Will er/sie nur Sex oder hat er/sie echte Beziehungsangst? Daran erkennst du es

 

Ein ausschließlich rein sexuelles Interesse, als lang andauernde Affäre oder Casual Sex, muss nicht zwingend ein Zeichen für Beziehungsangst und Bindungsangst sein, aber kann darauf hindeuten. Deshalb werde ich im Zuge meiner Arbeit von meinen Klientinnen und Klienten oft gefragt, woran man denn erkennt, wann jemand nur Sex möchte oder sich sogar mit einer vermeintlichen Bindungsangst herausredet (vorzüglich aufgrund negativer Beziehungserfahrungen, die so schwerschwiegend wären, dass man einfach nicht aus seiner Haut könne).

In diesem Beitrag fasse ich allen, die sich den Kopf darüber zerbrechen und unter einer solchen Situation leiden, die wichtigsten Signale für ein rein sexuelles Interesse, ohne dass er/sie den Wunsch nach einer Partnerschaft mit dir hat, zusammen. Im Anschluss gebe ich dir außerdem einen präzisen Einblick, ab wann nur Sex auf Beziehungsängste und komplizierte Bindungsstile hinweist sowie ein paar Wege, wie du diese Situation als Betroffene/r meistern kannst.

 

Nur Sex wollen oder Angst vor Liebe und ernster Beziehung?

wann er nur sex will und wann er angst hat vor einer ernsten beziehung
Will er/sie nur Sex oder steht da wirklich eine Angst vor Liebe und Beziehung im Weg zum Glück?

Vorweg möchte ich eins sagen: Im Kontrast zu dem, was viele denken, trifft ein rein sexuelles Interesse heute nicht mehr nur auf Männer zu, die dann die Bösen sind und Frauen nur ausnutzen wollen, wenn sie Lust haben und vögeln wollen. Es ist auch nicht der Fall, dass Beziehungsängste oder negativ wirkende Beziehungsstile (dazu unten mehr) Frauen nicht träfen. Im Gegenteil: Ich beobachte in meiner Arbeit immer öfter diese Fälle.

Folgendes möchte ich allen, die gerade auf der Suche nach mehr Einblicken und Impulsen sind, mitgeben, bevor wir uns den Signalen widmen:

  1. Männliche Beziehungsängstliche bewegen sich immer mehr zwischen 25-35 Jahren und ab 45+. (Es sind die ersten Beziehungserfahrungen oder aber die prägenden wie eine Ehe, die Ängste zu schüren scheinen.) Bei Frauen zieht es sich hingegen durch alle Altersstufen.
  2. Ob es nun an Tinder & Co. des Digitalen liegt und der damit fortschreitenden Einsamkeit oder an der Emanzipation/dem Feminismus und den sich ändernden Rollenbildern und Erwartungen an die Liebe/das Leben: Immer mehr Frauen wollen vorwiegend oder nur Aufmerksamkeit und suchen kurzzeitige Bedürfnisbefriedigung, weil sie sich keine tiefgreifende Partnerschaft vorstellen können, während immer mehr Männer aus Einsamkeit oder geringen Kontaktmöglichkeiten heraus eher zu einer Beziehung tendieren.
  3. Je mehr man abgewiesen wurde, desto mehr greift Wut um. Das zeigt sich vor allem durch aktuelle Bewegungen wie Pick up-Artists, Fucker und Player (nicht meine Begriffe!!! Ich zitiere nur.). Sie haben schon per se das Bedürfnis, aufgrund einer Verletzung oder einem hohen Ego, sich übervorteilt und ermächtigt genug zu fühlen, was tiefe, ehrliche und verletzliche Gefühle wie Liebe in einer Beziehung ausschließt. Denn da geht es automatisch wieder in Richtung Verlustangst.
  4. Dieselben Tendenzen gibt es auch bei Frauen, nur dass wir hier keine Begrifflichkeiten haben, weil wir noch mittendrin sind und Frauen und ihre Rechte gerade sehr in den Himmel gehoben werden (in einigen Aspekten zurecht, aber leider nicht immer, denn auch unter Frauen gibt es schwarze oder unsensible, egoistische Schafe).
  5. Aber: Bei Beziehungsangst geht es nicht nur darum, verletzt zu werden. Viele entscheiden sich wegen der Angst, selbst jemanden zu verletzen und schuldig zu sein oder sich zu schämen, gegen eine Beziehung. Zum Beispiel wissen sie, dass sie nur schwer treu sein können oder einige Wünsche des Anderen nicht erfüllen können/möchten. Das hat mit mangelndem Liebesgefühl dann wenig zu tun, sondern mit Persönlichkeitsstrukturen und eigenen Zielsetzungen. Niemand ist gern der Böse.
  6. Nicht selten, so traurig es auch ist, wird Beziehungsangst oder die Angst, sich zu binden, als Ausrede benutzt, um potenzielle Partner (hier vorwiegend Frauen) hinzuhalten. Es endet dann oft in On-Off-Beziehungen, in denen der vermeintliche ängstliche Teil die Vorsicht der Frau dann nutzt. Hier wird Verlustangst und Hoffnung ausgespielt. Falls dich das trifft. Lies dir bitte die unten stehenden Signale und Abgrenzungen zur Beziehungsangst besonders gut durch.
  7. Es gibt nicht nur Verlustangst als Ursache für Beziehungsangst, weshalb sich jemand für eine rein sexuelle Beziehung entscheidet. Es kann auch sein: Angst vor Liebe im Allgemeinen, keine guten Vorbilder für eine gelingende und gesunde Partnerschaft in der Vergangenheit, Angst vor Trennung (sich selbst zu trennen, den anderen nicht allein lassen zu dürfen, aber es wollen/mitunter müssen, Angst vor Nähe (emotional bei Männern, sexuell oft bei Frauen), Selbstwertängste (nicht genug oder gut sein, negative Glaubenssätze „Für mich gibt es keine Liebe.“, auf lange Sicht eine Partnerschaft nicht aufrechterhalten zu können), Angst vor Selbstverlust (und im Umkehrschluss sich hintenanstellen müssen oder etwas Schlimmes geschehe), Angst vor spezifischen Ereignissen wie Untreue, psychischer und emotionaler Missbrauch (besonders bei stark egoistischen/narzisstischen Beziehungserfahrungen).
  8. Damit ist auch klar: Es gibt Menschen, die weder etwas von Monogamie halten noch dafür gemacht sind, so, wie es Menschen gibt, die nichts von dem Konzept der Ehe halten oder keine Kinder möchten. Das kann man verteufeln oder akzeptieren. Das hat auch seine angstbasierten Ursachen, ja, aber deutet nicht zwingend auf Beziehungsangst hin. Jemand kann sich keine Kinder wünschen und dennoch eine Partnerin suchen oder nicht heiraten oder zusammenziehen wollen und trotzdem in einer Partnerschaft leben.

