Manchmal begegnen uns im Leben unerträgliche Menschen, die wir aufgrund ihres Auftretens, ihrer Art oder ihrer Bedürfnisse auf gut Deutsch einfach nicht ausstehen können. Sie zeigen sich im beruflichen Umfeld, schmeißen uns Steine vor die Füße, nehmen sich in allem wichtiger, zicken ständig oder fühlen sich aufgrund fragwürdiger Aspekte mächtig/er. Sie stellen sich in den Mittelpunkt, erwarten Nähe, die wir nicht geben wollen, fordern Gehorsam oder Anpassung an ihre Ziele, reglementieren, mobben, sticheln oder lassen uns in ihrer passiv-aggressiven oder offensichtlich feindlichen Verhaltensweise leiden.
Solche Menschen sind für alle, die ohnehin schon unter Ängsten, Stress oder anderen Belastungen leiden, ein wahrer Graus. Besonders aber für hochsensible oder sehr empathische Menschen sind unliebsame Personen eine der größten Herausforderungen im Alltag. Sie vergiften uns mit ihrer negativen Art, sie bedrängen uns in ihrer Anwesenheit, auch wenn sie nicht einmal in unserer Nähe sind, vermögen sie in unseren Gedanken durch ihre bloße Existenz unsere innere Ruhe zu stören.
Wie kann man mit unliebsamen Menschen trotzdem erträglich für einen selbst umgehen?
Trennung ist keine Lösung
Häufig ist die latente Forderung, so zu sein wie sie es von uns erwarten und gleichzeitig zu respektieren, dass sie so sind, am schwierigsten. Daher bin ich seit Jahren auf der Suche nach Wegen, um diese Umstände so erträglich zu machen, wie nur irgendwie möglich. Ich verfiel dabei einem fatalen Trugschluss, denn ich suchte nach Wegen, um die Menschen zu ändern oder aber nach Wegen, um die Umstände zu ändern. Alle Versuche scheiterten und machten mich nur noch fuchsiger. Bis ich zu den Gedanken gelangte, die in mir nach Veränderung suchten, getreu dem Motto:
Sei du die Veränderung, die du dir in der Welt wünschst.
Ganz egal, ob diese Menschen im Beruf, als Partner von Freunden, in der eigenen Familie oder als Nachbar anzutreffen sind, der Leitgedanke war und ist: Auch diese Menschen haben Werte, Bedürfnisse und Ziele, die sie aus ihren eigenen (teils schmerzhaften) Erfahrungen entwickelten.
Ich kann die Verwunderung bis zu mir hören, wenn ich nun für Respekt und Anerkennung für – höchstwahrscheinlich recht respektlose Menschen – plädiere. Aber lass mich erklären, was ich in Gedanken durchgespielt und im Außen erprobt habe.
Wenn wir ein Problem mit der Art von Menschen haben, die uns verletzen, unser Sein stören, uns schlecht machen oder abwerten, verurteilen oder gar Gehorsam fordern, während sie uns unsere Individualität absprechen, dann sind wir trennend. Wir verlangen schon fast dasselbe wie sie, nämlich dass sie sich für unser Wohl ändern und ggf. sogar so werden, wie wir.
Trennend zu sein, bereits in Gedanken, lässt unserer Ego nach Möglichkeiten suchen, wie wir es schützen, wie wir diese Menschen aus unserem Wirkungsfeld ausschließen, sie loswerden, sie nicht länger ertragen müssen, sie stumm schalten und am besten nie wieder sehen müssen. Unser Ego hat sich also einen Weg gewählt, der Trennung sucht, um uns Stress und damit Angst zu ersparen.
Trennung ist jedoch keine Lösung, wenn die Umstände Trennung ausschließen. Das wäre eine Diskussion mit der Realität und mit der Realität kann man zwar diskutieren, aber das ändert selten die Schwierigkeiten. Stattdessen lässt uns das nur noch wütender und verletzlicher, angegriffener und selbstwertsenkender werden. Wir sehen uns dann als Opfer, statt unsere Handlungsfähigkeit zu erkennen und für uns zu einzustehen.
Klar: Man kann Trennung einleiten und den Job kündigen oder denjenigen über den Jordan schicken, nie wieder ein Wort mit der Person sprechen, das ganz klar artikulieren und begründen und die Konsequenzen tragen wie Sisyphus seinen Stein (in der Hoffnung, dass dann alles zum Besseren würde). Das kann gut funktionieren, wenn man die Kraft dafür aufbringt.
Ist man allerdings gezwungen, mit jemandem irgendwie zurechtzukommen, dann hilft in meinen Augen nur eines: Verbinde in Gedanken, was sich verbinden lässt.
Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten
Wir können unser Ego darauf programmieren, dass wir nach Gemeinsamkeiten mit diesem Menschen suchen. Der Erfolg dieser Methode fußt auf
- Toleranz für die Andersartigkeit von Menschen,
- auf Akzeptanz fremder Werte und Bedürfnisse,
- auf das Anerkennen fremder Wege und
- Erfahrungen, die zu seinem/ihrem Verhalten führten
und mündet am Ende in gedanklicher Verbindung, die wiederum auch ausschließen kann.
Dazu gehört natürlich ein Schuss Selbstüberlistung und Reflexion, denn wir haben meist bereits viel Verachtung für denjenigen übrig und empfinden selten mehr als Wut und/oder Mitleid. Damit das nicht in Hass umgewandelt wird, was wahrlich niemandem je etwas Gutes brachte, kann ein Stück Kompromissfähigkeit in totaler Eigennützigkeit helfen, um sich demjenigen in Gedanken anzunähern.
In meinen Angst Coachings sage ich daher immer:
Interpretiere die fremden Werte einmal so um, dass sie neutral und idealerweise positiv für dich werden.
Einige Beispiele:
Also die Kommunikation zwischen ihr und mir ist wirklich grausam. (Wert/Bedürfnis: Kommunikation und Austausch, Verbundenheit und Zuspruch)
Ich hasse es, wenn du mir sagst, was ich zu tun habe. (Wert/Bedürfnis: Selbstbestimmung)
Wieso hast du nicht den Müll heruntergebracht? (Wert/Bedürfnis: Hilfe, Unterstützung, Entlastung)
Kannst du mal bitte etwas Sinnvolles mit deinem Leben anstellen? (Wert/Bedürfnis: Sinnhaftigkeit, Selbstverantwortung, Sicherheit)
Das ist doch keine Beziehung! Wir schlafen überhaupt nicht mehr miteinander. (Wert/Bedürfnis: Nähe als integraler Bestandteil einer Partnerschaft, Mann-Frau-Sein durch Zärtlichkeit, Nähe und Gefühlsausdruck leben)
Du bringst Sachen nie zuende. (Wert/Bedürfnis: Beständigkeit, Selbstverwirklichung, Durchhaltevermögen)
Konzentriere dich darauf, dass du in deiner Zukunft etwas Ordentliches machst, was dir Geld bringt. (Wert/Bedürfnis: finanzielle Sicherheit, Unabhängigkeit, ggf. Erfolg)
Die Werte und Bedürfnisse in Klammern beziehen sich dabei auf denjenigen, der sie ausspricht. Wenn man sich diese Werte einmal genauer ansieht, so könnte man meinen, dass die gar nicht so verkehrt sind. Welche Werte du teilst und welche Bedürfnisse auch du in deinem Leben erfüllt sehen musst (weil du sie brauchst), entscheidest natürlich du. Aber bereits hier können wir mit den oben genannten Punkten Toleranz, Akzeptanz, Anerkennung die besagte Verbindung schaffen.
Und trotzdem kann ich den nicht leiden…
Davon war auch nicht die Rede. Aber es fällt um einiges leichter, jemanden zu tolerieren und zu akzeptieren, so sein zu lassen, wie er ist, wenn wir uns bewusst machen, dass er lediglich seine Bedürfnisse auf seine Weise verwirklichen möchte.
Und wir haben eben unsere Art und Weise, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Beides ist okay, beides darf sein. Solche Brückenschaff-Methoden können auch für die zukünftige Kommunikation mit demjenigen genutzt werden:
„Hör mal, ich weiß, du versuchst nur Sinn in die Priorisierung der Aufgaben zu bringen. Das finde ich gut und dieses Bedürfnis teile ich. Zusätzlich würde ich mir wünschen, dass wir beide erkennen, wie gleich unsere Ziele sind, aber wie unterschiedlich wir doch in der Herangehensweise/unserer Arbeitsweise sind. Ich würde gern einen Weg finden, wie wir in Zukunft…“
„Schatzi, ich weiß, du bist genauso fix und alle von der Arbeit/dem Tag wie ich und hast genauso wenig Bock auf Hausarbeit wie ich. Aber ich brauche wirklich deine Unterstützung, weil auch ich dringend eine Auszeit und Entspannung brauche. Würdest du mir bitte zukünftig beim Abwasch helfen?“
So oder ähnlich kann auch Verbindung in Gesprächen geschaffen werden, indem auf die Gemeinsamkeiten hingewiesen wird. Artikuliere dein Bedürfnis, sprich die Konsequenzen für dich aus, dein Interesse am beiderseitigen Wohl und schaffe Mitgefühl beim anderen, indem du um Unterstützung bittest.
Und wenn das auf Dauer scheitert, dann lies gern weiter: Verlorene Identitäten: Über Narzissten, Egoisten und Energieräuber
Liebe Grüße,
Janett
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