Wieso wir alles dürfen (und noch viel mehr)

Gibt es überhaupt Gründe gegen Selbstverwirklichung? Gibt es Erklärungen gegen Freude und Spaß, Durchsetzungsvermögen, Selbstwirksamkeit, Erfolg nach eigener Definition, emotionale Erfüllung, nonkonforme Lebensweisen und glückliche Liebesbeziehungen? Solange es gut tut und niemanden verletzt, gibt es doch „eigentlich“ NICHTS zwischen Himmel und Erde, was uns verbieten könnte, zu sein, was wir sein wollen und zu fühlen, was wir fühlen.

Außer man nimmt Menschen ernster, die meinen, weil sie es sich verbieten (lassen haben), müssten wir es ihnen gleich machen.

Dennoch: Gehören Sie auch zu denen, die sich gern an anderen und ihren Arten und Weisen orientieren? Sind Sie im Kreise der Kollegen lieber gleich lang im Büro, als der oder die erste Person zu sein, die geht? Sind Sie lieber in Entscheidungen die Person, die Auswahlmöglichkeiten benennt, statt Entscheidungen trifft? Überlassen Sie Ihre Zufriedenheit und Alltagsbeschaffenheit gern mal anderen Menschen?

Mir begegnen seit Beginn dieses Blogs sehr häufig Menschen, die

  • ausbrechen wollen, es aber nicht tun
  • etwas fühlen, es aber verschweigen
  • handeln wollen, aber sich nicht trauen
  • Entscheidungen anderen Menschen überlassen
  • reden, aber wenig danach handeln
  • sich aufhalten lassen, aber sonst wenig infragestellen
  • an sich zweifeln, statt an ihrem Umfeld
  • keinerlei Fehler machen wollen
  • perfektionistisch in allem sind, um niemanden zu enttäuschen
  • aufgrund ihrer eigenen Empfindungen verängstigt sind
  • glauben, Gutes nicht verdient zu haben
  • eher fragen, als zu beschließen
  • usw.

Das hängt natürlich an der Menge der Menschen, die ich seitdem kennenlernen durfte. Es zeigt aber auch, dass viele von uns noch immer einen Weg gehen, von dem sie wissen, dass er fremd ist, statt eigens gewählt. Die wesentliche Frage ist nur: Ist es Ihnen bewusst?

Wir alle mit diesen Gedanken haben eines gemeinsam: Wir straucheln und streben im Grunde unseres Herzens nach Erfüllung und Lebenslust, nach unendlichem Genuss auf den Geschmack von Abenteuer und der Süße aller Erfahrungen. Wir sind gierig nach Freude und hemmungslosem Spaß. Wir wollen vergessen und ausblenden, was uns abhält, wir wollen verneinen, wer uns diese Steine in den Weg legt. Wir verschieben das Beste und Teuerste auf „später“ oder „morgen“. Wir leben in der Vergangenheit oder in der Zukunft, aber selten im Jetzt. Jetzt sind wir zu beschäftigt, um uns mit unseren Träumen auseinanderzusetzen und uns zu erlauben, diese Träume und unsere unstillbare Sehnsucht nach uns selbst zu fühlen.

Leise rieselt die Auflehnung…

Es ist wenig verwunderlich, dass sich unsere Gesellschaft voller Gebote und Verbote immer mehr mit Menschen füllt, die sich leer gelebt haben oder aber so voll mit Angst sind, dass sie ihr Leben kaum noch leben können. Dass sie das Gute im Leben, den Spaß und Halt durch Freunde und Familie, Liebe und Freude, Kinderaugen und Tiere, die Ruhe in der Natur oder alle anderen Dinge, die das Leben lebens- und liebenswert machen, kaum noch genießen können, umgeben von Millionen fremder Ansprüche. Man kommt nicht hinterher, sich zu entspannen oder die Löcher, die leer sind, zu füllen. Erwartungen stehen an jeder Ecke. Wo man auch hinsieht, überall steht Fremdbestimmung. Sind es keine fremden Erwartungen, dann sind es die eigenen, um ein Bild zu erfüllen, was wiederum von irgendwem gezeichnet wurde, dessen Geschichte nichts mit der eigenen zu tun hat. Den Glauben an sich selbst, seine Selbstwirksamkeit und seinen Selbstwert in so einem Chaos aufrechtzuerhalten, ist schwerer als je zuvor.

Das betrifft alle Bereiche: moderne Familien, Beziehungen, Job versus Berufung, Geld, Erfolg, Leidenschaften. Jeder rennt seinen Gefühlen hinterher, schottet sich entweder ab oder aber verliert sich in den Sekunden ihrer Existenz, bevor sie wieder im Alltag und seinen Forderungen brach liegen, bis einer im Internet was postet, was zu Achtsamkeit, Besinnung, Meditation und Selbstoptimierung auffordert. Während man versucht, Rechnungen zu zahlen, die Familie zu ernähren, Kinder „richtig“ zu erziehen, Sinn und Wert in seinem Leben zu erhalten …

Nicht einmal Kinder halten sich an die Regeln

Genug habe ich hier über frühkindliche Prägungen und Hemmungen geschrieben, über das, was das innere Kind weiterleben lässt, was uns als Erwachsene leiden lässt. Auch darüber, was wir als Kinder nicht erlaubt bekommen haben, nicht lernen durften, weil unsere Eltern auch nur verletzte Kinder im Körper eines Erwachsenen waren, die ihre Erfahrungen ihrer Kindheit weitertrugen. Bewusst möchte ich erneut auf den Artikel über den dreizehnjährigen Zyklus nach Pamela Levin verweisen, in dem es darum geht, dass wir uns alle 13 Jahre erneut versuchen auszurichten. Um uns versäumte Erlaubnisse und gehemmte Fähigkeiten bewusst zu machen, zu lernen, in unser Leben zu ziehen.

