#8 Trauerbewältigung: Leben nach dem Tod eines geliebten Menschen

Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, fallen wir aus unserem gewohnten Leben in das tiefe Trauer-Loch. Wir stehen vor der Herausforderung, uns mit dem Tod und unserem eigenen Leben danach auseinandersetzen zu müssen. Gefühle zu verdrängen, kann langfristige Folgen haben. Deshalb ist eine achtsame und bewusste Trauerbewältigung so wichtig. Allein kann es schwerfallen, mit allen Gefühlen, die über einen hineinfallen, und Veränderungen im Leben umzugehen.

Ich habe deshalb für die 8. Episode des „Podcast der vergessenen Träume“ Marie Eck von Trosthafen eingeladen. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Liz hilft sie Trauernden, sich in ihrer Trauer begleiten zu lassen. Sie verlor selbst zwei ihrer Familienmitglieder und schaffte es, aus ihren Schicksalsschlägen für andere einen großen Nutzen zu machen.

 

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Takeaways

  1. Trauer ist individuell: Jeder Mensch trauert anders. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, mit Verlust umzugehen.
  2. Emotionen zulassen: Es ist wichtig, alle Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Schuld zuzulassen, um sie zu verarbeiten und nicht zu verdrängen.
  3. Rolle der Spiritualität: Spiritualität und Glaube können helfen, Kraft und Zuversicht in schweren Zeiten zu finden.
  4. Unterstützung suchen: Achtsame Trauerbegleitung und offene Kommunikation sind entscheidend, um mit Verlusten besser umgehen zu können.
  5. Verarbeitung ist wichtig: Verdrängte Trauer kann später zu körperlichen und emotionalen Beschwerden führen. Es ist nie zu spät, sich mit unverarbeiteten Gefühlen auseinanderzusetzen.
  6. Authentizität bewahren: Sich authentisch und ehrlich mit der eigenen Trauer auseinanderzusetzen, kann heilend wirken und zu einem besseren Umgang mit Verlust führen.
  7. Intuition folgen: Hör auf deine innere Stimme und gib dir den Raum, den du brauchst, um zu trauern und zu heilen.

 

zurück ins leben nach dem tod eines geliebten menschen

Marie Eck über achtsame Trauerbewältigung und Trauerbegleitung nach dem Tod eines geliebten Menschen

Janett: Herzlich willkommen zu einer neuen Podcast-Folge! Heute bei mir zu Gast ist Marie Eck. Marie ist Mitbegründerin von Trosthafen (Instagram: @trosthafen) und unterstützt Personen, die einen geliebten Menschen verloren haben, mit achtsamer Trauerbegleitung.

Marie: Vielen Dank, Janett, für die lieben Vorworte. Ich freue mich total, hier sein zu dürfen, denn das wird immer ein wichtiges Thema sein. Ich habe das Gefühl, dass es leider noch zu wenig Aufklärung im Bereich Trauer, Tod und Sterben gibt und deswegen haben wir uns dem Thema angenommen – ich und meine Freundin, Geschäftspartnerin und Mitbegleiterin.

 

Maries persönliche Reise durch Krankheit, Tod, Trauer und Verlust

Janett: Danke, dass du hier bist! Und bereit bist, über deine persönliche Geschichte zu sprechen. Möchtest du den Zuhörern erzählen, wie Trosthafen entstanden ist?

Marie: Ja, sehr gerne. Ich würde einmal zu meiner eigenen Geschichte ein bisschen ausholen, damit jeder verstehen kann, woher ich komme.

Es gab immer zwei ganz wichtige, eigentlich sogar die wichtigsten, Menschen in meinem Leben. Das waren meine Oma und meine Mutter. Meine Oma hat lange mit Krebsleukämie gelebt und hatte dadurch immer wieder schwierigere Phasen. Meine schlimmste Vorstellung war, dass meine Oma irgendwann stirbt. 2018 war es dann so weit. Wir konnten uns damals auf ihren Tod vorbereiten und zum Glück konnte mein Opa meine Oma nach ihrem Tod noch so lange im Sterbebett zu Hause behalten, wie es eben ging. So hatten wir einen wunderschönen, natürlich schmerzhaften Abschied. Das war mein erster Berührungspunkt mit dem Tod. Und dann ging das Leben irgendwie weiter. Ein Jahr später ist ganz plötzlich meine Mama gestorben, was mich in ein Loch von Trauer gestürzt hat. Ich habe dann versucht, einen Anker zu suchen.

