Die wenigsten Menschen mit Panikattacken wissen, dass das Wort Panik vom Gott Pan und seiner Wut, die oftmals in Panik endete, stammt. Laut griechischer Mythologie ist Pan der Gott der Natur, Tiere und Hirten. Lass uns etwas tiefer in seine Geschichte eintauchen und entdecke mit mir, was Menschen, die unter Panik leiden, vom Gott Pan lernen können.
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Pan & Panikattacken: Über seine Geschichte
Pan (wie in PANik) war von seiner Natur her sehr gutartig und wohlwollend. Halb Mensch (Oberkörper) und halb Ziegenbock/Widder (Unterkörper) wird sich erzählt, in einer möglichen Abstammungsgeschichte, seine Mutter hätte sich beim Anblick seiner Ziegenfüße so erschrocken, dass sie ihn loswerden wollte und er deshalb in den Olymp gebracht wurde, in dem man ihn nicht wollte. Eine andere Geschichte besagt, seine Mutter wäre selbst eine Himmelsziege namens „Aix“ gewesen. Zu seiner möglichen Abstammung existieren zahlreiche Erzählungen.
Einig sind sich die Abstammungsgeschichten bei Pans Charakter: Pan wurde von vielen Hirten vergöttert, weil er ihre Herden schützte und über die Natur wachte. Ihre Verehrung ging so weit, dass sie ihm sogar Opfer darbrachten. Doch sie fürchteten seinen Anblick. Pan mochte die Menschen hingegen sehr: Abends gab er gesellige Feste mit Speis und Trank, schöner Musik und ausgelassenem Tanz. Er hatte einen Heidenspaß daran, Menschen zu unterhalten, zum Beispiel mit seiner Flöte (daher auch Panflöte). Er war ein frohmütiger und geselliger Charakter, der soziale, ausgeglichen harmonische und gegenseitige Verbindungen schätzte. Deswegen, und um sich wieder aufzuladen, brauchte er seine ausgeprägte Ruhe zur Mittagszeit: Wurde er währenddessen von kläffenden Hirtenhunden oder blökenden Schafen bzw. den Hirten selbst gestört, war man lieber woanders. Er versetzte nämlich die Herden in Angst und Schrecken und scheuchte sie in Massen auf (daher stammt auch die Massenflucht = Panik). Vorbei war es dann mit dem sonst gewährten Schutz und liebenswürdigen Charakter.
Pan im Vergleich zu Menschen mit Panikattacken: Bedürfnisse und Grenzverletzungen
Pan war anders: Er sah am Oberkörper aus wie ein Mensch, aber er hatte etwas Tierisches an sich. Das Animalische seiner Natur mag seine wilde und natürliche Seite symbolisieren. Immerhin war er auch für seine Wollust bekannt. Gleichzeitig zeigt sie, dass er nicht so war, noch sein konnte, wie andere ihn wollten. Er passte eben mit seinem Sein nicht in die bekannten Gefüge. Er wäre überall aufgefallen. Er war besonders – so besonders, dass er einen eigenen Sinn in die Welt trug und für Hirten schuf. Der Sinn war ein mächtiger und wichtiger, beschützte er doch sowohl Menschen als auch Tiere und sorgte für Gleichgewicht im Sozialen und Natürlichen. Er hätte nicht so mächtig werden können, wenn er sich selbst für seine Merkmale abgestempelt hätte oder sich aufgrund einer gesellschaftlichen Ansicht versucht hätte, ein- und anzupassen. Stattdessen wuchs er über sich hinaus und lebte sowohl seine menschliche als auch animalische Seite aus. Diese wiederum bestand aus einem Gleichgewicht aus Mensch und Tier, vom Wesen her sowohl gefügig und leistungsstark als auch unbändig, frei, ausgelassen und unangepasst.
Er mochte es, gemocht zu werden. Er war gern Gastgeber und ein sehr guter dazu. Er wollte, dass es allen gutgeht und tat viel dafür. Doch wer ihn und das, was er vermochte, ausnutzte oder seine Taten nicht wertschätzte, zog seinen Groll auf sich. Er wusste um seinen Wert und Abwertung oder Obrigkeitshörigkeit (besonders die selbst ernannte anderer) waren ihm zuwider. Wer ihn kleinmachen oder -halten wollte, bekam es mit seiner wahren Größe zu tun. Weder Mensch noch Tier, weder klein noch groß, weder schwach noch stark, wog er gegeneinander auf. In seinen Augen – immerhin stand er Symbol dafür – waren alle gleichwertig. Alle verdienten es, dass sie wie würdige Lebewesen angemessen und mit Respekt behandelt wurden – besonders für ihre Taten. Vor allem verdienten es alle – er voran – dass das Leben genossen werden durfte. Er sorgte immerhin für Schutz genug und nahm den Hirten ihre Angst um ihre Herden.
Auch Pan erledigte das nicht mit einem Fingerschnippen. Er benötigte seine Ruhe und Pausen, um sich aufzuladen und gleichzeitig abzugrenzen. Er verdiente es, sich zurücklehnen und entspannen zu dürfen, um so Kräfte zu tanken für seine Aufgaben und gern gegebenen Feste. Er war wohltuend für Mensch und Tier: Alles, was er verlangte, war Teilhabe, Wertschätzung und Respekt für seine Bedürfnisse. Ignorierten aber Lebewesen seine wenigen Wünsche, hatte Pan keinerlei Schwierigkeiten, einmal so richtig auszurasten und seinen Standpunkt klarzumachen. Überschritt oder verletzte man seine Grenzen, verweigerte man ihm seine nötigen Pausen oder behandelte man ihn anders, als er es mit seinem Wert verdient hatte, ließ er vom vermeintlich selbstverständlichen Schutz der Herden ab und begann, sie zu jagen und zu verschrecken. So manches Schaf fiel dem zum Opfer. Gab man ihm nicht, was er brauchte, drehte er den Spieß ganz einfach um und verdeutlichte mit seiner Kraft und Eigensinnigkeit seine wahre Größe.