 

Signale, dass er/sie nur Sex möchte

Daran erkennst du, dass er/sie nur Sex von dir möchte

An einem rein sexuellen Interesse muss erst einmal nichts falsch sein. Doch viele tendieren zu dem Rückschluss, dass sie nicht gut, genug oder xyz wären, weshalb jemand keine Beziehung mit ihnen möchte. Da bemerken wir „nur“ die unterschiedlichen Vorstellungen beider Menschen.

Und: Wir alle kennen Situationen, in denen zwischen Menschen die Funken sprühen. Nicht selten ist es doch eben diese Chemie, die uns dazu veranlasst, dass wir länger durchhalten, als wir eigentlich wollen/sollten, oder uns magisch zu jemanden hingezogen fühlen, obwohl alle Umstände gegen eine exklusive Beziehung sprechen. Wer sich damit abfinden kann, wunderbar. Wer sich aber mehr wünscht als nur Sex, nämlich Perspektive auf eine Partnerschaft, der muss sich zwangsläufig entscheiden: entweder hop oder top.

Was aber vielen passiert, ist, dass sie in einen Wartemodus geraten oder sich beginnen, zu sehr zu bemühen, sich zu beweisen oder gar Vorwürfe zu verteilen. Nun ist es leider so, dass nicht jeder seine reinen sexuellen Motive offen auf den Tisch legt. Für solche Situationen gibt es daher eine Handvoll Signale/Hinweise, die in Mehrfachkombination zeigen, woran du bist:

Zweckkommunikation und Zeiten langer Stille: Er/Sie meldet sich nur wegen Sex und redet ansonsten kaum oder gar nicht mit dir? Oder läuft jedes Gespräch, dass er/sie initiiert, auf ein Treffen für Sex hinaus? Dann geht es auch nur um Sex.

Pimp my ego Oder: Er/Sie meldet sich nur, wenn er/sie allein, gelangweilt oder schlecht drauf ist: Nicht nur die Libido veranlasst viele, Kontakt aufzunehmen, auch Zeiten, in denen man sich einsam, gelangweilt, ohne Anerkennung und Aufmerksamkeit wiederfindet oder Abwechslung zum Leben braucht. Sex ist dafür ein Mittel, weil durch Hormone wie Oxytocin und Endorphine die Laune angehoben wird. Letzten Endes aber vermag Sex, deshalb ist er auch so gesund laut Wissenschaft, tatsächlich geistig und körperlich gesund zu halten, verbunden statt ausgeschlossen, angenommen statt abgelehnt. Es ist eine Form des sozialen Kontakts und dieser tut gut.

