Die ganze Welt beschäftigt sich mit Strategien gegen Stress, weil wir ganzen Tag in Eile sind, unsere Aufgaben abzuarbeiten, während unser Leben selbst zu einer Pflicht wird: aufstehen, schnell duschen, anziehen, kurz etwas essen, den Kaffee oder Tee noch kurz trinken und dann schnell ins Büro oder die Kinder wegbringen. Schnell noch einen Kaffee machen, während der Rechner hochfährt, dann die E-Mails der Menschen, die etwas von uns wollen, beantworten, den Arbeitsplan einhalten, natürlich schneller als gedacht, um noch schnell etwas anderes zu erledigen. Nach der Arbeit nur kurz einkaufen gehen, eben was kochen und dann aber schnell ins Bett.
Schon die deutsche Alltagssprache macht vor, wie beschleunigt unser Leben ist und wie wenig Zeit wir uns nehmen (dürfen), um etwas zu erledigen. Wir müssen immer erreichbar sein, immer arbeiten, immer das Handy konsultieren, am Wochenende die beruflichen E-Mails checken, immer ans Telefon gehen, wenn es mal klingelt, immer alles auf Facebook checken und die Nachrichten konsumieren, immer alles schnell, schnell, schnell, weil schon das Nächste auf uns wartet. Was wir uns gönnen, ist kurz und zwischendrin, schnell „erledigt“. Falls wir es denn schaffen, NUR EINE Sache zu machen.
Geht ein Leben ohne Stress und gegen Stress?
Viele von uns versuchen Multi-Tasking (obwohl belegt ist, dass es schlecht für das Gehirn ist) und erledigen aufgrund eines eingebildeten Zeitmangels und/oder Fremdansprüchen mehrere Sachen gleichzeitig. Wie Susanne Lorenz in dem Artikel „Multitasking mit Vorsicht genießen“ schreibt, kann das vorübergehend zwar die Leistung steigern, würde aber langfristig unsere Leistungsfähigkeit senken, und krank machen.
Tatsache ist auch, dass Multi-Tasking und unser Gehirn Feinde sind. Unser Gehirn geht bei wichtigen Entscheidungen und Handlungen, die unsere volle Aufmerksamkeit bedürfen, sogar soweit, zu sagen: „Kann ich nicht! Also mache ich es nicht!“ Das belegen auch Studien, wie Prof. Dr. Torsten Schubert, der Humboldt-Universität Berlin beschreibt: „Überlappen sich Entscheidungsprozesse, verlängert sich die Bearbeitungszeit oder die Fehlerquote steigt.“ Entweder man kümmert sich um das Eine oder man erledigt das Andere.
Wie kann man noch gesund bleiben und sich in Entspannung üben statt in den Burnout zu rennen? Welche Möglichkeiten außer Schlaf helfen noch? Hier sind zwei der für mich besten und hilfreichsten Tipps, die eventuell auch für dich eine Hilfe sein können.
Gegen Stress im Gehirn
Unter Stress (genauso wie bei Panik) ist das Gehirn in Alarmbereitschaft und in einem Dauererregungszustand, ständig bereit zur Flucht oder zum Angriff. Je mehr Stress wir haben bzw. uns machen (lassen), desto mehr werden wir in einen Zustand der Angst gedrängt. Auf der anderen Seite: Würden wir uns Zeit lassen, hätten wir eventuell Angst, etwas nicht zu schaffen, hinterher zu hängen oder schlechter bzw. „langsamer“ zu sein als andere, sodass uns andere auch überholen könnten.
Die Bewusstseinsstufe des Stresses sollte aber die sein, bei der wir eingreifen und etwas ausrichten: für uns. Wer im Stress und in der Hektik NEIN bzw. STOPP sagt, schiebt seiner eigenen Beschleunigung den Riegel vor. Wenn Du selbst bewusst STOPP sagst und Dich zur laaaaaaaaaaaangssaaaaameennn Art und Weise ermahnst, wiederholt aufforderst, muss Dein Gehirn reagieren.
Falls Dein Gehirn gestresst ist und Dein Leben beschleunigt, müsstest Du beim Lesen des Wortes
laaaaaaaaaaaangssaaaaameennn
schon merken, wie Dein Gehirn auf das
laaaaaaaaaaaangssaaaaameeee
Simulieren meiner Aussprache reagiert.
Methode 1 gegen Stress: Der Boden der Tatsachen – Erdung
Eine andere Erkennungsmöglichkeit Deines Stresslevels ist nicht etwa ein Stresstest wie oben beschrieben oder gute Absichten für all den Sport und das Yoga, was Du in den kommenden Wochen erledigen willst, sondern der Boden in Deinem Wohn- oder Schlafzimmer oder meinetwegen auch Deines Büros. Es ist zu einfach, aber wahr und wirksam: Eine Methode, um Dich (im wahrsten Sinne des Wortes) herunterzuholen, ist, Dich auf den Boden zu legen, auf den Rücken, die Füße leicht geöffnet, die Arme mit den Handflächen auf dem Boden leicht neben dem Körper. Augen schließen, atmen.