Die Hirten waren abhängig vom ihm. Er wiederum war abhängig von den Hirten. Er brauchte die Menschen, um seine Feste zu feiern und sich im Schoß seines Gefolges wertvoll und aufgehoben zu fühlen. Ohne sie wäre er nicht das gewesen, was er war. Ohne sie hätte er auch keine Macht ausüben können. Die Hirten wiederum brauchten seinen Schutz. Seine Ausgeglichenheit vermochte es, in allen Lebenslagen Schlechtes abzuwenden und wieder zu harmonisieren. Er sorgte für gute Zeiten und Sicherheit im Leben. Ohne Pan wären die Hirten der Unberechenbarkeit der Natur ausgeliefert gewesen. Sie wären auch sehr allein, gelangweilt, gestresst und getrennt gewesen. Doch das achtsame und ehrwürdige Miteinander erlaubte beiden Seiten, voneinander zu profitieren.
Was uns Pan über Panikstörungen und Panikattacken lehren kann
Mehr wie Pan zu sein, kann Menschen mit Panikattacken nicht schaden. Doch sie besinnen sich selten auf ihre Stärken und Talente, fordern wenig und erlauben sich kaum Rückzug oder Pausen. Sie ignorieren ihre Fähigkeiten und was sie bedürfen, damit sie noch kraftvoller werden. Wenige nutzen sie zudem. Sie beharren auch auf ihre Bedürfnisse nach Ruhe oder Distanz nicht, sondern bleiben meist still, in Gesellschaft und angepasst – je nachdem, wie ihre Lebenssituation aussieht. Sie sind oftmals Kümmerer, Entertainer und Beruhiger und geben gern, was sie geben können – selbst dann, wenn sie kaum zurückerhalten oder andere ihren Wert verkennen. Sie bleiben sogar noch freundlich gegenüber jenen unliebsamen Zeitgenossen, die ihnen ihren Wert aberkennen oder ihn verringert darstellen. Einmal so richtig aus der Haut zu fahren, die angestaute Wut herauszulassen, findet man bei ihnen als Verhaltensweise selten – auch wenn eine solche Reaktion durchaus legitim wäre. Sie fürchten die Ablehnung oder Ausgrenzung anderer und sind sich ihrer Abhängigkeit von der Gnade bewusst. Seine Grenzen selbst zu wahren und auch vor anderen zu verteidigen, ist deshalb eine ihrer Lernaufgaben. Auch sich nicht ausnutzen zu lassen und die gegenseitige Abhängigkeit bzw. Nutzen zweier Parteien zu erkennen, dürfen sie lernen. Wenn dieser Groschen gefallen ist, können sie sich viel leichter in Geborgenheit wiegen. So können sich beide Seiten wieder wertschätzen lernen.
Die mangelhafte Gegenseitigkeit bzw. Einsicht der realen Gesamtsituation sieht man auch an jenen Menschen mit Panikattacken, die sich wie die Hirten verhalten. Sie übersehen, dass zu einer Situation, Verbindung, Beziehung oder einem Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis mindestens zwei gehören – von denen beide Mitspracherecht und Gestaltungsfreiräume haben. Sie empfinden ihre PartnerInnen, Vorgesetzte, Kollegen, Eltern, Familienmitglieder, Freunde, Bekannte übermächtig und verhalten sich nicht selten als wären sie Untertanen. Ihr Gegenüber sehen sie als gottgleich an, während sie ihre und fremde Wutausbrüche fürchten. Sie schrecken entsprechend schnell bei lauten Menschen zurück, auch solche, die nur laut sind, um sich aus Angst vor Unterlegenheit zu behaupten. Das sieht man gut in Situationen an öffentlichen Orten, an denen man andere Menschen fürchtet, ihnen aber zeitgleich nicht zeigen möchte, dass man innerlich gerade explodiert (die Panikattacke, Wut, die man nach innen gegen sich selbst richtet). Wichtig erscheint mir deshalb, dass diese gefolgsamen, hart arbeitenden und angepassten Menschen ihre natürlichen Fähigkeiten zur Führung und Autorität erkennen, wahrnehmen, übernehmen und sich zutrauen, sie auszuleben. Komme, was wolle. Auch anderen ihre Gefühle zuzumuten, so wie der oben erwähnte Wutausbruch, darf sein. Niemand herrscht über jemanden und niemand bestimmt den eigenen Wert. Jedes Leben darf sich am Guten und Freudvollen nähren. Es geht nicht nur um Leistung und Genügsamkeit, nicht nur um Kampf und Funktionieren. Es darf spaßige und feuchtfröhliche Zeiten geben. Bleibt Nehmen und Geben im Gleichgewicht, kehrt die oben erwähnte Gegenseitigkeit ein.
So hat auch bei Panikattacken etwas zu einem inneren und äußeren Ungleichgewicht geführt, das es wieder auszuhebeln und zu balancieren gilt. Ein bisschen mehr wie der Gott Pan zu werden, könnte uns sicher allen guttun.
Alles Liebe,
Janett Menzel
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