Du kennst ihn/sie sexuell, jeden Zentimeters seines/ihres Körpers, aber darüber hinaus nichts? Auch umgekehrt ist diese häufige Verhaltensweise ein Zeichen für ein rein sexuelles Interesse, nicht aber zwingend für Beziehungsangst.

Dich nicht kennenlernen wollen: Er/Sie hat kein Interesse an dir als Mensch und Mann/Frau, stellt dir keine Fragen zu deinem Leben, Beruf, deiner Familie, deinen Freunden, Interessen und deiner Vergangenheit? Er/Sie will nichts über deine Gefühle oder Eigenarten wissen oder wie du deinen Kaffee trinkst, welche Küche du am liebsten magst oder worauf du allergisch reagierst? Auch das ist ein eindeutiges Zeichen für „nur Sex“. Denn dabei geht es dem/derjenigen nur um sich und dass er/sie bekommt, was er/sie will. Interesse aber ist eine Form des Gebens. Es zeigt Wertschätzung an der Person.

Er/Sie lässt dich nicht an seinem/ihrem Leben teilhaben: Umgekehrt funktioniert es leider genauso. Wenn dir die Person keine Fragen zu sich beantwortet, jedem normalen Gespräch aus dem Weg geht oder durch sexuelle Handlungen vereitelt zum Beispiel. Auch wenn Treffen zu normalen Zeiten für sie/ihn so gar nicht gehen, darfst du Abstand nehmen, wenn du auf der Suche nach Liebe bist. Klassiker sind: nachts anrufen oder schreiben, weil er/sie vorbeikommen will, ausschließlich Mo-Do zeitlich verfügbar sein, weil das Wochenende für enge Menschen reserviert ist usw.

Er/Sie ignoriert deine Bedürfnisse und Bedürftigkeit: Du hast schon mehrfach angesprochen, dass dir bestimmte Sachen wehtun und du andere Vorstellungen hast? Er/Sie hat vielleicht kurz gesagt, dass das in Ordnung ist oder es ganz neutral und akzeptierend angenommen (Ich weiß ja, wie du bist/was du dir wünschst. Deshalb mag ich dich ja so sehr!), aber danach fühlt es sich so an, als hätte es das Gespräch nie gegeben? Er/Sie verfällt in die alte Spirale? Wer jemanden wirklich mag, der achtet auf seine/ihre Grenzen und vermeidet es, ihn/sie zu verletzen. Punkt.

Zeitlich begrenzte Zweisamkeit und keine anderweitigen Unternehmungen: Auch wenn Sex die einzige Unternehmung ist, die vom Anderen zugelassen wird, kann man sich sicher sein, dass es auch die einzige Unternehmung ist, die gewollt ist. Leider. Meistens auch noch zu Zeiten, die er/sie bestimmt. Hast du keine Zeit, Pech für dich, denn dann siehst du ihn/sie nicht? Eine Beziehung oder eine, die es werden soll, besteht aus mehr als Sex und Intimität und diese Zeiten gehören dem Vertrauensaufbau, Kennenlernen und gemeinsam und zusammen sein, präsent und voll auf den anderen eingelassen. Nicht nur körperlich. Vor allem, wenn der/diejenige nach dem Sex gleich aufsteht oder aber nach Hause, dich aus dem Bett scheucht oder wenig Sinn für Kuscheln etc. hat, weist es auf rein sexuelles Interesse hin. (Einwurf: Mitunter gibt es hier kleine, feine Unterschiede zu Beziehungsangst, die aber individueller Natur sind. Ich zum Beispiel kann morgens nicht ewig im Bett kuscheln, weil ich Tiere habe, die essen brauchen. Einige empfanden das als Abweisung, wobei es sich nur um mein Bedürfnis handelte, sie versorgt zu wissen. Solche Situationen, insofern lebensbedingt und nicht charakterabhängig, bitte ich zu unterscheiden.)

Warten im Bett auf bessere Zeiten: Viele bemerken die Ausreden entweder nicht oder aber haben Angst, zu früh aufzugeben. Dabei ist es eine Hinhaltetaktik.