Ein Jahr darauf habe ich eine Krebsdiagnose bekommen und bin einem Verein beigetreten, dem Eisvogel e.V. Dort habe ich gemerkt, ich möchte meine Schicksalsschläge nutzen, um anderen Menschen zu helfen. Ziel des Vereins ist es, andere Krebspatienten und -patientinnen zu begleiten. Doch ich habe relativ schnell gemerkt, ich möchte die Angehörigen begleiten, weil ich wusste, wie sehr es mir geholfen hat, zur Trauerbegleitung zu gehen. Ich habe dann damit begonnen, im Verein und auch privat Menschen zu begleiten. Dadurch habe ich auch Liz kennengelernt und es hat sich eine wunderschöne Freundschaft entwickelt.

Wir haben gemerkt, dass wir uns mehr mit diesem Thema beschäftigen wollen. Anfang dieses Jahres waren wir dann auf einem Event zum Thema kreatives Denken und wurden darin bestärkt, wie viel möglich ist und wie viel Bedarf es im Thema Trauer, Tod und Sterben gibt. So entstand der Entschluss: Wir möchten ein Trosthafen für Menschen sein, wo eine geliebte Person vorausgegangen ist. Sei es durch persönliche Begleitung, z.B. organisatorisch, wenn eine moderne Trauerfeier gewünscht ist – nicht jeder möchte eine Messe feiern. Wir planen außerdem mit einem ganz wunderbaren Reiseführer, den ich auf einer gemeinsamen Reise mit meiner Mama kennenlernte, eine Reise als Auszeit des Erlebten. Wir wollen Trost durch Angebote spenden, die in Zusammenarbeit mit Menschen entstehen, durch die wir unsere Ideen in die Tat umsetzen können.

Janett: Wunderbar. Alle vereinen. In geballter Kraft, um zu helfen. Fantastische und nötige Missionen. Wahnsinn, auch deine Geschichte. Es schien alles recht schnell hintereinander passiert zu sein. Was hatte dich in all der Zeit morgens aufstehen lassen?

Marie: Das ist eine sehr gute Frage. Ich hatte Zeiten, in denen das Aufstehen tatsächlich das Schlimmste war. Trauer ist so individuell und es gibt Menschen, die eher Probleme haben, abends einzuschlafen – aber ich hatte morgens das Problem, vor allem, nachdem meine Mama gestorben ist. Da ich erst zum Tod meiner Oma überhaupt das allererste Mal mit dem Thema Tod in Berührung kam, war alles noch sehr überwältigend für mich. Aber was mir tatsächlich geholfen hat, ist, dass ich durch Freunde – kurz bevor diese drei Sachen aufeinander folgten – auf Spiritualität aufmerksam geworden bin. Ich habe damals das Buch „Gespräche mit Gott“ gelesen, obwohl ich nie religiös war – ganz abgesehen davon, dass das Buch vorrangig den inneren Glauben behandelt. Und das hat mir insoweit geholfen, dass ich mir früh bewusst wurde, dass alles aus einem Grund passiert. Natürlich gibt es Stimmen, die sagen, man kann nicht alles damit begründen, dass alles aus einem Grund passiert und in manchen Situationen wäre das vielleicht auch nicht die richtige Rechtfertigung. Aber ich für meinen Teil habe zu meiner damaligen Trauerbegleitung gesagt: „Ich weiß, es gibt gerade irgendwas für mich zu lernen. Ich sehe zwar noch nicht was, aber ich möchte herausfinden, was es ist.“ Ich glaube, diese Neugierde hat mich weiter aufstehen lassen. Sie hat mir neue Kraft gegeben, aus der Situation heraus zu zoomen und das große Ganze zu sehen. Ich glaube, das ist erstmal so ein bisschen das, was mich in dem Moment hat funktionieren lassen.

 

Marie Eck achtsame Trauerbegleitung

Der Einfluss positiver Gedanken und Glaubenssätze auf die Emotionen während der Trauerbewältigung

Janett: Okay, verstehe. Gibt es etwas, das deine Mama oder Oma zu dir gesagt haben, dass dich durch den Tag hat kommen lassen? Oder hattest du selbst ein Mantra?

Marie: Ja, tatsächlich gibt es etwas, das meine Mutter schon als Kind zu mir gesagt hat. „Wenn du zu dir selbst sagst, du kannst das, dann kannst du das auch. Das Gleiche gilt für andersrum. Wenn du sagst, du kannst es nicht, dann wirst du es auch nicht können.“ Das habe ich irgendwann, auch in Kombination mit der Spiritualität, verstanden. Dass wirklich alles im Kopf beginnt und Gedanken so viel Macht haben. Das war etwas, was meine Mutter mir damals schon gesagt hat: „Du hast die Macht zu entscheiden, ob du es kannst.“ Und wie gesagt, ich hatte ganz schlimme Tage. Ich hatte wirklich das Gefühl, mir wurde das Herz aus der Brust gerissen. Und trotzdem war da dieser tiefe Glaube: „Ich kann das.“, dieser Glaube an mich selbst.