Wer gestresst ist, wird sofort merken, wie die plötzlich erlaubte Ruhe des Körpers und der Stillstand positiv angenommen wird. Gestresste werden ein schweres Gefühl verspüren, als würden sie in den Boden sinken. Wer zusätzlich in den Bauch (bzw. ins Zwerchfell) atmet, anstatt der flachen, schnellen Atmung in die Lungen, verdoppelt den Effekt. Stellt sich beispielsweise Müdigkeit ein, ist das ein Zeichen für Schlafmangel. Stellt sich exessives Grübeln bzw. plötzlich aufkommende Gedankenballen ein, ist das ein Signal für „zu viel“ Kopf, zu viel Fremdes, zu wenig Eigenes. Bleibt das Anspannungsgefühl vorhanden, sollte man sich bewusst erlauben, jetzt loszulassen und den Moment zu nutzen.
Methode 2 gegen Stress: Sich erinnern – Sich erlauben
Affirmationen passen gut in solchen Momenten oder allgemein bei bleibendem Stress. Einige Beispiele, die man sich vorsagen kann (laut oder leise) sind:
- Ich darf mich ausruhen.
- Ich darf mich entspannen.
- Ich darf für mich da sein.
- Ich darf mir Zeit nehmen.
- Zeit. (ja, einfach nur „Zeit“ als Wort)
- Ich darf mich auf mich konzentrieren.
- Ich.
- Bin.
- Ganz.
- Entspannt.
Die letzten Affirmationen stammen aus dem Autogenen Training.
Grundsätzlich ist im Stress ein Kampf zwischen dem Inneren Richter (in Deinem Kopf) und Dir selbst am Ablaufen. Diese laute Stimme, die unentwegt fordert und ermahnt und Dich zum Weitermachen anspornt, kann in bestimmten Situationen Höchstleistungen mit Bestleistungen hervorbringen, sollte aber – wie das Multi-Tasking auch – nur im Maße genossen werden.
LG Janett
P. S.: Der BKK Dachverband hat sogar einen Stresstest und gleichermaßen ein eLearning Tool für Arbeitnehmer zur „Förderung Ihrer psychischen Gesundheit“ entwickelt, um uns anzuleiten, eigene Belastungen und mögliche Entlastungsfaktoren zu erkennen. Eine tolle Geste, aber in der Quintessenz heißt das auch: Wir sind unfähig, die Signale des Körpers bei Stress wahrzunehmen (oder trauen uns nicht) und haben trotz des Überangebotes an Yoga, Tai Chi, Reiki und Sport zu wenig Ent-Stress-ungsmöglichkeiten, die wir nutzen. Die Signale unsere Körpers bei Stress sind sehr leise. Wir müssen genaustens hinhören und achtsam sein, um rechtzeitig und immer eingreifen zu können. Welche Entspannungstechniken nutzt ihr?
Hallo liebe Janett,
danke für deinen schönen Artikel. Die Übung mit dem auf den Boden legen kannte ich noch nicht. Muss ich direkt mal ausprobieren. 😉 In meinem Büro lässt sich das nur leider nicht umsetzen, da ich so gut wie nie alleine bin.
Was mir dann immer in aktuen Stresssituationen hilft, ist, auf die Toilette zu gehen und dort „runterzukommen“ indem ich Achtsamkeit übe und bewusst in den Bauch ein- und ausatme.
Liebe Grüße
Daniela
Hallo liebe Daniela!
Schön, dass ich noch etwas hinzufügen konnte. Sich bewusst einen Ort zum „Herunterkommen“ zu suchen, hilft tatsächlich. Und sei es die Toilette oder der Notausgang. Da kann ich nur zustimmen 🙂
Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg beim Entspannen!
LG
Janett
Liebe Janett,
danke für den – wieder – hilfreichen Artikel. Ich lese deinen Blog heute zum ersten Mal.
Ich sage mir sehr oft, dass ich Dinge darf – im Gegensatz zum ständigen Müssen, das mich seit meiner Kindheit begleitet.
Auf den Boden legen kannte ich noch nicht, macht aber total Sinn. Meine Kolleginnen im Büro denken sowieso, dass ich schräg bin. Ich habe im Sommer trotz Jalousien vor dem PC eine Sonnenbrille getragen. Es war zu hell. Wenn ich mich jetzt auf den Biden lege, um mich zu erden, wundert es dort zumindest niemanden.
Liebe Grüße,
Christina