Aber: Kinder verstehen nicht, wenn sie etwas „falsch“ gemacht haben. Sie wussten ja meist nicht einmal, dass sie bereits zwischen „erwachsen richtig“ und „erwachsen falsch“ unterscheiden können müssen. Diese Unterscheidung stammt von uns Erwachsenen.

Viele Wissenschaftler und Psychologen meinen, es wären die ersten sieben Jahre im Leben eines Kindes, die entscheidend für ihre spätere Verhaltensweise seien. Das ist hauptsächlich in hirnphysiologischen Studien begründet, die diese Jahre als Prägungsherd für die Persönlichkeitsentwicklung ansehen. Hinzu kommt, dass sich zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr die Identität des Kindes herausbildet. Alles an „dürfen oder nicht dürfen“ und „was macht es leicht, schwer oder unmöglich“ bildet hier einen Teil des kindlichen Ichs.

Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass sich das Kind später noch daran erinnern wird, wieso es sich als Erwachsener dann eher gehorsam oder auflehnend, aggressiv oder ruhig, spielerisch experimentell oder gelangweilt desinteressiert verhält, ist schwindend gering. Meist können wir ja bis ins hohe Alter noch viele Brocken unserer Kindheit wiedergeben oder sagen, wie unsere Eltern waren und wie sie uns erzogen. Und zu wem … Aber abschalten oder mit dem Finger schnippen und zack…ist man komplett anders und wie ausgewechselt, geschieht nur den Wenigsten. Die meisten jedoch geben sich mit wenig zufrieden.

Wir bedürfen so viel und dürfen so wenig

Wenn man sich die sprachlichen Aspekte des Wortes „dürfen“ ansieht, fällt auf: Was wir angeblich „dürfen“, steht meist in Verbindung mit „wenig“ oder einem Verbot. Der Duden online definiert „dürfen“ so:

die Erlaubnis haben, berechtigt, autorisiert sein, etwas zu tun
drückt einen Wunsch, eine Bitte, eine Aufforderung aus (oft verneint)
die moralische Berechtigung, das Recht haben, etwas zu tun (verneint)
Veranlassung zu etwas haben, geben
es ist wahrscheinlich, dass …
[…]
die Erlaubnis zu etwas Bestimmtem, Vorgenanntem haben

Schön passiv, schön fremd, wenig bis gar nicht aktiv, noch weniger eigen. Und sehr schade.

Kein Wunder, dass wir gar nicht erst viel erwarten und angeblich unerlaubte Handlungen aussperren und verlernen. Immerhin bedarf das Leben in seinem Inhalt dem, was uns erlaubt wurde/ist, wir wollen (oder sollen?) nicht allzu bedürftig sein, sonst wäre das, was wir zurückerhielten, eben dürftig. Das erinnert mich an Henry Fords Worte: „Ob Du glaubst, Du schaffst es, oder ob Du glaubst, Du schaffst es nicht – Du wirst auf alle Fälle recht haben.

Wagt man es jedoch, eine gegenteilige Meinung kundzutun, sich gegen fremde Erwartungen zu stellen, wird man entweder belächelt oder ignoriert. Einige nicken still und gehen dann; andere diskutieren oder zweifeln an der Änderbarkeit der Realität. Wiederum anderen sprechen von der Abwesenheit des freien Willens. Oder statt tatsächlich Veränderungen in seinem Leben vorzunehmen, versucht man sich mit Yoga oder Sport, veganer Ernährung, Extremsport oder Sex, Selbstmitleid, Identifikation mit dem „Täter“ oder noch mehr Fügung respektive Hetze auszugleichen. Aber lassen Sie sich nichts sagen, auch wenn Angst schon quer im Hals steckt.

Die verflixte Zahl SIEBEN

Psychologen fanden heraus, dass wir Menschen zu 93 Prozent aus unserem Unterbewusstsein heraus leben. D. h. wir haben nur minimale sieben Prozent, die wir bewusst steuern können.

„Schuld“ an den minimalen sieben Prozent dessen, was wir bewusst leben, ist aber das Eingeweidehirn, was sich zum damaligen Zeitpunkt genau ansah, was unser Überleben sichern würde. Dazu gehören alle Verhaltensweisen und Verbote, die uns beigebracht wurden. Das Eingeweidehirn hat sich gemerkt, was nötig war, um zu überleben, einschließlich unserer Strategien. WIE wir ein harmonisches Zuhause für uns schufen, inwiefern wir was tun mussten, um es so harmonisch wie möglich zu haben, wurde als positive Erfahrung abgespeichert. Diese eine positive Erfahrung (Ach, so lebe ich am einfachsten!) zu löschen, ist schwer.