Ein anderer Spruch, der mir während eines Umzugs nach dem Tod meiner Mutter, in die Hände gefallen ist, ist: „Wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“ Dieser Spruch hat mich immer begleitet, vor allem in den Zeiten, die so schmerzhaft waren. Weil ich wusste, vieles geht aus meinen Gedanken hervor. Wenn ich mir bewusstmache, dass dieser Moment jetzt nicht für immer bleibt, dann geht auch dieser Moment vorbei und du wirst so lange weitermachen, bis es gut wird. Alles ist in Bewegung und wenn du leben möchtest, musst du dich weiterbewegen. Ich glaube, dieses Bewusstsein, dass alles in Bewegung und nichts statisch ist, ist hilfreich dabei, durch schwierige Zeiten zu kommen.

 

Trauer bewältigen Coach

Umgang mit Trauer: Tägliche Herausforderungen und Bewältigungsstrategien

Janett: Da stimme ich dir zu. Kannst du sagen, wie du mit der Frage: „Wie lebe ich ohne diese Person weiter?“, umgegangen bist, ohne den Schmerz zu verdrängen?

Marie: Gut, dass du das fragst! In so vielen Bereichen, vor allem beim Thema Trauer, geht es darum, alle Emotionen zuzulassen und nicht nur positiv zu denken. Emotionen haben einen Grund. Die Wut, die Verzweiflung. „Was mache ich jetzt ohne die Person? Was mache ich jetzt mit meiner Zukunft? Meine Mutter hat sich doch eigentlich auf die Enkel gefreut.“ Für mich war es ganz wichtig, mich hinzusetzen und das da sein zu lassen, was da sein möchte. Ich hatte damals Angst davor, genau das zu unterdrücken und die Trauer nicht verarbeiten zu können. Deshalb habe ich mir eine Trauerbegleitung gesucht. Die Emotionen tatsächlich zu betrachten, ist manchmal nicht so schlimm wie die Angst davor, die Wut oder den Schmerz zu fühlen, wenn man einfach mal den Kopf ausschaltet und in den Körper geht und einfach spürt. Wenn man das gemacht hat, liegt die Kunst darin, loszulassen. Da gibt es viele verschiedene Ansätze. Achtsamkeitsübungen, ein Spaziergang in der Natur. Zu spüren, loszulassen und das dann vielleicht sogar in Energie umzuwandeln für etwas, das man kreieren möchte. Und es muss ja nicht direkt etwas sein, wo man einen Freudentanz aufführt, aber zum Beispiel anzufangen zu malen oder zu schreiben – den Gefühlen einen Ausdruck zu geben. Das kann dabei helfen, die Gedankenspirale und die Angst, die wie gesagt meist viel größer ist als das tatsächliche Gefühl, zu kontrollieren. Andernfalls kommt der Körper in einen Überlebensmodus und schüttet ganz viel Stress aus und da wieder herauszukommen ist super schwierig. Es gibt so viele Methoden und Übungen, die ich gerne weiterempfehle. Und nicht jeder möchte Gedanken aufschreiben, sondern vielleicht auch Musik machen oder Ähnliches.

Janett: Ja und ich glaube, jeder hat auch andere Emotionen, die er herausfordernd findet. Einige Leute haben es schwer, mit dem Gefühl von Einsamkeit umzugehen. Andere haben Schwierigkeiten damit, Traurigkeit auszuhalten. Und wieder andere haben Schwierigkeiten damit, Wut zu spüren oder überhaupt zuzulassen. Ich glaube, da ist ja bestimmt auch jeder Mensch in der Art und Weise, wie sich Trauer zeigt, anders. Das kann klarer Spiegel dessen sein, womit man gut zurechtkommt, mental, und womit man nicht so gut zurechtkommt oder?

 

Jeder trauert anders: Der individuelle Charakter von Trauer

Marie: Total. Ich sehe immer mehr, wie individuell das ist. Mein Bruder und mein Vater sind beispielsweise ganz anders damit umgegangen. Die beiden haben es eher verdrängt und sich ins Arbeitsleben gestürzt. Wir haben nie zusammen getrauert. Ich hingegen brauchte es, begleitet zu werden. Und gleichzeitig bin ich eine genauso introvertierte Person, die sich ab und an zurückzieht und gern für sich alleine ist.

