Letztens rief mich jemand an und wollte eine Lösung für ein Problem, dass in meinen Augen gar keines war. Auch nicht in ihren, aber jemand anderes hatte sie angerufen und seinen Unmut und seine Angst an ihr ausgelassen. Damit sie keine Angst haben musste, nicht Schuld sein und die Verantwortung tragen musste, suggerierte sie mir, dass ich die Verantwortung tragen müsse, sonst sei ich Schuld. Unser Telefonat endete mit diesen Worten:
„Aber Frau Menzel, das wollen Sie doch niemandem zumuten, oder?“ (im Tonfall eines höhnischen Lachens mit besserwisserischer Miene und arrogantem Nicken)
Die kleine, hinterlistige Stimme in mir, die definitiv vom Teufelchen auf meiner Schulter kommt, murmelte:
„Jetzt erst recht!“ Denn die einzige Zumutung in meinen Augen war das Telefonat in dem Tonfall und der zwischen-den-Zeilen-Unfähigkeit, „Probleme“ anders zu lösen, als mit Angstgehasche.
Ich habe ja bereits im letzten Post zum Thema Empathie: Ist es deine Angst oder die eines anderen? darüber geschrieben, dass besonders Menschen, die liebevoll sind oder gelernt haben, es zu sein, andere erst einmal wichtiger zu nehmen, als sich selbst oder sich gar in Situationen befinden, in denen sie sich fügen müssen, auch anfällig sind, die Angst anderer in sich zu bunkern.
Aber was nützt sie uns?
Nichts. Kann also weg. Am besten zurück zum Eigentümer.
Nun mal Budder bei de Fische: Ist emotionale Gewalt oder passive Aggression denn wirklich so schlimm?
In meinen Augen, ja. Verbale, besonders aber emotionale und passiv-aggressive Gewalt ist das Schlimmste, das man seinen Mitmenschen antun kann. Es erinnert an ungesund narzisstische Merkmale, die einen jeden Menschen gegen seinen Willen die Gefühle anderer aufzwingt, während man aufgefordert ist, sein Wissen und seine Gefühle hinten anzustellen. Weil sie demjenigen nichts bedeuten und man selbst damit unbedeutend sei, in seinen Augen.
So machen das Energieräuber und die Gruppen, die im Internet allgemeinhin als Narzissten bezeichnet werden. Und viele unserer Mitmenschen geraten tatsächlich in ein ungesundes narzisstisches Lebensgefüge, in denen sie Vieles an anderen auslassen, um ihre Ziele zu verwirklichen. Auf die böse Art, meine ich. Als sei es, das Normalste und Legitimste der Welt.
Wir spulen zurück.
Deine Gefühle bedeuten sehr wohl etwas. Sie sollten nicht alles auf der Welt bedeuten, aber genug, um manipulative Gespräche und Situationen mit den etwas eigensinnigen Mitmenschen gekonnt zu meistern. So, dass es DIR gut geht. DU sollst nachts – trotz der Angst anderer – gut schlafen können. DU sollst dich entspannen und in dir ruhen dürfen. DU musst dich selbst stärken und weitestgehend stressfrei und angstfrei, meint resilient, sein dürfen, um anderen helfen zu können, ohne dir selbst zu schaden.
Mein Teufelchen bittet um folgenden Zusatz: Statt den Gefühlsdreck anderer Leute zu entsorgen und dir dabei noch die Finger schmutzig zu machen.
Denn das ist es: Die Gefühle der anderen, für die du die Verantwortung übernehmen würdest.
Die einzige Zumutung ist die Forderung der anderen
Ich hatte mein ganzes Leben lang damit zu tun, Abwehrtaktiken gegen Menschen und ihre Bedürfnisse zu finden – wie gesagt, nicht die guten, die gegenseitig waren, sondern die, die mich ausnutzten und den anderen einseitig befriedigten. Während es mich benachteiligt zurückließ. Ich beschäftigte mich also schon lang mit Möglichkeiten, wie man Menschen nett, aber bestimmt, schuld- und schamfrei sowie erwachsen wissen lässt, dass sie sich gerade etwas zu ernst nehmen oder gar unmöglich benehmen oder Unmögliches von mir erwarten und verlangen.