Hinhalten und viele Ausreden: Wer immer wieder dasselbe sagt und nichts anders macht, der darf auch kein anderes Ergebnis erwarten. Und braucht dasselbe auch nicht vom Gegenüber fordern. Viele halten dich nur hin, weil sie instinktiv schon wissen, dass du den Schlussstrich ziehst. Sie sind quasi darauf vorbereitet, dass das Ende kommt (während Beziehungsängstliche es fürchten), und haben sich deshalb nicht auf dich eingelassen. Aber bis dahin versprechen sie dir alles Mögliche, bringen Kuchen und Kekse oder andere Geschenke mit, damit du weiterhin in deiner Rolle bleibst. Außerdem: Wut zeigt Traurigkeit und somit echtes Interesse an. Nur Gleichgültigkeit seiner/ihrer Entscheidung gegenüber würde ihn/sie treffen. Bist du aber emotional und wünschst dir mehr, zeigt es seinen/ihren Wert und ist eine willkommene Bestätigung. Ein Kompliment, was viele mögen und suchen (so traurig es auch ist).

Ghosting, Gaslighting & Benching: Wer einfach von heute auf morgen verschwindet (Ghosting), der – so die Psychologie – hat Angst, dich zu verletzen, wenn er/sie dir sagt, dass es gefühlsmäßig nicht ausreicht. Und wer zu wenige oder keine Gefühle hat, macht sich auch keine Gedanken um deinen Gemütszustand. Es verschwinden auch nur die, meint die Forschung, die kein tiefes Interesse haben. Beim Gaslighting hingegen bekommst du die Schuld für alles, was ihn/sie daran hindert/abhält, eine Beziehung mit dir zu wollen, was dir den Verstand und das Vertrauen in dich und die Liebe rauben kann. (Hier beginnt auch die Beziehungsangst. Die genaue Unterscheidung zwischen Absicht und Angst aber spürt man genau. Frage dich: Fühlst du dich manipuliert? Wenn ja, ist es nicht Angst.) Benching hingehen ist das Warteabteil, in das du gesetzt wirst, bis ein potenziell besserer Partner für ihn/sie um die Ecke kommt. Deshalb wird nicht viel investiert, weil der/diejenige oft nicht allein sein kann/will und sich deshalb zufriedengibt. So böse es klingt: Es sind viele heutzutage so und auf dem ersten Blick erscheint es leichter für sie. Getreu dem Motto: Lieber irgendwen als niemanden. Während viele Frauen sich aber einreden, der eine (Schwierige) wäre es, sind sie selbst oft versteckte Benchler. (Verzeih! Ich möchte, dass es dir gutgeht.) Denn würde jemand um die Ecke kommen, der sie tatsächlich besser behandelt (als der, weswegen du diesen Artikel liest), wärst du vielleicht ganz schnell weg (zum Glück). Doch ganz ohne Liebe und Verbindlichkeit zu leben, ist eben schwer – für die einen mehr als für die anderen. Als Leseempfehlung macht sich mein Buch „Über die Kunst, allein zu sein“ gut >>

Er/Sie weicht Entscheidungen, Urlauben, Kennenlerntreffen mit Freunden und Familie usw. aus: Hier geht es in Richtung Perspektive und gemeinsame Zukunft. Wer dich nicht soweit in sein Leben integriert, dass die Verbindung zwischen euch offenkundig, exklusiv und ernst gemeint ist, der will so eine Beziehung auch nicht. Sie lässt zu viel Verantwortung über die eigene Person hinaus erkennen.

Er/Sie handelt nur (kurz), wenn du drohst, dich zu verabschieden: Du hast schon einmal angekündigt, dass du dich trennst, weil er/sie nur an dir vorbeilebt? Lass mich raten: Genau dann hat er/sie sich verändert und war plötzlich zuckersüß oder lieb, offen für Veränderungen und Unternehmungen und und und. Aber dann schlich sich wieder das Übliche ein und aus war die gute Zeit – und kurz.

Einer der größten Unterschiede zwischen (aktiven) Beziehungsängstlichen und Nur-Sex-Interessierten ist kontraintuitiv: (Aktive) Beziehungsängstliche tendieren dazu, dich ziehen zu lassen, wenn sie durch deine Ansprüche an ihre Grenzen geraten, während Sexinteressierte zu Jägern werden, wenn der Sex droht, ihnen verloren zu gehen. Sie sind nur dann aktiv, wenn sie es müssen. Das kommt auch einem Gewinn, einem Sieg gleich, für den es sich zu kämpfen lohnt. Bei (aktiven) Beziehungsängstlichen hingegen ist diese Aktivität mehr ein Zwang, ihre Liebenswürdigkeit/Person/ihren Wert für dich beweisen zu müssen. Er macht sie mürbe, weshalb sie Nein sagen und dich gehen lassen.