Ich kenne eine Frau, die ihren Partner verloren hat, sehr plötzlich. Sie ist beispielsweise eine eher extrovertierte Person und braucht Menschen sich herum. Sie trauert offen und weint auch offen. Da gibt es kein Gut oder Schlecht. Man sollte sich gegenüber ehrlich sein und sich fragen: „Was brauche ich, was tut mir tatsächlich gut?“ Und wenn es ist, jemanden anzurufen, der einfach zuhört, selbst wenn ich nur weine – dann sollte ich mich damit nicht schuldig fühlen.

Und oft kommen mit dem Verlust einer Person auch Dinge hoch, die zwar offen, aber verborgen waren – ungelöste Themen oder auch Erinnerungen. Man trauert ganz facettenreich. Die Frau, von der ich gerade erzählt habe – die ihren Partner verloren hat – sie redet viel über Erinnerungen an ihn. Dadurch kommt gute Stimmung auf, wenn sie an schöne und lustige Geschichten denkt. Trauer kann auch Phasen der Freude oder der Dankbarkeit beinhalten.

 

Tod eines Menschen verarbeiten

Die Bedeutung von Vergebung und Selbstreflexion bei Schuldgefühlen

Janett: Zweifelsohne. Schöne Erinnerungen, die einen emotional ein bisschen anders abholen können. Also beispielsweise aus der Angst oder aus der Traurigkeit herausholen können. Das ist natürlich ein guter Gegenpol. Wo wir gerade über Emotionen reden. Was sind denn deine Erfahrungen mit Menschen, die jemand verloren haben und dann sowas, wie Schuld oder Reue, spüren?

Marie: Vorab erstmal für jeden, der oder die das gerade hört oder liest: Es ist ganz, ganz normal, Gefühle der Reue, der Schuld und der Wut zu haben. Wir leben in einer Welt, wo wir nicht immer mit allen Themen offen und ehrlich umgegangen wird, selbst zu Lebzeiten. Das heißt, es gibt wahrscheinlich viele Menschen, die offene Themen mit Verstorbenen haben. Es ist total in Ordnung und man sollte sich nicht dafür verurteilen, wenn man diese Gefühle hat. Im Gegenteil, man sollte auch da hinschauen. Ich kenne das von mir selbst. Ich hatte Schuldgefühle, weil ich meine Mutter als Teenager zickig behandelt habe und ich das Gefühl hatte, mich nie richtig dafür entschuldigt zu haben.

Wie man damit umgeht, ist sehr individuell. Und hängt auch davon ab, ob man sich verabschieden konnte oder nicht. Wenn man sich nicht verabschieden konnte und Schuldgefühle, Reue oder Ähnliches empfindet, kann es helfen, sich hinzusetzen und aufzuschreiben, warum diese Gefühle da sind. Welche Erinnerungen habe ich? Woher kommt mein ungutes Gefühl? Man kann dann beispielsweise einen Brief an die verstorbene Person schreiben und sich für alles entschuldigen, was einem noch auf dem Herzen liegt und Vergebung bitten. Einmal alles aufzuschreiben, um es loslassen zu können und wenn man möchte, als Schlussworte im Brief auch tatsächlich zu schreiben: „Ich lasse los.“ Man kann den Brief dann zerreißen oder verbrennen, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

Mir persönlich hat das Schreiben sehr viel geholfen, weil die Gedanken aus dem Kopf rauskommen. Und es hat die Macht, mit sich selbst und auch der Person, an die der Brief gerichtet ist, nochmal in Verbindung zu treten. Das Gleiche kannst du auch mit dir selbst machen – einen Brief an dich selbst, indem du sagst, dass du dir vergibst. Vergebung ist, wie ich finde, ein ganz wichtiger Punkt. Und ich glaube, es kann ganz viel lösen. Man muss dabei natürlich nicht alleine sein. Falls tiefer greifende Emotionen hochkommen, ist es gut jemanden dabei zu haben. Jeder muss für sich gucken, inwieweit man gerade in der Lage dazu ist. Und ich habe noch andere schöne Dinge, die man ausprobieren kann. Das Schreiben ist so eine Sache, die ich gerne bei Emotionen, wie Schuldgefühlen, Reue und offenen Themen empfehle.