Meine Wut kam (und kommt noch) immer an dem Punkt zum Kochen, an dem ich merke, derjenige meint wirklich, ER sei wichtiger. Da findet ein Vergleich statt und ohne, dass man versteht, wieso,schneidet man schlecht ab. Du weißt schon, der Moment, indem es völlig nebensächlich wird, welche Argumente oder Gründe oder Sichtweisen du hast. Der Moment, indem du mit dem, was du bist, geleistet hast, fühlst, gibst usw. schlichtweg bedeutungslos wirst.
Bei mir spult sich danach mind. 30 Minuten eine heftige, verkopfte Spirale ab, in der mir alle möglichen Gedanken und Reaktionen einfallen, die ich nicht mehr sagen kann, weil der Moment eben vorbei ist. Dabei war ich ziemlich stolz auf meine Reaktion: „Das sind doch alle erwachsene Menschen. Niemandem wird irgendein Schaden zugefügt.“ Danach würgte mich die Dame ab, weil sie merkte, dass ich nicht so flockig sie-orientiert „Juchhu!“ schrie, sondern ihre Gedanken als Vorschlag betrachtete, der erörterungswürdig war.
Aber: Gepaart mit unechter Freundlichkeit, die mich vermuten ließ, dass ihre eigentlichen Gefühle mir gegenüber nicht so gut gemeint sind, war mein Teufelchen danach viel zu lange wütend. Jede einzelne Minute war eine Minute zu viel. Denn es sind meine Lebensminuten und indem ich jemanden die Erlaubnis gebe, mich aufzuregen, vergeude ich meine wertvolle Lebenszeit oder denke mich in Rage, früher sogar bis hin zu Panikattacken mit Verdauungsstörungen, Spannungskopfschmerzen und Agoraphobie.
Heute weiß ich natürlich: Diese Gedanken vergehen wieder.
Doch: Was tun, wenn die Römer spinnen?
Man sollte meinen, derjenige würde irgendwann reflektieren und bemerken: „Mist, war ein Fehler. Derjenige war gar nicht schuld an meinen Gefühlen.“ Aber was ist, wenn sie nicht reflektieren, sondern denken:
„Du hast die Schuld, wenn du dich nicht fügst. An mir liegt das nicht!“
Dann brauchen wir einen Weg, der anfangs etwas holprig sein könnte, viel Standhaftigkeit und Durchsetzungsvermögen (ohne Rechtfertigunngen!) benötigt und – nun ja, ich gebe es zu – nicht ganz so gruppenwohlorientiert ist.
Übersetzung der meist gesehensten, ärgerlichsten Merkmale spinnender Römern
1. Emotionale Erpressung, Vorwürfe und Schuldverteilung
Ziel: Schuld, Scham, Traurigkeit, eigene Überlegenheit und Abwehr eigener Angst sowie Gefügigmachen im Sinne einer Erziehung zu fremden Werten
Waffe: Aufforderung zur freiwilligen Anpassung, sonst droht Angst vor Versagen/Schuld/Trennung/Liebesentzug (oder wird sogar durchgezogen)
Barocke, längst redundante, elterliche Erziehungstaktiken im Sinne von „Wenn du das nicht tust, dann…“ (…bist du ein ungezogenes Kind und ich habe dich nicht mehr lieb, zeige es auch nicht und darf dich wegen deinem Fehler auch noch schlecht behandeln!). Unglaublich verletzend. Umso wichtiger erscheint es mir, darauf hinzuweisen, solche Taktiken zu durchschauen und zu erkennen: Es liegt am Gegenüber und du darfst dich zurücklehnen.
Zur Dame von neulich: Ich hatte niemandem etwas zugemutet. Für mich war es normal. Aber SIE unterstellte mir, dass ICH jemandem (oder in diesem Fall sehr vielen) etwas Unzumutbares zumuten würde.Dabei war es ihre Interpretation. Sie hatte Angst vor Angriffen anderer und fürchtete, sich nicht durchsetzen zu können, zu versagen, nicht zu genügen in den Augen eines anderen, keine Anerkennung zu erhalten, weil sie nicht für Anpassung sorgen konnte.
Andere Taktiken wäre die Erpressung mit Geld, Schuldfälligkeit (Das und das habe ich alles für dich getan!), Drohung mit angstauslösenden Konsequenzen wie Trennung, Streit, unvorhergesehenen Katastrophen und vor allem: Traurigkeit und Scham aufgrund von Versagen. (Man sei eben selbst Schuld, weil man es dem anderen nicht rechtgemacht hat.) Das sei die Strafe dafür, dass du an dem Selbstwert des Menschen gerüttelt hast oder ihm seine eigene Angst aufgezeigt hast.
