere Version der Angst, durch eine Beziehung seinen Selbstwert zu verlieren. Diese Gleichgültigkeit dient dann der vermeintlichen Möglichkeit, doch noch irgendwie mit seinem Ich zu überleben, deutet aber auf vorherige Kränkungen durch eine Person hin, „an dessen oder deren Akzeptanz uns liegt“ (Kast).

Kast bezeichnet Gleichgültigkeit als „die absolute und stärkste Rache in einer Beziehung, in der es ursprünglich um Bestätigung des Selbstwertgefühls ging. Ist nur einer der beiden gleichgültig, dann beginnt der andere Partner zu kämpfen und versucht etwa, ursprüngliche Erinnerungen emotional wieder zu beleben. Gerade das funktioniert bei Gleichgültigkeit allerdings nicht.“

Der gleichgültige Teil entwertet sich aber selbst, in dem er sich entzieht. Er fürchtet fälschlicherweise als ganzer Mensch mit seinem individuellen Ich abgelehnt zu werden und drückt eine extreme Angst vor Beziehung und Verlust aus. Sind zwei Menschen gleichgültig, so geht es ihnen primär „darum, zu sehen, wie weh man sich gegenseitig tut und wie schrecklich es eigentlich ist, dass man sich immer wieder wehtut.“ Aber auch eine Trennung würde eine weitere Kränkung nach sich ziehen, was den Selbstwert erneut schmälern würde. Laut Kast geht der Gleichgültigkeit meist eine Phase des Kämpfens voraus, in der die Verzweiflung des einen ignoriert wurde: „Nimm mich doch wahr! Sieh mich doch!“

Trennungen sind nützlich für einen selbst.

Andernfalls könnte man erkennen, dass man sich ausgeliefert fühlt, hilflos ohne den anderen, oder gar beides: hilflos ausgeliefert. Man beginnt zu klammern, wird aggressiver, unsicherer, ängstlicher und richtet die Trennungsaggression und seine eigene Angst gegen den Partner, anstatt sie für sich selbst zu nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Das alles erkennt man im Wust des Chaos selten, dennoch sagt Kast, dass genau das Sticheleien und Streitigkeiten auflösen könnte, und zur Ich-Werdung, wie es Fritz Riemann in „Grundformen der Angst“ oder Peter Schellenbaum in „Das Nein in der Liebe – Abgrenzung und Hingabe in der erotischen Beziehung“ nennt, führen könnte.

Beispiel einer Frau mit Trennungsangst

Ein klassisches Beispiel für Trennungsangst und –aggression führt Kast mit einer 38jährigen Frau an, die in ihrer Beziehung körperlich misshandelt wird. Als sie vor dem Schritt steht, sich aus der Beziehung lösen zu können, ihr greifbare und realistische Auswege aufgezeigt und angeboten werden, wehrt sie jede Ich-Werdung ab und behauptet, dass ihr Mann sie gar nie geschlagen hätte und man ihr nicht glauben solle. Ihre Angst vor Trennung kippt im Moment der Konfrontation in Panik um und sie beginnt, ihren Partner zu loben, zu idealisieren, und sich selbst als Frau/Mensch/Partnerin abzuwerten. Das alles tut sie, weil sie sich unfähig sieht, ihrem Partner ihr Nein entgegenzubringen oder einer anderen Meinung zu sein, aber sie braucht die Sicherheit, dass ihr Partner sie nie verlässt, weil sie sich selbst lieber ignoriert, anstatt zu werden, sich zu entwickeln, und sich loszulösen.

Unterstützung für Menschen mit bindungsängstlichen (Wunsch)Partner*innen

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