 

Phasen der Trauer

Langfristige Auswirkungen unverarbeiteter Trauer

Janett: Und nach meinem Empfinden – das ist meine ganz persönliche Meinung – gibt es dabei keinen Zeitstempel. Wenn ich mich anschaue, verloren habe ich meine Großmutter mit fünfeinhalb und erst mit 40 Jahren ging es los. Einfach, weil ich die Jahre zuvor nichts gespürt habe. Kannst du etwas zu der Wichtigkeit sagen, dass man verarbeitet?

Marie: Ich habe richtig Gänsehaut, weil ich das so wichtig finde. Es ist so gut, dass du das sagst. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit jemandem, die ihre Schwester verloren hat – dieses Wort „verloren“, das ist so drin, weil man es vom System so übernommen hat – aber Ihre Schwester ist vorausgegangen und sie hat das lange unterdrückt. Sie dachte, sie kommt klar damit und hat erst später gemerkt, dass da noch ganz viel offene Themen sind. Und genau das, was du beschreibst, kenne ich von anderen Personen so, so gut. Ich glaube, das geht so ein bisschen damit einher, wie bewusst man mit dem Thema umgeht, weil wir es nicht gewohnt sind, dass Trauer Platz haben darf. Das ist einer der Punkte, warum ich bei „Eisvogel e.V.“ eher für die Angehörigen da sein möchte. Die Personen wollen sich oft gar nicht selbst den Raum geben, Hilfe anzunehmen und den Schmerz anzuschauen.

Ich persönlich bin ein Energiemensch und glaube, dass alles aus Energie besteht. Selbst ein Gedanke, selbst unsere Emotionen. Und Energie kann nicht kaputt gemacht werden. Das heißt, wenn da Wut oder Schmerz ist und wir das unterdrücken, ist das nicht das, was der Schmerz will. Der Schmerz möchte uns sagen: „Das tut gerade richtig weh.“ Er möchte uns beschützen. Vielleicht davor, dass wir uns ablenken. Oder die Wut möchte uns zeigen, beschütze dich selbst. Was auch immer es sein mag, irgendein Zeichen sendet uns diese Emotion, um erlebt zu werden. Das zu unterdrücken kann eine Zeit lang, wie bei dir, funktionieren, aber nicht für immer. Ich glaube, je weiter wir das wegdrücken, desto mehr sucht es sich ein Ventil auf anderer Ebene – vielleicht auf körperlicher und dann entstehen Krankheiten. Deshalb rufe ich die Menschen dazu auf, achtsam zu werden und zu schauen, was für Beschwerden sie seit wann haben und woher sie kommen.

Natürlich ist es in der Zeit direkt nach dem Tod sehr schwer. Man muss die Bestattung und die Trauerfeier planen. Und wenn es gerade nicht anders geht, das eigene Leben weiterzuführen, ist Verdrängungen eine Zeit lang in Ordnung. Aber genauso wichtig ist es, Zeit und Raum für sich und die eigenen Emotionen einzuplanen.

Janett: Mir ist gerade eine Situation eingefallen, die mir bislang entfallen war. Jetzt, wo wir darüber sprechen, ist sie zurückgekommen. Vor ein paar Jahre saß ich meiner damaligen Hausärztin gegenüber – von der ich eigentlich immer eine sehr, sehr hohe Meinung hatte – und ich weiß noch, dass ich zu ihr sagte, damals verstarb mein Großvater: „Hier ist irgendwas nicht verarbeitet, mit dem Tod deiner Großmutter.“ Meine Hausärztin erwiderte daraufhin: „Aber das ist doch schon ewig her“ und ich weiß noch, dass ich dasaß und dachte: „Ja, und? Mein System reagiert JETZT.“ Sie kannte meine Krankengeschichte und meine psychische Verfassung. Den Tod meiner Großmutter habe ich damals vielleicht nicht verstanden, aber ich habe gesehen, dass alle um mich herum traurig waren und dass mich meine Großmutter nie wieder abgeholt hat. Für Menschen, die im jungen Alter jemanden verlieren, kann ich nur bestätigen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sich ungelöste Trauer auf anderen Ebenen zeigt.

Marie: Und es ist nie zu spät. Es ist nie zu spät, sich das anzuschauen. Also wenn das jetzt gerade jemand hört, dann ist das vielleicht dein Zeichen, dir das anzuschauen und nicht alleine damit zu bleiben. Du darfst dir den Raum nehmen. Ich finde es so schön, dass du offen darüber sprichst und das mit mir teilst. Und auch, dass du nicht weiter die Zeit verstreichen lässt, um es wegzudrücken. Wenn ich das richtig verstanden habe, war der Tod deines Opas der Impuls zu schauen, ob da noch was ist?