 

Wann deutet sexuelles Interesse auf Beziehungsangst hin? Schmale Linien

1. Viele mit Angst vor Beziehungen nehmen sich Sex als Mittel der Kompensation: lieber ein bisschen Nähe als gar keine. Sex ist dann ein Weg, seine Gefühle auszudrücken und welche gezeigt zu bekommen, oft sehr innig und hingebungsvoll, liebevoll und zärtlich. Gleichzeitig fühlen sie sich geliebt durch Sex. Nichtsdestotrotz hapert es am Ende des Tages doch am Umgang mit den Gefühlen anderer (wenn sie sie zeigen/ausdrücken) und den eigenen. Hier ist Emotionsregulierung gefragt: Entweder du erlernst als Partner*in zum Beispiel eine Kommunikationstechnik wie die der Gewaltfreien Kommunikation, die dir erlaubt, es anders – für ihn/sie angstfreier – auszudrücken. Oder du lernst, deine Gefühle weniger zu zeigen und mehr auszusprechen, um ihn/sie nicht zu überrennen. Es ist der Ausdruck deiner Gefühle, der dann im anderen Angst auslösen kann. Bespricht man aber seine Gefühle und die, die auftreten durch sein/ihr Verhalten, wird es für den anderen leichter. Ist dein Gegenüber nicht willens, sich mit dir zu unterhalten/dich anzuhören, dann ist es nur sexuelles Interesse. Beziehungsängstliche haben zumeist NULL (meint: 0!!!) Probleme damit, ihre Ängste zu kommunizieren und sei es auch noch so fragmentarisch. Sie wissen, was los ist.

2. Angst ist bei Beziehungen nur ein Folgegefühl, getriggert durch ein anderes: Traurigkeit, Schuld, Scham, Ekel, Wut, Überraschung. Angst ist hier nicht dabei, wie du siehst. Zu sagen, man hätte Angst, sich auf jemanden einzulassen, ist dann das Eine (und daher auch oft gelogen oder aber nicht der wahre Grund für den inneren Rückzug oder die Abwehr). Woran man Beziehungsangst wirklich erkennt, ist, dass oft eine Art Schnitt im Moment, ein plötzlicher Abbruch des Gesprächs, der Intimität oder des Treffens/Anrufs stattfindet. Angst passiert zwar im Hirn, aber wird ausgeübt. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Sie wird selten nur ausgesprochen, sondern vom Körper ausagiert. Du siehst die Angst also, sei es durch Körperempfindungen des Anderen (Zittern, nervöse Hände und Beine, Weggucken und -drehen), Fluchtimpulsen oder Kampfimpulse (wie Wut). Es gilt bei Angst: Totstellen, Flucht oder Kampf. Nichts mit entspanntem Hinsetzen und plaudern über die Angst. Das markiert den Unterschied zwischen angeblich Ängstlichen und wirklich Ängstlichen.

Wann ist Angst vor Liebe und Beziehungen krankhaft

3. Bedrängnis durch Kleinigkeiten statt große Forderungen: Nur-Sex-Interessierte ignorieren so ungefähr alles, was sie ignorieren können. Das funktioniert bei Beziehungsängstlichen (ab sofort mit BÄ abgekürzt) nicht. Uns nerven schon störende Kleinigkeiten. Wir nehmen jede als Zeichen, dass wir recht hatten mit unserer Vermutung und Angst. Wir fühlen uns bedrängt dadurch, uns ändern zu müssen, oder wieder dieselbe Niederlage zu erleiden. Von der Farbe deiner Gardinen, deiner Haushaltsführung, Denkweise bis hin zur Art, wie du mit deinen Kollegen umgehst nehmen wir alles als Indiz, dass du für uns nicht passend bist. Das machen Nur-Sex-Interessierte nicht, weil es sie nicht interessiert.

4. Abwerten der Verbindung (vor dir, sich selbst und Bekannten/Freunden/Familie) ist ebenso ein Klassiker. Bagatellisieren ist ein häufiger Mechanismus zur Abwehr von Angst (siehe auch Verena Kast: Vom Sinn der Angst). Dann sind wir „nur Freunde mit benefits“ oder es geht auch gar nicht so tief emotional, so wirklich ist da nichts zwischen uns, das bildest du dir alles nur ein. Eine richtige Beziehung? Geht doch gar nicht mit uns/dir. Überhaupt zu verlauten (weil vorher entschieden), dass du und er/sie in einer offiziellen, exklusiven und ernsten Beziehung seid, ist fast unmöglich bei BÄ. Denn es wird immer Keile geben, die BÄ dazwischen treiben, um die Verbindung zu entwerten, damit der Druck nicht zu groß für sie wird: Plötzlicher Verlust der Lust auf Sexualität ist zum Beispiel ein Klassiker. Der Druck, den BÄ bei Beziehungen (im Allgemeinen übrigens) empfinden, ist immer Auslöser. Ventil ist zum Beispiel Rückzug, Alkohol/Tabak/Drogen, Aggressionen usw.