2. Selbstgerechtigkeit und Grenzenlosigkeit
Ziel: Sich nicht schlecht und schuldig, sondern liebenswert, erhaben und brauchbar fühlen.
Waffe: Sich und seine Werte/Ziele/Bedürfnisse aufdrängen anstatt als individuell zu betrachten, Ignoranz anderer Ansichten, lieber Leid für andere als für einen selbst, hinter dem Rücken schlecht reden und es allen kundtun.
Sie haben immer Recht. Sie dürfen auch alles. Sie kennen keine Grenzen (,außer ihren eigenen). Sie (und du) taugen in ihren Augen nur dann etwas, wenn du tust, was sie wollen. Oder sie finden jemand anderen, der das erledigt. In dem Fall bist trotzdem Schuld, weil du es ihnen so schwer gemacht hast und dich erdreistet hast, Vernunft oder deine Ansichten wichtiger zu nehmen, als ihre Gefühle und Ziele.
Hier geht es immer darum, dass die Person sich nicht zutraut, in Konflikten einen Standpunkt zu haben, den es zu vertreten gilt, nicht in Gesprächen zu „verlieren“, Fehler zu haben oder Lösungskompetenz zu entwickeln. Das Miteinander spielt nur eine Rolle, wenn derjenige erhält, was er sich wünschte. Die Ziele sind in vielen Fällen sogar recht üblich: Harmonie, Frieden, Freundlichkeit, wenige bis gar keine Auseinandersetzungen und gar keine Kompromisse auf eigener Seite, sonst droht erneut das ungute, ungeliebte Gefühl.
3. Selbstgefälligkeit
Ziel: Sich nicht nicht zu mögen, nicht mit eigenen Fehlern konfrontiert werden, nicht darüber nachdenken zu müssen, nicht seine Welt infragestellen müssen (sonst droht der Moment, in dem man eventuell ein, zwei Sachen feststellen würde, die nicht so effektiv sind).
Waffe: Andere, gegenteilige Ansichten sind per se unzulänglich, irreführend, unvernünftig, egoistisch, weltfremd, bedeutungslos und vor allem: falsch. Damit wird dir das Gefühl gegeben, du seiest falsch. Deine Ansichten würden nicht stimmen.
Sie tun das nur, weil sie glauben, dass es SO richtig sei. Für sie. Mitunter vielleicht auch für jemand anderen, aber hauptsächlich und ausschlaggebend für SIE. Preis: egal. Nur ihre eventuelle Verletzung zählt. Währung: Verachtung. Sie verachten einen, weil sie glauben, wir würden sie ablehnen, da sie abzulehnen seien. Um nicht in den Kreislauf der eigenen Schuld, Scham und Angst zu geraten, drehen sie den Spieß einfach um.
Logische Sache und sehr verständlich für mich. Nur entschuldigt es leider in manchen Fällen wenig bis gar nichts. Gefallen tun sie sich nur dann, wenn andere sie zufriedenstellen, anstatt infragezustellen. Alles ist persönlich und ein Angriff des Selbst. Nichts ist sachlich. Geschieht das Erwünschte nicht (und sei es auch aus den vernünftigsten Gründen), hört die Welt für einen Moment auf, sich zu drehen.
Die vermeintliche Arroganz ist in Wahrheit eine Ablenkung von ihrer eigenen Angst, bedeutungslos und ungeliebt zu sein.
Das zu wissen, ist gut und kann hilfreich sein, wenn dich (oder mich) das nächste Mal jemand angreift oder anpflaumt…
Eigene Rezeptur gegen Ärger & Frust
Fließendes Wasser, Baden oder Duschen. Spazierengehen in der Natur. Gutes, frisches, natürliches Essen ohne Fleisch oder Konservierungs-, Farb-, Propyl-, Emulgatoren-Zusätze. Ein guter Film mit starken, bodenständigen Figuren. Lieblingslied anmachen. Mitsingen.
Und dieser eine Satz: Es tut mir leid, aber deine Gefühle haben nur etwas mit dir zu tun.
Liebe Grüße,
Janett
Echt guter Beitrag, den Sie da gepostet haben.