Janett: Ja. Und klar, ich musste meiner Hausärztin damals recht geben. Der Tod meiner Großmutter ist ewig lange her. Nur war ich zum damaligen Zeitpunkt schon lang genug auf meiner eigenen Heilungsreise, dass ich wusste, ich glaube nicht einfach allen Menschen, nur weil sie einen Doktortitel haben und Ärztin oder Arzt sind. Wenn ich merke, mit mir ist etwas, dann suche ich notfalls so lange jemanden, bis ich jemanden gefunden habe, der mich versteht. Ich glaube, wir können durch unser Umfeld stark darin beeinflusst werden, wie wir mit Dingen und unseren eigenen Emotionen umgehen. Das halte ich sowieso für prüfwürdig, an wem oder woran wir uns orientieren – gerade, wenn unser Körper uns etwas anderes meldet.

Vergangenen Donnerstag, am 20.06., ist eine Podcastfolge erschienen, nach der ich völlig fertig war. Mein Podcastgast, Magdalena Werner, möchte sich im Alter um ihre Großmutter kümmern. Das ist ihr Traum. Und ich konnte die Nacht vor der Aufnahme nicht schlafen. Ich sah aus wie der wandelnde Tod auf Latschen und erst im Nachhinein wurde mir bewusst, warum. Deshalb habe ich, je nachdem wie Systeme reagieren, manchmal das Gefühl, man sollte nur auf sich hören und sich jemanden suchen, der offen genug ist, anzunehmen, wie Systeme sind. Und sei es, wie bei mir, erst 37 Jahre später.

 

Die Kraft der Intuition und der Selbstfürsorge im Trauerprozess

Marie: Ich merke, wie wichtig es ist, dass wir zurück zur Intuition kommen. Dass wir lernen, auf unsere Intuition zu hören. Unser Körper und unser Leben geben uns so viele Zeichen, nur dass uns antrainiert wurde, uns in die Umgebung einzufügen, uns ihr anzupassen, sodass wir oft nicht dem folgen, was wir gerade wirklich brauchen. Und so vergehen eben mal 37 Jahre. Ich glaube, es ist ein lebenslanger Weg, zu lernen, dass man immer mehr auf sich selbst und die innere Stimme hört und die Intuition wahrnimmt. Das ist ein bisschen so, wie eine Wolkenwand. Unser Kopf ist voll mit irgendwelchen Gedanken und dann vergessen wir schnell darauf zu hören, was eigentlich gerade wirklich wichtig ist und was die Intuition sagt.

Janett: Ich habe definitiv lernen müssen oder bin noch immer mittendrin, jedes Mal von neuem daran zu regeln – wie eine Art Feintuning – wie ich reagiere, wenn ich traurig bin. Ich hoffe nicht, dass das ein lebenslanger Weg ist. Ich bin jetzt mal ganz ehrlich. Ich hoffe, das hört irgendwann auf.

Marie: Ich glaube beim Thema Trauer bleibt das ein Stück weit für immer. Aber wir lernen, besser damit umzugehen. Und so wird der Schmerz vielleicht etwas weniger, wenn wir lernen auf uns selbst zu hören und zu spüren, wenn etwas hochkommt und es so zuordnen zu können. Sich selbst die Zeit zu geben, einen Tag ohne Meetings einzubauen oder zu sagen: „Ich verschiebe etwas.“ Oder „Ich mache jetzt das wichtige Meeting und danach lege ich mich hin.“

Ich glaube, je mehr man auf sich selbst hört, desto mehr geht man in die Heilung. Und damit will ich nicht sagen, man ist krank, wenn man trauert, aber das Herz heilt ein Stück weit mehr. Und ich glaube, desto besser wirst du auch in Zukunft damit umgehen können oder desto weniger werden die Momente, wo es dich zerreißt.

Janett: Ich zum Beispiel, habe lange überlegt, ob ich die Podcastfolgen als Videopodcast rausbringe. Ich habe gemerkt, es ist nötig, dass ich aufhöre bestimmte Emotionen und Themen, auch in meiner Familie, zu verschweigen und dachte, okay, du siehst wirklich traurig aus, Janett – also ein Videopodcast. Ich dachte, das ist die Art und Weise, wie ich das würdige, ehre und wertschätze. Mein Großvater zum Beispiel, hat bis zum Schluss immer gewartet, bis seine Lebensgefährtin den Raum verlassen hat, bevor er von Oma sprach. Das war seine Art und Weise damit umzugehen, sie zu würdigen und mir mitzuteilen: „Sie ist immer noch da und ich liebe sie immer noch. Und ich will mit dir darüber reden. Ich will dir das sagen und zeigen.“ Das ist eine der schönsten Erinnerungen, die ich an ihn habe.