5. Ein beliebtes Vor-Ventil bei BÄ ist übrigens, sich mit jemandem zu treffen/daten/(sexuell) zusammenzutun, an dem sie von vornherein nur mäßig interessiert sind. Sie können sich so in den/diejenige/n nicht verlieben. Das geschieht unbewusst/unterbewusst, damit sie später sagen können, sie seien nicht verliebt (was auch stimmt). Damit sind sie nicht gezwungen, mit dieser Liebe in eine für sie bedrohliche Beziehung zu gehen. Ich persönlich glaube, man kann sich in jeden Menschen verlieben, wenn man sich nur genug Zeit gibt und aufeinander einlässt. Aber oft suchen sich BÄ unbewusst gezielt Personen, die etwas Abstoßendes oder ein No Go haben. Das können bei Männern die Kinder der Frau sein oder bei Frauen die Freunde des Mannes. Es ist die emotionale/rationale Reißleine für den Notfall. (Mit Sex hat dieser Punkt nichts zu tun.)

6. Narzisstische Persönlichkeitsstrukturen: Heutzutage, ich muss darauf hinweisen, ist nicht jeder Mensch, nur weil er sich im Blick behält oder unter Ängsten leidet, ein Narzisst, Psychopath, Soziopath oder bindungsunfähig, weil er Beziehungen aus Angst scheut.

Ich zum Beispiel hatte Angst vor Beziehungen, weil ich immer zu viel gegeben habe, betrogen wurde oder sich Verhaltensmuster bei meinen Partnern und mir ins Destruktive verselbstständigten. Nicht aber, weil ich narzisstisch veranlagt war. Einen Narzissten (waschecht und klinisch) erkennt man an seiner absoluten Empathielosigkeit. Es vergnügt ihn, wenn du leidest. Er ist beeindruckt, wenn du ihn anhimmelst, aber nicht von dir beeindruckt, sondern von sich selbst. Für einen Narzissten bist du ein gefügiger Spiegel seiner/ihrer Großartigkeit. Im Inneren ist der Narzisst zutiefst verletzlich, weswegen er auch zutiefst verletzen kann. Er weiß eben, wie das Spiel gespielt wird, und straft, tadelt und lässt dich am kleinen Finger verhungern.

Aber: Wer an eine Person geraten ist, die sich eher wie eine Prinzessin, Königin oder ein König verhält, die es auf ihre Weise oder auf keine wollen, der darf nur behaupten, jemanden mit stark egoistischen oder leicht narzisstischen Zügen getroffen zu haben. Auf der BIG 5-Skala stünden diese im Aspekt des Neurotizismus hoch oben. Sie sind in Wahrheit „nur“ emotional labil, gehemmt oder schüchtern, aber fürchten diese Gefühlszustände so sehr, dass sie sie von vornherein wegdrücken. Deshalb ein Klassiker bei BÄ: Verachtung und Wut. Wer von seinem BÄ verachtet oder verspottet wird, sollte auf Herz und Nieren prüfen, ob es aus Unsicherheit geschieht (was oft der Fall ist). Auch aggressives Verhalten, zum Beispiel im Angesicht von Kritik, ist ein Hinweis auf Verletzlichkeit und Verletzung. Aber die richtige, klinische narzisstische Persönlichkeitsstörung ist etwas völlig anderes. Narzissten würden dich auslachen oder mit der Ruhe selbst in der Luft zerreißen, bis du weinst. Sie empfinden gefühlt nämlich keine Angst und zeigen auch keine Gefühle wie Angst. In ihrem Sinne sind sie ja die Größten. Angst und Schuld oder Scham sind Gefühle, die man spüren müsste. Narzissten haben dieses Empfinden (zu ihrem Wohl) abgeschaltet und dafür Methoden entwickelt, sie zu umgehen.

Dennoch: Wer starke narzisstische Strukturen in seinem Gegenüber erkennt oder vermutet, der darf sich sicher sein, dass hier eine Angst in der tiefsten Tiefe herrscht, weswegen ein sofortiger Rückzug zwingend nötig ist. Mehr zu Narzissten und ihrer Angst in diesem Artikel >>

eifersucht und angst vor dem verlust des partners

7. Suchtgefährdete oder süchtige Persönlichkeitsstrukturen: Nicht nur Alkohol oder Drogen können süchtig machen, auch Sex ist ein Sucht- und Betäubungsmittel, besonders wenn Pornografie als Vorlage für das (angstfreie) Spüren von Gefühlen herangezogen wird. Dann kommt „Liebe“ und „Annahme“, sich gut fühlen und verbunden, woanders her. Das jeweilige Suchtmittel dient dann wiederum als Kompensation. Es soll einem geben, was man vermisst und nicht von (einem bestimmten) Menschen erhält.