Dennoch glaube ich aus tiefstem Herzen, dass wir alles neu dürfen und alles anders machen können, wenn der bewusste Umgang mit „unerlaubten“ Handlungen ent-bewusstet wird.

Die perfekteste Kopie bleibt unter’m Strich ein Imitat

Die Energie folgt ja bekanntlich der Aufmerksamkeit. Wenn wir dem, was wir nicht „dürften“, mehr Aufmerksamkeit einräumen, als dem, was wir dennoch tun wollen und werden, ließe sich diese Gedankenschranke von allein öffnen. Je mehr wir Selbstreflexion und „Klarheits-Arbeit“ an uns selbst üben, desto mehr ziehen wir destruktive Verhaltensmuster aus unserem Unterbewusstsein ins Bewusste, können die unbewussten Richtungsweiser entkoppeln und so aushebeln. Das schafft mehr Kontrolle bzw. weniger Kontrollverlust.

Im Vergleich zu allen Selbstoptimierungsmethoden scheint mir diese mitunter die einfachste und zeitgleich auch die schwerste Übung zu sein. Es ist eine Mischung aus Wachsamkeit und Achtsamkeit, gepaart mit Selbstbestimmungsfokus und Konsequenz. Und das nicht auf Teufel, komm‘ raus, sondern mit einem mildem „Es tut mir leid, denn …“-im Zweifel ist man sich selbst der Nächste.

Schaut man sich die Psychologie hinter Verboten an, sieht man das gut: Sie besteht aus tonnenschweren Aspekten, die allesamt im Einzelnen ausreichen, um Menschen Angst zu machen.

Angst wird als Motivation genutzt, sei es in der Schule, im Elternhaus, im Job (durch Strafen wie Hausarrest oder Verweise, schlechte Noten, Benachteiligung, Drohungen). Sie wird als

  • Motivation zur Aufforderung zum Wettbewerb und damit Vergleich (Du musst der Beste werden! Du bist nicht gut genug! Jemand anderes ist hübscher/schneller/beliebter)  und
  • als Motivation als Aufforderung zu Gehorsam und Fremdbestimmung (Wenn du nicht endlich lieb und brav bist, dann…) benutzt.

Verbote und Erwartungen anderer Menschen zu „brechen“ macht Angst. Was wird geschehen, wie wird xyz reagieren, wie rechtfertige ich meine eigenen Entscheidungen und wie gehe ich mit den Konsequenzen um?

  • Angst zu versagen tritt ein.
  • Angst vor Konflikten und Trennungen, sowie
  • Angst vor Verlusten und sozialer Abstufung kann entstehen.

Emotionale Gewalt als Mittel, um andere Menschen dazu zu bewegen, eigene Bedürfnisse zu erfüllen, zeigt sich heutzutage nicht mehr nur im Beruf und am Arbeitsplatz. Es wird manipuliert, dass sich die Balken biegen, Manipulation wird zum Zaubermittel für die eigenen Zwecke, zum Spiel mit Macht und (leider auch) mit den Gefühlen anderer Menschen. Die gesamte Schublade mit Schuld und Angst wird zu einer Aufforderung zur Selbstuntreue, Selbstunwirksamkeit und Selbstunwert.

Im Normalfall reagieren Menschen auf selbstentfremdende Aktionen mit

  1. Widerstand/Abwehr
  2. Unterdrückung eigener Bedürfnisse, Impulse, Gefühle oder
  3. Festhaltenwollen.

Wir regen uns auf, schleppen Ärger und Wut in uns herum, belassen den ganzen Ballast auf unseren Schultern.

 

Was hilft?

Abgrenzung. Sich daran erinnern, wer man sein möchte. Sich von seiner alten Identität lösen, dem kindlichen, schützenden Ego seine Streichelheiten geben. Nichts geht darum herum zu verstehen, dass jeder nur eine falsche, kindliche Identität, aufgebaut auf den Werten und Idealen von fremden Menschen oder den Eltern, entwickelt hat. Nichts anderes hätte in der Kindheit dabei herauskommen können, dennoch leben wir heute genauso, wie es uns damals beigebracht wurde.

Dabei ist es so unnötig und kann nur gegen unser Herzgefühl gehen. Es kann ausschließlich Selbstverrat und Angst dabei herauskommen, wenn wir im Spiel uns als Einsatz geben. Der Gewinner sollte man immer selbst sein. Und sei es auch drum, dass man Verluste hinnimmt und daran lernt, mit ihnen umzugehen. Manchmal wirken Veränderungen auch kleine Wunder.

Oder wie ein Spruch sagt: „Wenn sich dir Chancen bieten, greif zu. Wenn sich dein Leben dann völlig ändert, lass es geschehen …“

LG
Janett

Janett

 

 

 

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Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Schattenarbeiterin, Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein?, Mutter- und Vaterwunden, Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst. Anfragen und Beratungen >>

 

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