 

Tod eines geliebten Menschen und wie Trauerarbeit gelingt Phasen des Trauerns

Verlust und neue Partnerschaften: Offene Kommunikation als Schlüssel

Marie: Was natürlich auch für ihn in dem Moment sehr wertvoll war, weil er dir gegenüber authentisch sein konnte. Dass er es nicht verdrängen musste, sondern mit dir darüber reden konnte. Und das geht auch so ein bisschen zurück zu dem, was du zum Videopodcast gesagt hast. Dass wir uns mehr zugestehen, authentisch zu sein und mutig sind. Anfangs habe ich gar nicht offen über den Tod meiner Mama gesprochen und mittlerweile, seit meiner eigenen Krebserkrankung, rede ich so offen darüber, weil ich weiß, die Menschen brauchen das. Wir dürfen authentischer damit umgehen, wie das Leben wirklich spielt.

Janett: Absolut. Ich nehme an, mein Großvater hat das aus Rücksicht gemacht. Gleichzeitig zeigt es natürlich auch, dass er Redebedarf hatte, den er ganz offensichtlich in seiner Beziehung nicht ausleben konnte. Hast du einen Tipp, wie man mit solchen Situationen umgehen kann? Als Betroffener meine ich.

Marie: Ich glaube erstmal ist es ganz wichtig zu sehen, dass ein Partner, eine Partnerin oder auch ein Freund, eine Freundin nicht alles geben kann, was die Person braucht.

Mein Vater hat neu geheiratet und ich weiß nicht, wie sehr die beiden über meine Mama reden, aber auf der Hochzeit wurde kein Wort über meine Mutter gesprochen. Da habe ich spontan eine kleine Rede gehalten, weil ich dachte, das geht gar nicht. Für mich ist es so wichtig und ich finde es schön, Menschen in Gesprächen zu behalten.

Aber natürlich können wir nicht sehen, wie innerhalb der neuen Beziehung damit umgegangen wird. Ich glaube, als betroffene Person ist offene Kommunikation wichtig. Zu fragen: „Ist es in Ordnung für dich, dass du nur mir das erzählst oder würdest du das auch gerne anderen Menschen erzählen?“ Offene Kommunikation und die Frage: „Was brauchst du und wie kann ich dir helfen?“ Natürlich können wir jetzt annehmen, dass es deinem Opa gefehlt hat, mit seiner Partnerin über deine Oma zu sprechen. Vielleicht war es für ihn aber auch umso schöner, dass nur ihr beide das geteilt habt, dass es nur zwischen euch war.

Janett: Absolut. Ich habe es damals, wie gesagt, vor allem als Rücksicht empfunden, nicht als Eifersucht. Und man kann, wenn man jemanden verloren hat, ja immer noch Liebe empfinden für das, was man mit der Person hatte und mit jemand Neuem zusammen sein und diese Person auch lieben, aber eben für das, was diese Person ist. Von daher habe ich das nie als negativ empfunden. Es hat mir gezeigt, wie wertvoll es ist, Erinnerungen weiterzugeben. Was mir als Kind sehr geholfen hat.

Marie: Da gebe ich dir total recht. Ich glaube, mir hätte es auch sehr geholfen. Bei uns war das leider nicht so sehr der Fall. Wir waren alle eher zurückgezogen. Aber ich sehe es gerade bei einem anderen Teil der Familie, wo viel über eine Person, die verstorben ist, gesprochen wird und ich sehe, wie heilend das für die Betroffenen ist. Und wie schön ich das auch selbst finde. Ich habe damals versucht, anderweitig Verbindung zu meiner Mama aufzubauen, indem ich Orte besucht habe, an denen ich mit meiner Mama war. Und dadurch hat sich heute der Plan ergeben, etwas Neues zu kreieren, mit Unterstützung des damaligen Reiseführers. So werden nicht nur Geschichten erzählt, sondern es können Werte oder Charaktereigenschaften der verstorbenen Person an die Kinder, Nichten oder Neffen weitergegeben werden. So können wir Personen durch uns weiterleben lassen, zu einem bestimmten Teil zumindest.

 

Maries Traum

Janett: Hattest du damals einen Traum, der dich getragen hat?