Als Kind, das Alkoholismus (wenn auch nur aus der Distanz) in seiner Familie erleben musste, kann ich sagen: Es gibt sehr viele Kinder, die später wegen der Sucht eines Familienangehörigen zu Beziehungsängsten und unsicheren, vermeidenden oder ängstlichen Beziehungsstilen neigen. Süchtige haben keine Hand für gesunde Strukturen und können auch keine gesunde Beziehung führen oder gesund und offen lieben. Stattdessen wird etwas anderes vorgelebt.

Wer aber häufig z. B. zum Alkohol greift, kann auch Sex als Sucht empfinden/entwickeln oder ihn „zu sehr mögen“. Alkohol wäre dann u. a. ein Enthemmer und erleichtert den Umgang mit Druck, Verantwortung und Gefühlen. Auch für den Akt. Diese Verbindung findet sich oft. Wer sich als hoffnungsloser Fall in einer Partnerschaft empfindet/empfinden gelernt hat, würde wenigstens Sex nutzen, um sich irgendwie liebenswert und wertvoll zu fühlen/fühlen zu dürfen – und damit Sex auch anpeilen (wenn er sich im Bett als „wertvoll“ empfunden gelernt hat). Denn bei allen anderen Unternehmungen würde die Angst, zu versagen oder nicht auszureichen, wieder hochfahren. Doch oft geht es bei BÄ so weit, dass sie wegen des Alkohols/der Drogen meinen, keine Liebe oder Beziehung zu brauchen. Sie haben ja ihr Suchtmittel, das sie in ihren Augen sicher hält.

8. Das nächste Mal wird schlimmer, aber NICHT anders. Negative Beziehungserfahrungen, Angst vor Liebe, Nähe, Verlust, Kontrollverlust, Angst, sich zu trennen: All das zeigt sich mit spezifischen Anzeichen im Verhalten, nicht aber durch nur Sex. Im Gegenteil: Das Wenigste, was man sehen wird, ist nur Sex. Man wird Stille und nur sachte Annäherungen, kurze (sehr kurze), aber schöne Stunden und Gespräche finden (oft auch ohne Sex), dann wieder Rückzüge, Zweifel des Anderen, pampige Antworten, aggressives Verhalten bei zu viel Bedrängnis (empfunden auf seiner/ihrer Seite) usw. Da gibt es kein Nettgespiele, um Sex zu haben.

BÄ probieren auch nichts aus. Sie meinen schon alles im Vorfeld zu wissen, was passieren könnte, nämlich etwas Negatives. Nur-Sex-Interessierte hingegen lassen sich auf Situationen ein, für Sex. Bekommen sie ihn nicht, werden sie pampig oder abweisend. Aber sie sind erst einmal präsent. BÄ sind das vielleicht online oder in Messengerdiensten, wo das geschriebene Wort als Schutzmauer dient, aber kein persönliches Treffen fokussiert wird.

9. Spezifische Bindungsstile

Man unterscheidet den sicheren, unsicheren, ängstlichen und (ängstlich-)vermeidenden Beziehungsstil. Der letztere kam er kürzlich hinzu und macht noch einen Schritt weiter ins Extrem. Unsichere Stile z. B. würden mitunter dazu tendieren, keinen Sex oder nur sehr geringe Intimität zuzulassen. Entweder sie nehmen an, sie würden nur sexuell ausgenutzt oder aber sie vermeiden Intimität aus Unsicherheit. Sie sind offen für Beziehungen und Liebe, aber warten ab, bis sie sich sicher genug fühlen. Ängstliche und vermeidende hingegen würden Sex nutzen, um überhaupt eine Form der Bindung einzugehen, während sie echte Beziehungen aber scheuen. Vermeidende können Sex zudem meiden, wenn ihnen das schon zu weit geht. Ängstlich bedeutet, etwas an Beziehungen oder Liebe ist angstbesetzt, wie z. B. Verantwortung oder immer auch auf den anderen Rücksicht nehmen zu müssen. Vermeidend ist so ungefähr die schlimmste Form, die man sich vorstellen kann, weil dort alles negativ behaftet ist. Diese Form lässt sich sehr schwer umpolen und trifft oft Menschen, die entweder missbraucht oder schwer verletzt worden sind. Sie würden Sex auch als Strafe gegenüber dem anderen/präferierten Geschlecht nutzen oder als einzige Form der Bindung. Mehr dazu in meinem Buch „Du liebst mich oder doch nicht?“ >>