Marie: (49:11.847) Ich hatte ganz lange den Traum, meine Mama wiederzusehen. Aber relativ schnell nach meiner eigenen Erkrankung hat sich das verändert. Mein Traum ist es, weiterzuleben und mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Ich will nicht für meine Mutter weiterleben, aber – es gibt ja generationsübergreifende Traumata – und ich habe das Gefühl, Themen lösen zu wollen, die vor ihrem Tod schon da waren, auch in meiner Familie und befreit leben zu können, meinen Wünschen und Träumen nachzugehen. Und einer dieser Träume war schon immer, auszuwandern. Und ich weiß, meine Mutter hätte das unterstützt. Meine Eltern haben mich immer dabei unterstützt, auf meine großen Reisen zu gehen. Meine Mutter hat mich auch immer besucht oder ist mit mir zusammen gereist. Und da ist dieses generelle Gefühl von: „Ich möchte noch mehr erleben.“ Es gibt noch so viel mehr zu sehen, kennenzulernen: sei es an Ländern, an Natur, an Menschen, Kulturen. Und ich glaube, das ist die tragende Kraft. Zu wissen, da ist ein kleiner Engel, der mich pusht, begleitet und stolz auf mich ist. Und mein Traum auszuwandern, der war schon immer da und ich glaube, es ist Zeit, dass ich es angehe, sodass es nicht nur ein Traum bleibt.

Wenn ich noch etwas hinzufügen darf: Generell ist es mein Wunsch, dass wir uns alle achtsamer begegnen, dass wir achtsamer mit uns selbst werden und authentischer leben können und unsere Träume verfolgen. Dass wir für uns selbst eine Welt schaffen, die zufriedener und ausgeglichener ist.

Janett: Genau das ist der Sinn dieses Podcast – das hast du schön zusammengefasst. Ich habe lernen müssen, meine Lebendigkeit wiederzufinden und mein Leben stärker zu ehren, also dass ich lebe. Auch, weil ich denke, dass meine Großmutter und auch mein Großvater enttäuscht von mir wären, wenn ich all die Möglichkeiten nicht ausschöpfen würde.

Marie: Ich glaube, das ist so eine hilfreiche Kraft, darüber nachzudenken, was würde – jetzt in deinem Fall – Opa sagen? Oder was würde Oma sagen? Worin würden sie mich bestärken? Und das vielleicht auch als Begleitung zu nehmen, als Wegweiser. Darauf können wir immer zurückgreifen, auch wenn die Umarmung nie mehr sein wird. Die innere Weisheit und Verbindung, die wir haben. Und die Liebe sowieso.

Janett: Ja, definitiv. Hast du für Menschen, die aktuell betroffen sind, etwas, das du ihnen anbieten kannst, wenn sie gerne mit dir zusammenarbeiten oder eure Zusammenarbeit für sich ausprobieren wollen oder euch näher kennenlernen möchten?

Marie: Ja, wir bieten ein Impulsgespräch an. Unser Trauer-Tagebuch ist schon in Produktion, aber wir haben gemerkt, die Menschen brauchen jetzt etwas und was genau sie brauchen, das ist so individuell. Jeder hat eine andere Situation und das Thema ist so sensibel und persönlich, dass wir dazu aufrufen: Bleib nicht allein damit. Wenn du magst, dann kontaktiere uns. Du gelangst über einen Link auf unserem Instagram-Kanal zu Linktree und kannst so per Calendly einen Termin für ein Impulsgespräch buchen. Wir machen keine therapeutische Begleitung, aber wir können darüber reden, wie wir dich begleiten können.

Janett: Sehr schönes Angebot. Und als Add-on: Ich habe jemanden in meinem Team, der therapeutisch begleitet. Also sollte hier jemand zu hören oder lesen, der sagt, ich brauche beides, einfach bei uns beiden melden. Es wird alles verlinkt. Danke Marie, dass du das hier anbietest. Und ich danke dir von Herzen, dass du über deine persönliche Geschichte gesprochen hast. Euren Trosthafen werde ich auch verlinken.

Marie: Und vielleicht noch für die, die kein Instagram haben und das trotzdem hören oder lesen, man kann uns natürlich auch eine E-Mail schreiben an:

tr********@gm***.com











. Vielen, vielen Dank Janett, dass du diesem wichtigen Thema Gehör und eine Plattform gibst. Danke.

 

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Stell dir vor, du wüsstest binnen von 2-3 Dates, wer für dich gemacht ist und wer nicht. Selbst auf Manipulationen wüsstest du zu reagieren – integer und angstfrei.

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Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Schattenarbeiterin, Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein?, Mutter- und Vaterwunden, Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst. Anfragen und Beratungen >>

 

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