 

10. Noch ein Hinweis

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Sex und Angst, der oft übersehen wird: Nämlich der Glaube, dass er/sie dir nichts anderes bieten kann außer Sex. Er/Sie empfindet sich selbst als nicht gut oder genug für eine Partnerschaft, hat sich selbst bereits oft genug in Beziehungen scheitern sehen und kein Vertrauen mehr in die eigenen Beziehungsfähigkeiten. Das ist nicht selten, sondern sehr, sehr, sehr häufig. Und wie die selbsterfüllende Prophezeiung läuft es dann meist auch: Es geht schief.

 

Was kannst du nun tun, um diese Situation zu meistern, wenn du mehr willst?

Zum einen ist Gehen ein Weg, oft der Beste, um ganz ehrlich zu sein. Wer sich Leid ersparen möchte, und das sollte so sein, muss sich für sich entscheiden. Sonst entscheidet man sich für das Leid. Neue, andere Menschen kennenlernen und so verstehen, dass es mehr gibt als diesen einen, der nur Sex konnte/wollte, ist die bessere Wahl.

Zweite Option: Bleiben und sehen, was passiert, während man die Augen offenhält und sich nicht zu sehr emotional an den/diejenige/n bindet. Je mehr man der Hoffnung verfällt, daraus könne doch noch eine Beziehung werden, desto frustrierter wird man mit der Zeit. Ist man aber in dem Zustand, dass es einen nicht weiter schert, falls nichts daraus wird, dann tut es auch nicht weh. Man kann den sexuellen Kontakt genießen und Punkt, während man aber weiterhin zu anderen Menschen Kontakt sucht/hat und dort nach Glück Ausschau hält.

Drittens: Bei sich schauen, wieso man sich zu jemanden hingezogen fühlt, der nur an Sex interessiert ist oder aber gar Beziehungsangst hat. Ich möchte hier auf eins hinweisen: Nur weil man so jemanden trifft, heißt das nicht, dass man anfangen muss, wild zu spekulieren und tiefe Bedeutungen zu suchen. Man kann sich nicht aussuchen, wen man kennenlernt, aber bei wem man Gefühle zulässt und bleibt schon. Dennoch, falls du merkst, dass das durchaus was mit dir zu tun hat oder du oft an emotional nicht verfügbare Menschen gerätst, dann kannst du eine Innenschau vornehmen. Dafür eignet sich meine Masterclass zum Thema Beziehungsängste. Sie thematisiert die Ängste deines (Wunsch)Partners und zeigt Wege auf, um behutsam damit umzugehen (Kommunikationsstrategien, No Go’s, Gesprächsvorschläge usw.), ohne ihn/sie zu verscheuchen. Es handelt sich hierbei um Vertrauensarbeit-Methoden, aber benennt auch klar und deutlich die Grenzen, die dir durch seine/ihre Angst vorgegeben werden.

 

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen! Hinterlasse gern einen Kommentar oder teile diesen Beitrag!

Liebe Grüße
Janett

 

Erkenne gesunde Bindungsstrukturen

Stell dir vor, du wüsstest binnen von 2-3 Dates, wer für dich gemacht ist und wer nicht. Selbst auf Manipulationen wüsstest du zu reagieren – integer und angstfrei.

>> Ade Zufallsliebe <<

Coach für Frauen und Männer bei Ängsten

Janett Menzel

Mentorin | Life & Love Design

Schattenarbeiterin, Expertin für Bindungsangst und Kommunikation in Partnerschaften, Emanzipationswunden, transgenerationale Muster, Wer bin ich? Wer will ich sein?, Mutter- und Vaterwunden, Hochbegabung – Hochempathie – Kreativität & Angst. Anfragen und Beratungen >>

 

1 Kommentar

  1. Hey Janett.
    Ich bedanke mich sehr für diese Mühe den Beitrag verfasst und veröffentlicht zu haben.
    Ich habe mir Bestätigung gesucht für meinen ehemaligen Schwarm darüber viel über mich selber erfahren.
    Soeben ist ein gespräch zuende gegangen.
    Welches nicht absichtlich herbeogeführt wurde jedoch in kombination mit meiner Vermutung und dem Artikel weiss ich jetzt woran ich bin. Was mich nicht einmal verletzt da ich mehr über den Seelenfrieden und die Erfahrung glücklich bin als die enttäuschung zu empfinden.
    Es gab keine Artikel wie diesen.

    Wirklich vielen vielen Dank.
    Gruß Thoma

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